16. November 2022
Immobilienaktien: Tatsächliches Risiko oder antizyklische Chance?

Immobilienaktien: Tatsächliches Risiko oder antizyklische Chance?

Immobilienaktien gehören zu den großen Verlierern an den deutschen Aktienmärkten. Sind die Risiken der Unternehmen und die Zukunftsaussichten tatsächlich so schlecht oder übertreiben aktuell die Marktteilnehmer und bietet sich eine antizyklische Chance?

Immobilienaktien gehören zu den großen Verlierern an den deutschen Aktienmärkten. So hat die Aktie von Vonovia seit Jahresanfang mehr als 50 Prozent verloren. Die Aktie von Konzernen, die in Gewerbeimmobilien investieren, verloren noch stärker. Aroundtown gab etwa um rund 66 Prozent nach. Hintergrund der Verluste ist die hohe Fremdfinanzierung der Unternehmen. Mit steigenden Zinsen steigen die Kosten für die Darlehen.

Übervorsichtige Investoren

Beispiel Vonovia: Das Unternehmen verfügt über einen Wohnungsbestand von etwa 100 Milliarden Euro. Die Finanzierungshöhe beträgt 43 Milliarden Euro. Nach Abzug der Schulden bleibt ein Eigenkapital von 37 Milliarden Euro. Die aktuelle Marktkapitalisierung von Vonovia beträgt rund 16 Milliarden Selbst bei einem Rückgang der Immobilienpreise besteht ein großer Puffer zu den Bewertungen der Immobilien in der Bilanz. Selbst in Zeiten verschärfter Kreditanforderungen sollte der Immobilienbesitz problemlose Finanzierungen ermöglichen. Das spricht eindeutig für eine Übervorsicht der Investoren.

Nicht besonders risikoreich

In den nächsten Jahren muss die Vonovia jährlich etwa vier Milliarden Euro refinanzieren. Bisher liegen die Refinanzierungskosten bei rund 1,2 Prozent jährlich. Die Zinslasten betragen rund 544 Millionen. Sollten die Kosten für die Refinanzierung der rund 12,5 Milliarden Euro an fälligen Darlehen und Anleihen in den nächsten drei Jahren auf fünf Prozent steigen, würden sich die Refinanzierungskosten auf rund eine Milliarde Euro verdoppeln. Bei Einnahmen von rund drei Milliarden Euro ist die Situation weiterhin nicht besonders risikoreich. Damit sollte auch die bisherige Dividende von Euro 1,66 oder 7,8 Prozent auf den aktuellen Kurs gesichert sein.

Nach Aussage des Vorstandes hat Vonovia die letzten Jahre genutzt, um ihre Immobilien zu modernisieren. Einen Instandhaltungsstau gibt es nicht, sodass man gerade in Zeiten, in denen die Kosten für Modernisierungen massiv steigen, zurückhaltend investieren kann. Entwarnung auch bei den Einnahmen: Diese kommen aus den Mietzahlungen der Wohnungsnutzer. Aufgrund einer Vielzahl von kleinen Wohnungen, der Lage der Immobilien, der Bedeutung des Wohnens für jeden Einzelnen und der von der Regierung avisierten Unterstützung von Mietern in unsicheren Zeiten ist ein größerer Ausfall von Einnahmen nicht zu erwarten. Für Anleger bedeutet das Sicherheit, da die bisherigen Einnahmen fortgeschrieben werden können.

Aufgrund dieser Aspekte scheint der Markt zu übertreiben. Das Unternehmen ist aktuell attraktiv bewertet. Kurzfristig könnte jedoch die schlechte Stimmung anhalten. Daher bieten sich die nächsten Wochen für erste Käufe von Immobilienaktien an.

Tipp: Hier erfährst du alles über das Investieren in Themen-ETFs – inklusive wichtiger Brancheninfos und geeigneter ETFs.

Gewerbeimmobilien meiden

Bei den Konzernen, die in Gewerbeimmobilien investieren, ist die Lage schwieriger. Hier sind insbesondere negative Überraschungen auf der Einnahmeseite möglich. Schlechte Konjunkturnachrichten, Konkurse von Mietern, Zurückhaltung bei Verbrauchern und so weiter können Probleme bei den Mieteinnahmen auslösen. Daher sollten diese Titel, bis sich die wirtschaftliche Lage klarer gestaltet, gemieden werden.

Über den Autor: Uwe Wiesner

Uwe Wiesner ist Vermögensverwalter bei der Hansen & Heinrich AG in Berlin