Finanzielle Sicherheit im Ruhestand: Wie wird sie wirklich?
Wir arbeiten länger als vor 20 Jahren: Mit 64,2 Jahren gehen wir laut Statistik des Onlineportals Statista in den Ruhestand. Und fast zwei Drittel von uns möchten nicht bis zum offiziellen Renteneintritt mit 67 Jahren arbeiten. Doch Wunsch und finanzielle Wirklichkeit klaffen auseinander.
12,9 Millionen Menschen in Deutschland gehen in den nächsten 15 Jahren in den Ruhestand. Das ergab eine jährliche Befragung des Statistischen Bundesamtes, der so genannte Mikrozensus. Die Baby-Boomer gehen dann in Rente. Alles in allem rund 30 Prozent der derzeit Erwerbstätigen.
Doch 64 Prozent von uns Deutschen möchten früher als mit 67 in den Ruhestand. Das ergab eine Umfrage der Finanzberatung Swiss Life Select. Doch die Zahlen dürfen nicht hinwegtäuschen, dass 2019 acht Prozent der Ruheständler:innen in Deutschland erwerbstätig waren – 2005 waren es vier Prozent der Bevölkerung. Das liegt auch an der Demographie: Wo mehr Menschen immer älter werden, steigt auch der Anteil der Arbeitenden. Doch einige müssen im Rentenalter arbeiten, andere wiederum wollen das.
Sicherheit hat Priorität
Aber irgendwann ist er da, der Ruhestand: Bis dahin gilt es, die Finanzen sicher gestaltet zu haben. Hier hilft das „Magische Dreieck“ der Geldanlage aus Sicherheit, Verfügbarkeit und Rendite. Sicherheit hat im Alter oberste Priorität, sagen Expert:innen. Das Risiko lässt sich mildern, wenn Geldanlagen breit gestreut sind. Dennoch soll das ersparte oder investierte Geld verfügbar sein: Nicht alle Finanzprodukte sind schnell liquidierbar. Oder es kostet extra Gebühren. Es gilt also, auch „flüssig“ zu sein. Die Rendite ist wiederum umso höher, je größer das Risiko ist. Jeder muss für sich nun das richtige Maß aus diesen drei Komponenten finden.
Einen Plan fürs Geld haben
Das angesparte Kapital lässt sich über einen Entnahmeplan regelmäßig auszahlen. Diese gibt es mit oder ohne Kapitalverzehr. Man legt in der Variante mit Kapitalverzehr eine bestimmte Anzahl an Jahren fest, während derer man das Kapital entnimmt. Die Lebenserwartung muss ich berücksichtigt werden. Frauen werden in Deutschland im Schnitt 83,6 Jahre alt, Männer 78,9. Vom Renteneintritt mit 67 an muss das Geld also rund 17 bzw. rund 12 Jahre reichen. Bei einer Entnahme ohne Kapitalverzehr werden nur die laufenden Erträge entnommen, das ist in vielen Fällen weniger Kapital als in der ersten Variante. Der Vorteil aber ist, dass das Geld nicht ausgeht am Lebensabend.
4-Prozent-Regel: Grober Anhaltspunkt, ob das Geld reicht
Zur Lösung der Frage, wie viel Kapital entnommen werden kann, ohne dass das Geld ausgeht nehmen wir beispielhaft ein Kapital von 150.000 Euro an. Es gibt Simulationen mit denen man grob ermitteln kann, ob dieses Kapital für den Ruhestand reicht. Auch die etwas hemdsärmelige, aber recht bekannte 4-Prozent-Regel gibt Anhaltspunkte. Sie besagt, dass man 4 Prozent des Kapitals pro Jahr entnehmen kann, ohne dass das Geld ausgeht. Nach dieser Regel könnte man also nur 6.000 Euro pro Jahr, also 500 Euro pro Monat, für den Ruhestand entnehmen, wenn man 150.000 Euro Kapital hat. Dabei ist Voraussetzung, dass das Depot einen Aktienanteil von mindestens 50 Prozent hat. Wer viel Geld als Tages- oder Festgeld angelegt hat, kann diese 4 Prozent nicht entnehmen, weil Tages- bzw. Festgeld viel weniger Rendite bringt.
Außerdem muss in der Rechnung die Inflation berücksichtigt werden. Die lag in den vergangenen 20 Jahren bis 2021 bei 1,5 Prozent in Deutschland im Schnitt, ist derzeit aber viel höher. Mittelfristig sollte man 2 Prozent mindestens berücksichtigen. Außerdem gilt es hier noch, die Steuer zu bedenken.
So viel brauchen wir im Ruhestand
Nach Studien brauchen wir Deutschen als Basis das 25-fache unserer jährlichen Ausgaben als Sparsumme, um nicht mehr zu arbeiten. Das ist zwar nur Anhaltspunkt, denn Generalisierungen sind immer schwierig. Trotzdem ein Beispiel: Wenn die monatlichen Ausgaben 1.500 Euro betragen, sind das pro Jahr 18.000 Euro. Multipliziert mit 25 ist eine Sparsumme von 450.000 Euro im Ruhestand notwendig, um über die Runden zu kommen.
Wer im Alter zu wenig zum Leben hat, kann Grundsicherung beziehen. Viele Menschen tun das aus Scham nicht. Oder aus Angst, ihr weniges Erspartes drangeben zu müssen. Inzwischen hat sich da die Gesetzgebung geändert: Einen Teil der Altersvorsorge darf man behalten, muss nicht alles aufgebraucht haben oder anrechnen lassen, bis man Grundsicherung bekäme.
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Auch Versicherungen neu denken
Mit dem Rentenbeginn fallen immerhin einige Versicherungen weg. Eine Berufsunfähigkeit ist nicht mehr nötig im Ruhestand. Wer vom großen Familienhaus in eine Wohnung umzieht, spart ebenfalls. Nicht nur Versicherungskosten. Hingegen kann eine Pflegezusatzversicherung, wenn sie erst spät abgeschlossen wird, sehr teuer werden im Vergleich zu einem Abschluss in jüngeren Jahren.
So geht man mit Schenkungen um
Wer Vermögen hat und nicht vererben, sondern schon zu Lebzeiten verschenken will, kann das steuerfrei für die Beschenkten bis zu bestimmten Obergrenzen tun: Eltern dürfen ihrem Kind innerhalb von 10 Jahren Werte bis zu 400.000 Euro schenken, ohne dass das Kind Schenkungssteuer zahlen muss. Großeltern dürfen bis zu 200.000 Euro im gleichen Zeitraum schenken – bei Onkel und Tante ist die Grenze bei 20.000 Euro.