7. Januar 2023

Pro & Contra: Ist es sinnvoll, sein Depot komplett selbst zu verwalten?

Wie hältst du es bei der Geldanlage? Das Depot selbst managen oder es lieber verwalten lassen? Für manche Anleger ist das eine regelrechte Glaubensfrage. Und auch in unserer Redaktion wird oftmals darüber diskutiert. Unsere Redakteurin Katja Brauchle sagt ganz klar: selber machen! Thomas Brummer hingegen bricht eine Lanze für die Services von digitalen Vermögensverwaltern.

Ist es sinnvoll, sein ETF-Portfolio selbst aufzubauen und zu pflegen? Oder ist es nicht doch besser, das Depot-Management in Expertenhand zu geben, so dass man sich dann um nichts mehr kümmern muss? Womöglich hast du dir diese Frage noch nie so direkt gestellt, aber in Zeiten digitaler Vermögensverwalter, sogenannter Robo-Advisors, ist sie durchaus berechtigt.

Die Hürden für die professionelle Vermögensverwaltung sind seit einigen Jahren dank der fortschreitenden Digitalisierung sehr gering. Selbst 500 oder 1.000 Euro lassen sich bei etlichen Robo-Advisors problemlos anlegen. Eine vergleichbare Dienstleistung in der analogen Welt war früher ein Privatvergnügen der Reichen.

Robo-Advisors werden günstiger

Doch nicht nur die Hürden in Sachen Einstieg sind gesunken, auch an der Gebührenschraube konnten die digitalen Geldanlagehelfer ordentlich drehen. Durch den hohen Automatisierungsgrad liegen die Gebühren für die Vermögensverwaltung oft unter einem halben Prozent.

„Mir doch egal, ich kenn mich doch aus“, werden manche Leserinnen und Leser nun denken. Doch insbesondere unter den vielen Neuanlegerinnen und -anlegern gibt es Menschen, denen das nötige Fachwissen fehlt, um direkt das perfekte Portfolio aufzubauen. Sie sind gerade zu Anfang oft überfordert von der schier unendlichen Anzahl an Möglichkeiten, in die Welt der ETFs einzusteigen. Möglicherweise haben sie den Begriff Rebalancing auch noch nie gehört und werden bei einer Börsenkrise, wie wir im laufenden Jahr erlebt haben, ziemlich nervös. Das kann zu Fehlentscheidungen und -investitionen führen.

Schutz vor Fehlentscheidungen

Davor können Robo-Advisors schützen, denn hier kommen Anlegerinnen und Anleger erst gar nicht in Versuchung, Modifikationen am Portfolio vorzunehmen. Du kannst dich ganz beruhigt zurücklehnen. Klingt doch perfekt, oder?

Doch ist es wirklich so einfach? Wenn Robo-Advisors die Geldanlage so simpel machen, warum greift dann nicht jede Anlegerin und jeder Anleger darauf zurück? Gibt es auch Nachteile an der digitalen Vermögensverwaltung? Ist es am Ende vielleicht doch die bessere Lösung, sich selbst um das ETF- Portfolio zu kümmern?

Diesen Fragen sind wir in unserem aktuellen „Pro & Contra“ auf den Grund gegangen. Katja Brauchle erklärt, warum sie trotz der Argumente, die für einen digitalen Vermögensverwalter sprechen, lieber weiterhin auf Selbstverwaltung baut und was das aus ihrer Sicht mit dem Thema Emotionen und finanzielle Bildung zu tun hat.

Thomas Brummer geht in seinem Kommentar darauf ein, warum er einen Robo-Advisor für bestimmte Anlegertypen durchaus für eine sinnvolle Sache halte. Dennoch ist er auch der Meinung, dass man sich auch damit nicht völlig aus der Verantwortung stehlen kann und sollte.

Pro: Geldanlage ist etwas Emotionales und Persönliches

Wer sich für die Geldanlage mit ETFs entscheidet, sollte das immer mit dem Bewusstsein tun, dass dahinter das Konzept der Eigenverantwortung steht – es geht schließlich um die Lebensgrundlage. Sich voll auf eine künstliche Intelligenz zu verlassen, sollte wohlüberlegt sein.

Wir leben in einer Zeit, in der wir eigentlich nicht mehr viel selbst machen müssen, auch wenn es uns auf den ersten Blick vielleicht anders vorkommt. Doch seit der industriellen Revolution haben Maschinen mehr und mehr der Aufgaben übernommen, die früher manuell gemacht werden mussten – das Leben wurde uns zusehends einfacher gemacht und das ist ein großartiger Fortschritt. Auch ich bin froh, dass ich meine Wäsche nicht von Hand waschen muss und eine Reise von 50 Kilometern keinen an- strengenden Tagestrip zu Fuß bedeutet.

Nun sind wir inmitten der dritten industriellen, der digitalen Revolution. Unser Leben ist inzwischen stark vernetzt. Künstliche Intelligenzen übernehmen immer mehr Denkleistungen für uns. Manchmal finde ich das sehr praktisch, manchmal auch etwas beängstigend. Wie sehr man diese Technik in sein Leben lassen möchte, kann man derzeit glücklicherweise aber noch überwiegend selbst bestimmen.

Geldanlage ist hochemotional und persönlich

Das gilt auch für das Thema Geldanlage mit ETFs. Ich kann mich komplett selbst kümmern oder die Verantwortung weitestgehend an einen Robo-Advisor abgeben, der für mich entscheidet, was das Beste ist, und die Verwaltung komplett übernimmt. Klingt ein bisschen nach aktiv gemanagtem Fonds, oder? Ist es aber nicht – denn ein Robo-Advisor ist eben eine künstliche Intelligenz und kein Mensch. Für mich persönlich ist das Thema Geldanlage etwas sehr Emotionales – es geht schließlich um meine Lebensgrundlage. Der Gedanke, Entscheidungen darüber einem Algorithmus zu überlassen, befremdet mich daher.

Hier liegt für mich auch das größte Argument gegen einen solchen digitalen Vermögensverwalter. Wer sich dafür entscheidet, in ETFs zu investieren, sollte sich darüber bewusst sein, dass es Zeit und Eigenverantwortung kostet, das eigene Portfolio zu verwalten. Dafür sparst du die Kosten, die du bei einem aktiv gemanagten Fonds hättest – und auch die Anbieter von Robo-Advisors verlangen natürlich Geld für die Verwaltung deines Depots. Lohnt sich das?

Keine Zeit und wenig Ahnung sind schlechte Argumente

Ich kenne das Argument, dass es sich insbesondere für Einsteiger anbietet, zunächst auf Robo-Advisors zu bauen oder für Menschen mit wenig Zeit. Beides würde ich kritisch sehen. Am leichtesten lernt man den Umgang mit dem eigenen Portfolio – und dem eigenen Geld! – doch, indem man sich selbst damit beschäftigt und das nicht einer künstlichen Intelligenz überlässt. Über die mangelnde finanzielle Bildung in Deutschland beschweren wir uns hier- zulande ohnehin so oft – Robo-Advisors sind in meinen Augen der Sache nicht zuträglich, denn sie machen es Anlegerinnen und Anlegern sehr einfach, sich nicht weiter mit ihrem Investment beschäftigen zu müssen. Dabei wiederhole ich mich gern: Es handelt sich um ihre künftige Lebensgrundlage. Das halte ich für die falsche Entwicklung.

Und zum Faktor wenig Zeit lässt sich nur sagen, dass gerade im Zeitalter der Digitalisierung nicht nur die Möglichkeiten der Information schier unendlich und kostenlos verfügbar sind, sondern du dein Portfolio dank Neobroker und Online-Banking quasi immer und überall verwalten können. In der Bahn, beim Essen, in der Wanne. Ich verstehe, dass Robos den Einstieg für ängstliche Anlegerinnen und Anleger vereinfachen können. Dennoch plädiere ich dafür, sich eigenverantwortlich mit dem eigenen Geld auseinander- zusetzen. Wer weiß, am Ende macht es vielleicht sogar noch Spaß.

Tipp: Mit dem extraETF Portfoliotracker kannst du dein Portfolio überwachen und deine Investments analysieren. Auch per App!

Contra: Scheue nicht vor einem Robo-Advisor zurück

Wenn ETFs und deren Verwaltung nicht unbedingt dein Hobby sind, dann schalte auf jeden Fall einen Robo-Advisor, also einen digitalen Vermögensverwalter, ein. So bekommst du garantiert ein zu dir passendes Portfolio samt Pflege – eben Geldanlage nach Lehrbuch.

Wie hältst du es denn mit dem Haushalt? Stehst du gerne stundenlang in der Küche, schneiden Zwiebeln, warten, bis die Kartoffeln so weit sind und so weiter? Oder bist du eher der Typ „Pizza-Besteller“? Ein etwas eigenartiger Einstieg, denkst du nun vielleicht. Doch das lässt sich prima auf die Geldanlage übertragen. Denn wer selbst kocht, muss sich viele Gedanken vorab machen: Was will ich essen? Was muss ich dazu im Supermarkt einkaufen? Wie bereite ich die Zutaten schließlich zu?

So ergeht es auch einem Selbstentscheider bei seinem Depot. Erst muss er sich überlegen, welches Risiko-Profil zu ihm passt, das entspricht im Essensbeispiel vielleicht der Würze oder dem Schwierigkeitsgrad des Gerichts. Ist das geklärt, geht es um die „Zutaten“ – sprich: Welche ETFs kommen nun konkret in mein Depot? Reicht ein Welt-ETF? Oder gehören Schwellenländer dazu? Wenn ja, in welcher Größenordnung?

Selbstentscheider sind immer gefordert – einfach abwarten ist nicht

Irgendwann glaubst du den Dreh für die optimalen Gewichtungen herauszuhaben, um sich entspannt zurücklehnen zu können. Doch weit gefehlt, denn wie beim Kochen kannst du nicht einfach Pfannen und Töpfe unkontrolliert ihrem Schicksal überlassen. Es bedarf von Zeit zu Zeit eines Kontrollblicks und einer Anpassung. Im Portfolio-Management sprechen wir hier vom sogenannten Rebalancing.

Denn wie du in den vergangenen Monaten einmal mehr eindrucksvoll sehen konntest, schwanken die Börsen mitunter sehr. Das führt natürlich auch dazu, dass sich bei Depots mit mehr als einem ETF die Gewichtungen immer mehr verschieben. Oder anders ausgedrückt: Dein Gericht verändert den Geschmack. Dazu sind einmal mehr Selbstentscheider gefragt. Du solltest entweder „nachwürzen“, falls etwa der Aktienanteil durch die rückläufigen Börsen gebröckelt ist, oder aber die Flamme herunterdrehen, falls die Börsen wieder kräftig zugelegt hatten, um nicht allzu riskant unterwegs zu sein. Denn durch den dann höheren Aktienanteil wäre das Depot ohne Eingriff riskanter als zuvor.

Bist du wirklich ein echter Selbstentscheider?

Das ist die alles entscheidende Frage in diesem Beitrag. Wenn dir das Thema ETF von Herzen Spaß macht und du sich gerne mit deinem Depot beschäftigst, dann bleibst du weiter ein Selbstentscheider – keine Frage. Ist es für dich eher ein notwendiges Übel oder mangelt es dir an Disziplin, dann gehe einfach zu einem günstigen Robo-Advisor. Das sind digitale Vermögensverwalter, die in aller Regel ein Welt-Portfolio auf ETF-Basis für dich verwalten.

Der große Vorteil: Anhand eines Fragenkatalogs wird genau ermittelt, welches „Gericht“ bzw. welcher Depot-Mix am besten zu dir passt. Dann kann es auch schon losgehen. Um die Pflege des Depots musst du dich nicht mehr kümmern. Denn die Anbieter passen dein Portfolio automatisch in regelmäßigen Abständen an.

Du ahnst es: Es gibt nur einen Haken oder sagen wir besser ein Häkchen. Das kostet natürlich etwas. Aber gleich die Beruhigungstablette: Dank Digitalisierung und hohem Automatisierungsgrad sind gute Robo-Advisors sehr günstig. Viele Anbieter verlangen für die Verwaltung etwa 0,5 Prozent. Das ist, wie ich meine, sehr vertretbar, zumal du eine professionelle Vermögensverwaltung erhältst und fortan ohne eigenes Zutun nach Lehrbuch anlegen.