Zinswende stoppt vorerst Rekordjagd der Private-Equity-Branche
Web3 und Dekarbonisierung eröffnen Private-Equity neue Chancen. Allerdings sorgt derzeit die Zinswende für Unmut in der Branche.
Immer höhere Investitionszuflüsse, erfolgreichere Exits und größere Fonds: Rund ein Jahrzehnt lang stellte die Private-Equity-(PE-)Branche einen Rekord nach dem anderen auf. Doch mit der Zinswende erst in den USA und dann in Europa hat die Jagd nach Bestmarken im Sommer 2022 ihr Ende gefunden – zumindest vorerst. Im „Global Private Equity Report 2023“ beleuchtet die internationale Unternehmensberatung Bain & Company die zweigeteilte Entwicklung im vergangenen Jahr und zeigt auf, warum die Perspektiven für die Branche trotz dieses Rücksetzers vielversprechend sind.
Private-Equity: Resilientes Geschäftsmodell
„Im zweiten Halbjahr 2022 verharrten die Aktivitäten der Private-Equity-Fonds auf einem niedrigeren Niveau“, konstatiert Bain-Partner Alexander Schmitz, der die PE-Praxisgruppe in der DACH-Region leitet. „Dennoch sind die Fonds unverändert gut positioniert, um weiter zu wachsen.“ Tatsächlich haben sie schon mehrfach bewiesen, dass sie auch mit widrigen Rahmenbedingungen zurechtkommen – zuletzt in der Rezession 2020 und davor in der globalen Finanzkrise 2008/2009. „Das Geschäftsmodell der Private-Equity-Branche ist und bleibt resilient“, betont Schmitz.
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Die Zuversicht gründet unter anderem auf dem nicht-investierten Kapital („Dry Powder“), über das die globale PE-Branche Ende 2022 verfügte: Mit rund 3,7 Billionen US-Dollar wurde ein neuer Höchstwert erreicht. Binnen eines Jahres war es noch einmal um 500 Milliarden US-Dollar gestiegen (Abbildung). „Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass die PE-Fonds bereits in den kommenden Monaten wieder mehr Investitionen tätigen“, erklärt Bain-Partnerin und Branchenexpertin Silvia Bergmann. Dabei sei es allerdings unumgänglich, einen klaren Fokus zu setzen: „Angesichts des derzeit schwierigen Umfelds sollten sie sich auf diejenigen Branchen und Themen konzentrieren, in denen sie sich am besten auskennen. Mit solch einer Strategie konnten in früheren Abschwüngen mit Investments sehr attraktive Renditen erzielt werden.“
Schwer finanzierbare Mega-Deals
Dass die aktuelle konjunkturelle Talfahrt nicht spurlos an den PE-Fonds vorübergeht, belegen zahlreiche Kennzahlen im neuen Bain-Report. So sind die Investitionen von Buy-out-Fonds 2022 um mehr als ein Drittel auf 654 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. In der zweiten Jahreshälfte kam es insbesondere in Europa zu einem drastischen Einbruch. Angesichts der Zurückhaltung der Banken war es vor allem schwierig, kreditfinanzierte Mega-Deals zum Abschluss zu bringen. Die entsprechenden Kredite blieben in Summe in Europa und in den USA zuletzt 50 Prozent unter Vorjahresniveau.
Ungeachtet dessen ist 2022 das zweitbeste Jahr für neue Beteiligungen von Buy-out-Fonds gewesen. Lediglich 2021 war die Gesamtinvestition höher ausgefallen. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Fundraising. Im Vergleich zum Vorjahr verringerte sich die Summe des neu eingeworbenen Kapitals 2022 zwar um 10 Prozent. Doch mit 1,3 Billionen US-Dollar floss mehr Geld in neue Fonds als je zuvor. Einzige Ausnahme war einmal mehr 2021.
Privatinvestoren erobern
Eine weitreichende Veränderung bahnt sich im Kreis der Kapitalgeber an. Konzentrierten sich die meisten PE-Fonds im Fundraising bisher auf institutionelle Investoren, entdecken sie nun allmählich auch private Anleger für sich. Diese verfügen über gut die Hälfte des weltweit verwalteten Vermögens, ihr Anteil am Vermögen der PE-Branche beläuft sich aber gerade mal auf 16 Prozent. Branchenkennerin Bergmann sieht Chancen, diesen Anteil auszubauen. „Vermögende Privatanleger werden zunehmend offener für eine Diversifizierung ihres Portfolios. Denn die Hoffnung ist groß, auf diese Weise höhere Renditen zu erzielen.“
Weiteres Wachstum absehbar
Wollen die PE-Fonds ihren Renditeanspruch auch in den kommenden Jahren erfüllen, müssen sie umdenken. Denn etliche Anzeichen sprechen dafür, dass die Ära der Niedrigstzinsen vorüber ist. Während in der Vergangenheit die Ausweitung der Multiples einen signifikanten Beitrag zur Wertsteigerung leistete, müssen PE-Fonds ihr Portfolio im neuen Umfeld noch aktiver als bisher auf organisches Wachstum und Margenverbesserungen steuern. Gleichzeitig sind sie gefordert, den tiefgreifenden Wandel in vielen Märkten so weit wie möglich zu antizipieren. Vor diesem Hintergrund liegt ein Fokus des diesjährigen Bain-Reports auf zwei disruptiven Veränderungen: Dekarbonisierung und Web3. Während die Fonds bei bestehenden Beteiligungen alles daransetzen müssen, die CO2-Belastung rasch zu senken, ergeben sich neue Investmentmöglichkeiten bei der Finanzierung alternativer Energien sowie kohlenstoffarmer Lösungen. Je früher Fonds hier Erfahrungen sammeln und Netzwerke aufbauen, desto größer sind ihre Chancen in diesem Zukunftsmarkt.
Ähnliches gilt für den vermehrten Einsatz von Web3-Technologien. Blockchains, Smart Tokens und andere Innovationen sorgen zwar auf der einen Seite für mehr Handlungsdruck im Portfolio, doch auf der anderen Seite eröffnen sich attraktive Beteiligungsmöglichkeiten. Aus Sicht von Bain-Partner Schmitz sind die Fonds für diese und weitere Aufgaben gut gerüstet: „Die Private-Equity-Branche hat einen enormen Reifungsprozess durchlaufen und nimmt an den Kapitalmärkten mittlerweile eine wichtige Rolle ein. In den kommenden Jahren wird sie noch mehr an Bedeutung gewinnen und damit ihr Wachstum fortsetzen.“
Autor Thomas Brummer
Thomas Brummer war bereits für das Anlegermagazin "Der Aktionär" und das Verbraucherportal biallo.de tätig. Zudem hospitierte er in der Wirtschaftsredaktion der Rheinischen Post in Düsseldorf. Seit 2018 ist er Mitglied der Redaktion und seit 2020 als stellvertretender Chefredakteur für das Anlegerportal extraETF.com und das Extra-Magazin verantwortlich.