1. April 2023
Können wir mit der positiven Trendwende in China rechnen?

Jetzt in China investieren?

Mehr Staat, weniger Markt? Chinas wirtschaftsfreundliche Politik ändert sich. Zugleich leidet das Reich der Mitte unter den Folgen der Null-Covid-Strategie. Wie ist es um China als Investment-Ziel bestellt?

Es sind Bilder, die um die Welt gehen: 20.000 Menschen strömen aus dem Foxconn-Werk in Zhengzhou. Ein Zehntel der Belegschaft, die dort für Apple das iPhone 14 Pro und Pro Max produziert. Zuvor waren Proteste gegen die Null-Covid-Politik der Regierung eskaliert, weil die Beschäftigten im Werk bzw. auf dem Gelände tagelang festgehalten worden waren. Andere Unter- nehmen wie Tesla am Standort in Shanghai hatten die Vorgaben der Regierung ähnlich restriktiv umgesetzt. Doch vor allem Foxconn ist zum Symbol für den Frust über die Null-Covid-Politik geworden.

Drei Jahre nach dem Ausbruch von Covid ist die Zahl der Neuinfektionen in China Ende 2022 so hoch wie nie zuvor. Lockdowns legen das Leben immer wieder aufs Neue lahm – und bremsen die Wirtschaft aus. Ein Fünftel der chinesischen Wirtschaftsleistung ist nach Schätzungen der Bank Nomura betroffen. Doch erst auf dem Volkskongress im Oktober war die Null-Covid-Politik bestätigt worden.

Mehr Staat, weniger privat

Ohnehin war der Kongress Anlass, die Wirtschaft noch stärker zu regulieren und den Weg für noch mehr Planwirtschaft zu bereiten. Vor zwei Jahren hatte die Regierung Tech-Unternehmen, den Bildungssektor, den Gaming-Markt reguliert – offiziell zur Korruptionsbekämpfung und Datensicherheit. Doch letztlich wurden einzelne Unternehmen eingeschränkt. Ein Verbot von Börsengängen chinesischer Unternehmen in den USA stand im Raum. Der Grund: China fürchtete den Abfluss sensibler Daten. Alibaba musste in letzter Minute den Börsengang seines Finanzdienstleisters Ant Group absagen. Es wäre einer der größten IPOs weltweit gewesen.

Die Gaming-Branche darf seit 2021 Jugendlichen nur noch stundenweise und am Wochenende Zugang zu Spielen gewähren. Nach Angaben der BBC unter Bezug auf einen Bericht des China Game Industry Group-Komitees sollen inzwischen 75 Prozent der Jugendlichen in China weniger als drei Stunden die Woche gamen. Außerdem wurde der Bildungssektor reguliert: Nachhilfe-Institute dürfen fortan keinen Gewinn mehr machen und Schüler nicht mehr am Wochenende unterrichten.

China und der Immobiliensektor

Nun geht China den Immobilienmarkt an. Die Regierung gewährt finanzielle Hilfen für Wohnbau-Unternehmen, damit begonnene Projekte fertiggestellt und verschuldete Unternehmen gestützt werden. Doch 2020 hatte die Regierung mit restriktiveren Kreditvergaben das Problem mit ausgelöst. Diese Eingriffe werden nun zurückgenommen.

Der Immobilienmarkt hat in Hochzeiten ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausgemacht. Eine eigene Wohnung ist ein Luxusgut. Bereits junge Menschen verschulden sich für die eigene Immobilie, da häufig Eigenkapital von bis zu 70 Prozent eingebracht werden muss. Viele haben ihr Geld verloren. Und ihren Job. Die Corona-Maßnahmen belasten den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote junger Menschen ist auf 20 Prozent gestiegen. Am Jahresende 2022 eskalierte die Lage: Demonstranten gehen gegen die Covid-Maßnahmen auf die Straße. Öffentlichen Protest gab es seit Jahren nicht.

Die Verunsicherung wächst

Die Lage verunsichert Investoren. Die Auswirkungen steigender Covid-Zahlen und Lockdowns mit Lieferengpässen über Monate hinweg sind vielen noch vom Jahresanfang in Erinnerung. Und inzwischen ist klar: Abhängigkeiten machen erpressbar.

Deutschlands Abhängigkeit

Das Institut der deutschen Wirtschaft hatte im Sommer gewarnt, dass Deutschland viel abhängiger von China sei als umgekehrt. So waren deutsche Direktinvestitionen im Reich der Mitte im ersten Halbjahr 2022 mit zehn Milliarden Euro auf Rekordniveau. Gleichzeitig erreichten die Importe aus China 9,5 Prozent der Gesamtimporte. Im Jahr 2000 waren es 2,5 Prozent. Unternehmen wie Siemens bauen dennoch ihr China-Geschäft aus. Die deutschen Autohersteller produzieren 90 Prozent der Karossen für den chinesischen Markt vor Ort. Ein Rückzug aus China ist für viele keine Alternative: Andere Unternehmen stünden sofort bereit.

Risikofaktor Taiwan

Hinzu kommen politische Risiken wie Chinas Bestreben, die Insel Taiwan zu annektieren. Eine Einmischung der USA gilt als Bedrohung. Begriffe vom nächsten Kalten Krieg oder Weltkrieg fallen. Im Konflikt- oder Kriegsfall fürchten Anrainer, hineingezogen zu werden. China wird im Indopazifik immer mächtiger.

Erholt sich die Börse?

Die Lage belastet die Börsen. Der Hang- Seng-Index verlor in drei Jahren rund ein Drittel seines Wertes. Doch Experten sind optimistisch: Nach Ansicht von Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank Research, könnte Chinas Wirtschaft nach dem Volkskongress im März 2023 von einer allmählichen Lockerung der Null-Covid-Politik profitieren; das BIP dürfte bis zu fünf Prozent wachsen. „Ein Risiko in China bleibt die zögerliche Erholung des Immobilienmarktes“, sagt Schattenberg.

Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, sieht Chancen an den Börsen nach dem Ausverkauf der vergangenen Monate. In China, Korea und Taiwan seien die Bewertungsrückschläge hoch. „Diese Märkte sollten von einer Erholung profitieren.“

Optionen für China-Investments

Wer in China investieren will, muss sich erst zurechtfinden: Man kann Einzelaktien über sogenannte ADRs an der Börse in New York handeln. Dort sind viele chinesische Konzerne zweitnotiert. In China gibt es drei große Handelsplätze: in Shanghai, Shenzhen und Hongkong. Und A-, B- und H-Aktien. Die A-Aktien notieren in Renminbi. Sie waren früher chinesischen Investoren vor- behalten. Seit 2002 sind sie auch für ausländische Anleger handelbar. Hierfür wird ein Konto bei einem chinesischen Broker benötigt.

B-Aktien, die in Shenzhen und Shanghai gehandelt werden, sind ausländischen Anlegern vorbehalten. Die Handelswährung in Shanghai ist der US-Dollar, in Shenzhen der Hongkong-Dollar. Die Nennwerte der B-Aktien werden in Renminbi angegeben.

H-Aktien sind Aktien chinesischer Unternehmen des Festlandes, die an der Börse in Hongkong gelistet sind. Die H-Aktien sind für in- und ausländische Investoren handelbar. Eine Notierung als H-Aktie ist anstelle der B-Aktie oder zusätzlich möglich. Das erste chinesische Unternehmen, das in Hongkong gehandelt worden war, war die Tsingtao Brauerei.

Kurzer Index-Überblick

Der Hang Seng mit den 50 größten und meistgehandelten Aktien Hongkongs ist einer der wichtigsten Indizes Asiens. Hier werden Aktiengesellschaften aus Hongkong und chinesische Aktien gehandelt, darunter der Internet-Dienstleister Tencent.

Der Shanghai Stock Exchange Composite (SSE Composite Index) ist der wichtigste Index für Aktien Chinas ohne Hongkong-Anteil. Er listet alle 1.500 A- und B-Aktien der Börse Shanghai auf.

Im China Securities Index 300 (CSI 300) sind die 300 größten und meistgehandelten Aktien der Börsen Shanghai und Shenzhen in der chinesischen Währung Renminbi enthalten (A-Aktien).

Die 50 wichtigsten chinesischen Fest- land-Aktien notieren im Hang Seng China Enterprises Index. Außerdem handelbar sind der MSCI China mit gut 720 Titeln, der FTSE China, der mehr als 900 Aktien umfasst, der FTSE China 50 mit den größten in Hongkong gelisteten Aktien und der S&P 500 China.

Breites ETF-Angebot

Wer nicht direkt in einzelne Aktien investieren, sondern das Investment breiter streuen will, findet bei extraETF 45 ETFs, die meisten von ihnen sind sparplanfähig. Bei Fondsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro und einem Alter von mehr als drei Jahren bleiben zwölf Portfolios übrig.

Der Flaggschiff-ETF

Der größte China-ETF ist der thesaurierende iShares MSCI China A (WKN: A12DPT) mit 2,8 Milliarden Euro Volumen, 500 Aktienpositionen, einer Gesamtkostenquote (TER) von 0,4 Prozent und dreijähriger Performance von 26,0 Prozent.

Der ebenfalls thesaurierende Xtrackers CSI300 SWAP UCITS ETF (WKN: DBX0M2) bildet den CSI 300 in- direkt ab. Das Fondsvermögen beträgt 2,4 Milliarden Euro, die Gesamtkostenquote liegt bei 0,5 Prozent. Auf Sicht von drei Jahren brachte es das Portfolio auf einen Zuwachs von 35,6 Prozent.

Tipp: Mit dem extraETF Finanzmanager kannst du deine Investments analysieren und dein Vermögen an einem Ort überwachen – einfach, schnell und sicher.

Auch mit Ausschüttungen

Der ausschüttende HSBC MSCI China ETF (WKN: A1JHYT) investiert in die größten chinesischen Unternehmen. Der Fonds repliziert den Index physisch, investiert also direkt in die Aktien der enthaltenen Unternehmen. Die Gesamtkostenquote liegt bei 0,30 Prozent. Das Fondsvermögen beträgt 753 Millionen Euro. Im 3-Jahres-Zeitraum verzeichnete das Portfolio einen Verlust von neun Prozent. 3,5 Sterne vergibt extraETF dem HSBC-Produkt.

Nachhaltig in China investieren

Wer nachhaltig in China anlegen will, muss schon ausdauernder suchen. Ins- besondere dann, wenn Fondsvolumina im dreistelligen Millionenbereich eine Voraussetzung für ein Investment sind. Länger als drei Jahre ist zudem nur der UBS MSCI China ESG Universal ETF (WKN: A2PESQ) am Markt. In diesem Zeitraum hat der ETF gut acht Prozent seiner Notiz verloren. Die Gesamtkostenquote beträgt 0,45 Prozent.

Tipp: Wer mehrere ETFs bespart, kann das Risiko durch eine unterschiedlich hohe Sparrate zusätzlich steuern. Im gesamten asiatischen Raum sind 155 ETFs zur Auswahl auf extraETF gelistet.

Fazit

Mit China steht und fällt ein großer Teil der Weltwirtschaft. Anlegerinnen und Anleger können sich über ETFs diesem dynamischen Markt diversifiziert nähern. Alternativ sind auch Schwellenländer-ETFs einen Blick wert. So lässt sich ein China-Investment über Bande spielen. Wichtig: Auf Fondsvolumen und Alter des ETF achten.