Gelingt es Dividenden-Aktien aus dem Schatten der KI-Titel zu treten?
Dividenden-Aktien stehen wieder im Fokus. Wie stehen diese Unternehmen im Vergleich zu den KI-Werten da? Qualität versus Tech-Erfolgsgeschichte.
Die Fortschritte bei der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) bescherten 2023 vor allem den US-Börsen starke Gewinne. Dabei geht die Entwicklung in erster Linie auf die „glorreichen Sieben“ der US-Tech-Industrie zurück: Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, NVIDIA und Tesla. Zwischen 50 und 200 Prozent betrug deren Kursentwicklung im vergangenen Jahr. Dividendenstarke Aktien fielen demgegenüber deutlich ab: Weniger als zehn Prozent gewann ihr Referenzindex 2023. Nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, ist in diesem Jahr die Frage, ob ein nachträgliches Aufspringen auf den Technologiezug noch sinnvoll ist. Vielmehr können sich Aktien mit hohen Dividendenrenditen als wichtiger Stabilisator für das Portfolio erweisen.
Dividenden-Aktien versus „glorreiche Sieben“
Für die Fortsetzung des positiven Momentums von Tech- und Kommunikationsaktien sprechen nach Einschätzung Gallers hauptsächlich die konjunkturellen Rahmenbedingungen. „Die Aussichten auf ein schwächeres Wirtschaftswachstum 2024 und damit nachlassende Ertragskraft der Unternehmen dürfte den Unternehmen am Aktienmarkt helfen, die aufgrund ihrer Wettbewerbsposition überdurchschnittliche Gewinnwachstumsaussichten haben. Gleichzeitig ist ein Großteil der ‚glorreichen Sieben‘ aufgrund der geringen Netto-Verschuldung weiterhin kaum von Finanzierungsrisiken betroffen“, so Galler.
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Doch haben die Qualitäten der „glorreichen Sieben“ inzwischen einen hohen Preis. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist auf 34x angestiegen, während die 493 restlichen Aktien des S&P 500 nur ein KGV von 20x aufweisen. Die Marktkonzentration auf dem US-Markt ist historisch hoch, die zehn größten gelisteten Unternehmen der USA repräsentieren inzwischen ein Drittel des S&P 500. Bei den Gewinnerwartungen wird für die „glorreichen Sieben“ in den nächsten zwölf Monaten ein Anstieg von über 30 Prozent erwartet, dem Rest des US-Marktes traut man hingegen nur vier Prozent Gewinnwachstum zu. „Die Latte wurde aufgrund der Euphorie um die Künstliche Intelligenz sehr hoch gelegt. Dadurch ist das Risiko einer Gewinnenttäuschung in den nächsten zwölf Monaten angestiegen“, stellt der Marktexperte fest.
Dividendenstarke Titel als Stabilisator für das Portfolio
Um das Portfolio stabiler zu machen, sollten laut Galler daher globale Aktien mit einer stabilen, überdurchschnittlichen Dividendenrendite wieder stärker in den Fokus rücken. Aktien mit Dividendenstabilität können in der Regel einem wirtschaftlichen Abschwung besser widerstehen als der breite Markt. Das zeigte sich beispielsweise in den Jahren von 2000 bis 2002, in der Rezession nach dem Platzen der Technologieblase. Die Gemeinsamkeit mit dem heutigen Umfeld liegt nicht nur in den hohen Tech-Bewertungen, sondern auch an den niedrigen Ausschüttungsquoten der Unternehmen. Aktuell werden global nur 39 Prozent der Gewinne ausgeschüttet, und damit drei Prozentpunkte weniger als im 25-jährigen Durchschnitt. „Das aktuelle Dividendenniveau bietet dadurch einen Puffer gegen einen Rückgang der Gewinne im Falle einer Rezession. Die Bewertungen liegen aktuell bei einem KGV von 14x, was ziemlich genau dem langjährigen Durchschnitt entspricht“, erklärt Galler.
Speziell mit Blick auf eine mögliche anstehende Zinswende spricht die Datenlage ebenfalls für Dividendenaktien. Gemäß einer Auswertung von J.P. Morgan Asset Management haben Dividendenaktien nach den letzten vier Zinshöhepunkten im Durchschnitt jeweils hohe zukünftige 12-Monats-Renditen mit enger Streuung erzielt. Bereits 2023 kamen die Qualitätsmerkmale von Dividendenaktien voll zur Geltung, wobei sich das globale Dividendenwachstum von plus sechs Prozent als deutlich widerstandsfähiger erwies als das globale Gewinnwachstum von minus zwei Prozent.
Doch reicht eine hohe Dividendenrendite allein aus, um aus dem Schatten der Tech-Werte herauszutreten? Unternehmen sollten laut Galler auch die nötige Qualität mitbringen, eine wirtschaftliche Schwächephase auszuhalten. „Preissetzungsmacht und eine niedrige Verschuldung sind Attribute, die im aktuellen Konjunkturumfeld Stabilität bieten. Bei einem längerfristigen Anlagehorizont sind die im historischen Vergleich günstigen Bewertungen von Aktien mit hoher Dividendenrendite ist ein starkes Argument dafür, dass Dividendenaktien aus dem Schatten der glorreichen Sieben heraustreten können“, meint Galler. Die Künstliche Intelligenz werde die Wirtschaft revolutionieren und gewaltige neue Absatzmärkte für Technologieunternehmen schaffen. „Doch der Filmklassiker und Namensgeber mahnt auch zur Vorsicht – nur drei der glorreichen Sieben haben den Showdown im Film überlebt“, sagt Galler.
Autor Thomas Brummer
Thomas Brummer war bereits für das Anlegermagazin "Der Aktionär" und das Verbraucherportal biallo.de tätig. Zudem hospitierte er in der Wirtschaftsredaktion der Rheinischen Post in Düsseldorf. Seit 2018 ist er Mitglied der Redaktion und seit 2020 als stellvertretender Chefredakteur für das Anlegerportal extraETF.com und das Extra-Magazin verantwortlich.