Elliot Hentov (State Street): "Britische Aktien können sich besser entwickeln als andere entwickelte Märkte"
In Großbritannien ist derzeit noch unklar, wer der künftige Premierminister wird. Wir haben Elliot Hentov, Leiter der Abteilung Makropolitikforschung bei State Street, zu Chancen und Risiken aus Anlegersicht befragt.
Herr Hentov, wie hat sich der Rücktritt Boris Johnsons kurzfristig auf die Börsen ausgewirkt, was erwarten Sie mittelfristig?
Der Rücktritt von Premierminister Johnson ist kein bedeutendes Marktereignis, da sich die politischen Rahmenbedingungen kaum ändern dürften. Das Vereinigte Königreich leidet unter stärkeren stagflationären Kräften als andere entwickelte Volkswirtschaften, und der Regierung stehen nur wenige Optionen zur Verfügung. Der Nachfolger von Johnson wird daher wahrscheinlich weitgehend ähnliche politische Entscheidungen treffen. Die wenigen Unterschiede könnten in der Art des finanzpolitischen Kurses liegen, d.h. ob die Steuersenkungen eher schuldenfinanziert oder durch Ausgabenkürzungen ausgeglichen werden sollen.
Und die Außenpolitik?
Der andere Bereich ist die Außenpolitik, insbesondere die Beziehungen zur EU. Ein Teil der Spannungen der letzten Monate war auf Johnsons persönliche Probleme zurückzuführen. Er nutzte die Spannungen in der EU, um den rechten Flügel seiner Partei zu mobilisieren, der ihn während der Skandalserie unterstützte. Ein Nachfolger wird vermutlich eher versuchen, eine Deeskalation herbeizuführen, zumal die hohe Inflation weitere Handelskonflikte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt erscheinen lässt.
Wie sieht es beim Lending aus?
Unter Krypto-Lending versteht man das Gewähren von Krediten in Form von Kryptowährungen. Der Kreditgeber erhält für das Ausleihen seiner Kryptos einen Zins – ähnlich wie klassische Banken bei der Kreditvergabe. Viele Lending-Plattformen gehören zum Bereich Decentralized Finance. Hier interagieren die Teilnehmer ohne zentrale Instanzen miteinander – automatisiert über die Blockchain.
Wie beurteilen Sie den Umgang mit dem Brexit?
Im Gegensatz dazu hat die Regierung die Chancen des Brexit nicht nutzen können. Es gibt tatsächlich einige Bereiche der regulatorischen Freiheit, die Investitionen und Produktivität ankurbeln könnten, aber eine durchdachte Politikgestaltung erfordern – im Grunde genommen unaufregende Dinge, die politisch schwer zu vermarkten sind. In der Zwischenzeit verliert der Brexit weiter an öffentlicher Unterstützung, aber das bedeutet nicht, dass es in absehbarer Zeit eine Umkehr geben wird. Vor der nächsten Wahl 2023-24 wird sich nicht viel ändern, und selbst unter einer Labour-Regierung wird sich das Vereinigte Königreich nur an ausgewählten EU-Programmen beteiligen (z. B. Horizont, Erasmus usw.). Keine der Entscheidungen des Vereinigten Königreichs wirkt sich zum jetzigen Zeitpunkt wirklich auf die EU-Wirtschaft aus, da das Handelsengagement seit 2016 bereits stark zurückgegangen ist.
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Wie sollten Anleger nun in Bezug auf britische Aktien vorgehen?
Für Anleger bleibt der makroökonomische Gegenwind daher stark, und das Pfund Sterling steht weiterhin unter Abwärtsdruck. Die Inflation dürfte angesichts der durch den Brexit verursachten strukturellen Schäden an den Arbeits- und Gütermärkten einen höheren Höchststand erreichen und langsamer zurückgehen als anderswo. Paradoxerweise ist dies nicht nur schlecht für britische Aktien, da der FTSE 100 einen hohen Anteil an nicht-britischen Erträgen hat und stark im Energiebereich engagiert ist. Daher könnten sich britische Aktien besser entwickeln als andere entwickelte Märkte, bis eine breitere globale Erholung einsetzt.