Der Euro Stoxx 50 startete besser ins Jahr als der Dow Jones – warum eigentlich?
Die US-Wirtschaft steht besser da als die europäische. Dennoch hat sich der Euro Stoxx 50 im bisherigen Jahresverlauf besser geschlagen als der Dow Jones.
Die USA werden im laufenden Jahr aller Voraussicht nach deutlich stärker wachsen als die Eurozone, und viele Experten gehen davon aus, dass die US-Notenbank Fed den Zinssenkungszyklus früher starten wird als die Europäische Zentralbank. Der Euro Stoxx 50 hat sich seit Jahresbeginn mit einem Plus von rund 8 Prozent dennoch weitaus besser präsentiert als der Dow Jones Industrial Average Index, kurz Dow Jones, der um rund etwa 4 Prozent zulegen konnte. Woher kommt dieser vermeintliche Widerspruch? Und wie könnte es weitergehen?
Drei Kapitalmarktexperten zum Euro Stoxx 50
Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ:
„Ein Blick in die Historie zeigt, dass sich der Dow Jones auf lange Sicht deutlich besser entwickelt hat als der Euro Stoxx 50. So kommt der US-Index seit Anfang 2000 auf eine Rendite von rund 230 Prozent, während der Euro Stoxx 50 sogar circa 9 Prozent an Wert verloren hat. Im Vergleich zum Dow Jones, der sich aktuell in der Nähe seines Allzeithochs bewegt, hatte und hat der Euro Stoxx 50 also eine Menge Nachholbedarf. Die vergleichsweise – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) – günstige Bewertung des Euro Stoxx 50 dürfte zuletzt zusätzlich beflügelt haben, weist das KGV des Euroraum-Barometers mit einem Wert von etwa 15 doch ein deutlich geringeres Niveau auf als das des Dow Jones, das bei etwa 24 liegt.
Wahrscheinlich ist, dass die US-Wirtschaft 2024 stärker wachsen wird als im Euroraum. Zudem könnte die US-Notenbank Fed den Zinssenkungszyklus womöglich früher einleiten als die Europäische Zentralbank – zwei mögliche Entwicklungen, die eher für den US-Aktienmarkt sprechen. Auf der anderen Seite steht im Herbst die US-Präsidentschaftswahl an, die eine Menge Unruhe in den Markt bringen könnte. Hinzu kommt, dass auch die EZB im Laufe des Jahres die Zinsen senken dürfte.
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Richtungsweisend für beide Indizes wird auch sein, wie sich diesseits und jenseits des Atlantiks die Unternehmensgewinne entwickeln werden. Und auch die weitere Entwicklung der beiden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten könnten Einfluss auf die Performance der beiden Indizes haben. Kurzum: Die Entwicklung des europäischen und US-amerikanischen Aktienmarktes wird von zahlreichen schwer vorherzusehenden Faktoren bestimmt – eine exakte Prognose ist daher nicht seriös möglich.“
Altan Cantürk, Analyst beim Online-Broker XTB:
„Zwar performen Dow und Euro Stoxx auf Drei-Monatssicht gleich mit etwa 20 bis 22 Prozent Kursplus. US-Aktien werden aber weiterhin gute Leistungen erbringen, während der Rest der Welt weiter aufholen muss. Dabei kommt es auch auf den Sektor an: Defensive Aktien wie Konsumgüter, Gesundheitswesen und Versorgungsunternehmen, die solide Dividenden unabhängig vom Zustand der gesamten Wirtschaft bieten, sind eher außerhalb der USA zu finden. Zudem spielt der Wechselkurs europäischen Werten in die Karten: Europäische Titel werden wegen eines überbewerteten Dollars bevorzugt, zudem haben sie günstigere Ausgangsbewertungen und höheren Dividenden.“
Zudem spielt der Wechselkurs europäischen Werten in die Karten: Europäische Titel werden wegen eines überbewerteten Dollars bevorzugt, zudem haben sie günstigere Ausgangsbewertungen und höheren Dividenden.“
Philipp Paulus, Research Analyst bei Do Investment:
„Im Gegensatz zum US-Index Dow Jones konnte der Euro Stoxx 50 u.a. mittels SAP und ASML besser von der aktuellen KI-Rally profitieren. Vor allem die niederländische ASML Holding, mit knapp 10% Indexgewichtung, ist ein essenzieller Marktakteur in der Halbleiterindustrie und der KI-Wertschöpfungskette. Zudem konnte LVMH auch in einem eher schwierigen ökonomischen Umfeld eine starke Geschäftsentwicklung vorweisen. Allein diese drei Unternehmen, welche für ca. 20% der Performance des Euro Stoxx 50 verantwortlich sind, starteten u.a. auf Grund ihres Geschäftsmodells operativ und kurstechnisch entscheidend besser in das Jahr als die Top 3 des Dow Jones. Die seit Jahresanfang negative Kursentwicklung der UnitedHealth Group, mit über 8% die größte Indexgewichtung, hemmt die Performances des traditionsreichen US-Leitindex zudem.
Eine statische Jahresendprognose abzugeben ist aber grundsätzlich ein schwieriges Unterfangen, Annahmen sollten daher stets mit den laufenden makroökonomischen und politischen Ereignissen adjustiert werden. Im Vergleich zur US-Wirtschaft ist der Zustand der europäischen Konjunktur deutlich angespannter. Eine Arbeitshypothese lautet daher, dass die Europäische Zentralbank EZB früher mit der Zinssenkungsphase beginnen könnte als die US-amerikanische Federal Reserve Fed. Dieses Szenario würde sich mittelfristig positiv auf den europäischen Aktienmarkt auswirken. Eine mögliche unterstützende Komponente stellt die Bewertung der europäischen Titel dar. Europäische Aktien sind gegenüber ihren US-amerikanischen Peers tendenziell unterbewertet. Durch das potenzielle Auflösen dieses Bewertungsprämiums der US-Aktien, gepaart mit einer früheren Zinssenkung in der Eurozone, könnte der Euro Stoxx 50 gegenüber dem Dow Jones attraktiver erscheinen.“