Faktorstrategien auf dem Vormarsch?
Investoren, die Faktorstrategien nutzen, bauen ihre Faktorallokationen weiter aus, so das Ergebnis der vierten Invesco Global Factor Investing Studie.
Für die Studie – die umfassendste ihrer Art – wurden Gespräche mit 241 institutionellen und Wholesale-Investoren geführt, die bereits in Faktorstrategien investieren und deren verwaltetes Vermögen sich auf insgesamt mehr als 25 Billionen US-Dollar beläuft.
Von den befragten Investoren aus den Regionen Asien-Pazifik, Europa/Naher Osten/Afrika und Nordamerika hat fast die Hälfte (45 Prozent) ihre Faktorallokationen 2018 erhöht. 59 Prozent wollen ihre Allokationen in den nächsten drei Jahren noch weiter ausbauen. Dadurch sind die durchschnittlichen Allokationen in faktorbasierte Strategien von 2018 bis 2019 sowohl bei den institutionellen Investoren (von 16 auf 18 Prozent) als auch bei den Wholesale-Investoren (von elf auf 14 Prozent) gestiegen. Zudem berichten 69 Prozent der Befragten, dass die Performance ihrer Faktoranlagen ihre Erwartungen erfüllt oder übertroffen hat.
Multifaktor am Kommen
Wie die Studienautoren feststellen, haben die Befragten die Anzahl der Faktoren, auf die sie abstellen, weiter erhöht und nutzen auch vermehrt Multi-Faktor-Strategien. Außerdem treffen sie inzwischen aktivere Entscheidungen über die Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung bestimmter Faktoren. Unter anderem hat das zu einem geringeren Engagement im Value-Faktor geführt (einem der ersten und meistgenutzten Faktoren), während vermehrt auf andere Faktoren wie Momentum, Quality und Low Volatility abgestellt wird. Obwohl die Effektivität des Value-Faktors inzwischen mitunter in Frage gestellt wird, ist Value weiterhin der sowohl von Wholesale-Investoren als auch institutionellen Investoren meistgenutzte Faktor (91 Prozent bzw. 86 Prozent).
„Das Mainstreaming des faktorbasierten Investierens schreitet weiter rasch fort. Investoren, die bereits mehr Erfahrung mit diesem Ansatz haben, wollen jetzt noch mehr mit ihren Faktorallokationen anfangen, zum Beispiel durch aktive und maßgeschneiderte Ansätze und die Nutzung von Faktoransätzen auch im Anleihenbereich. Investoren, die bereits in Faktorstrategien investieren, haben ihre Allokationen ausgebaut, und mehr als die Hälfte der Befragten will ihre Allokationen in den nächsten drei Jahren weiter erhöhen. Damit dürfte sich der Trend zur vermehrten Durchsetzung faktorbasierter Anlagestrategien weiter fortsetzen“, sagt Georg Elsässer, Senior Portfolio Manager, Quantitative Strategies bei Invesco.
Wie die diesjährige Studie feststellt, bevorzugen drei Viertel der Faktoranleger inzwischen aktive gegenüber passiven Ansätzen. Dabei werden aktive Strategien über Einzelmandate, Publikumsfonds und Exchange-Traded Products (ETPs) umgesetzt. Bei aktiven Strategien bevorzugen größere institutionelle und Wholesale-Investoren Einzelmandate, während mittelgroße und kleinere Investoren eher Publikumsfonds wählen. Bemerkenswert ist auch, dass die Nutzung von ETPs nicht auf einen Investor-Typen oder nur auf die Umsetzung passiver Strategien beschränkt ist. Für fast 43 Prozent der großen institutionellen Investoren (mit einem verwalteten Vermögen von über 50 Milliarden US-Dollar) spielen diese Produkte eine wichtige Rolle in der Umsetzung aktiver Strategien, wobei sie gewöhnlich mit anderen Vehikeln kombiniert werden.
Von den Befragten, die noch immer in passive Faktorindex-Strategien investieren, bevorzugt fast die Hälfte (42 Prozent der institutionellen Investoren und 44 Prozent der Wholesale-Investoren) einen maßgeschneiderten Ansatz der Indexberechnung. Diese maßgeschneiderten Ansätze können eine bessere Steuerung der Faktoren ermöglichen und mehr Kontrolle über Faktordefinitionen und -messgrößen bieten. Den Investoren zufolge hängt der Erfolg des faktorbasierten Investierens von der permanenten Weiterentwicklung des Ansatzes durch die Einführung neuer Faktoren, Definitionen, Datenquellen, Technologien und Anlageklassen ab.
„Die meisten Befragten verfolgen einen angemessen langfristigen Faktoransatz; das bedeutet allerdings nicht, dass sich Faktornutzer einen statischen Allokationsansatz leisten können. Tatsächlich glauben die Investoren zunehmend, dass die Vorzüge der faktorbasierten Anlage zum Teil erst durch eine dynamische Umsetzung zum Tragen kommen“, so Elsässer.
Anlegerinteresse an Anleihefaktoren nimmt weiter zu
Der Anteil der Befragten, die überzeugt sind, dass sich Faktorstrategien auch für Anleiheninvestments eignen, ist in den letzten zwölf Monaten deutlich gestiegen. Inzwischen sind rund 70 Prozent der institutionellen Investoren und 78 Prozent der Wholesale-Investoren dieser Ansicht – 2018 waren es erst 62 Prozent bzw. 57 Prozent.
Angesichts der rekordtiefen Renditen und der Tatsache, dass rund ein Viertel der weltweiten Anleihen negativ verzinst ist, erwägen die Anleger alternative Ansätze, um Erträge aus der Anlageklasse zu generieren. Die Befragten betrachten faktorbasierte Strategien als Lösung, mit der selbst im aktuellen Umfeld auf transparente und kosteneffektive Weise Ertragsquellen angezapft werden können.
Für 64 Prozent der Investoren ist Rendite / Carry der wichtigste Faktor im Anleihenbereich – was auch die zunehmende Nutzung derartiger Strategien in den letzten zwölf Monaten erklärt, gefolgt von Liquidity, Value und Quality (54 Prozent, 46 Prozent bzw. 42 Prozent).
Trotz des Anlegerinteresses an der Anwendung von Faktorstrategien im Anleihenbereich fehlt es hier noch an geeigneten Produkten. So meinen fast neun von zehn Befragten, dass diese Anlageklasse nicht sehr gut durch aktuelle Faktorangebote abgedeckt ist (wobei nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität abgestellt wird). Insgesamt haben 2018 rund 42 Prozent der institutionellen Investoren ihre Allokationen in Aktienfaktoren erhöht, während 35 Prozent ihre Allokationen in Anleihenfaktoren ausgebaut haben. Die entsprechenden Werte für Wholesale-Investoren sind 46 Prozent bzw. 32 Prozent.
„Die Ergebnisse der diesjährigen Befragung signalisieren, dass die Nachfrage nach Faktorstrategien für den Anleihenbereich mit der zunehmenden Erfahrung der Investoren weiter zunehmen wird. Allerdings müssen dafür noch einige Hürden aus dem Weg geräumt werden. So glauben mehr als 80 Prozent der Investoren, dass ihr Produktbedarf im Anleihenbereich noch nicht angemessen adressiert wird“, erklärt Elsässer.
ESG-Erwägungen finden Eingang in Faktorstrategien
Mit Blick auf die künftige Weiterentwicklung des Marktes zeigt die diesjährige Studie, dass viele Investoren neben Faktoren auch ESG-Kriterien (Environmental, Social, and Governance – Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung) berücksichtigen. Rund 85 Prozent der Befragten berücksichtigen sowohl Faktoren als auch ESG und fast die Hälfte der Investoren ist überzeugt, dass der ESG-Ansatz den Faktoransatz ergänzt.
Allerdings seien viele Investoren unsicher, was die Wechselwirkungen zwischen ESG- und Faktoransätzen angeht. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der institutionellen Investoren betrachtet demnach ESG als eigenständigen Faktor, 40 Prozent dagegen als eine Kombination von Faktoren. Um diese Themen besser zu verstehen, benötigen Investoren laut den Verfassern der Studie Unterstützung durch externe Partner – weil dafür komplexe Analysen erforderlich sein und der Zugang zu den relevanten Daten und Tools eingeschränkt sei.„Angesichts des gleichzeitigen Mainstreamings von Faktor- und ESG-Strategien fragen sich viele Investoren, ob es sich um komplementäre Ansätze handeln könnte – aktuell sind sie diesbezüglich eher optimistisch. Durch die Verfügbarkeit von Werten für viele verschiedene ESG-Dimensionen sind Portfoliokonstruktionsmethoden entstanden, die denen ähneln, die im Factor Investing zum Einsatz kommen. Dabei werden Wertpapiere jeweils danach eingestuft, wie gut sie bei bestimmten Attributen abschneiden“, meint Elsässer.
Sein Fazit: „Insgesamt verdeutlicht unsere neueste Global Factor Investing Studie die zunehmende Nutzung von Faktorstrategien. Das Faktorengagement nimmt über alle Portfolios hinweg weiter zu. Das signalisiert, dass faktorbasierte Strategien nicht mehr nur als kostengünstiger Ersatz für traditionelle aktive Ansätze betrachtet werden, sondern als strategisches, transparenteres und effizienteres Tool für den Aufbau ganzheitlicher Portfolios.“
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