9. September 2022
Claus Hecher (BNP Paribas) über nachhaltige Anleihen angesichts steigender Zinsen

Claus Hecher (BNP Paribas) über nachhaltige Anleihen angesichts steigender Zinsen

Das Zinsniveau zieht wieder an. Claus Hecher (BNP Paribas Asset Management) über die Chancen nachhaltiger Anleihen-ETFs.

Du hast sicher schon mitbekommen, dass die Zinsen wieder etwas höher sind. Wir haben also bei Claus Hecher, zuständig für die Geschäftsentwicklung von BNP Paribas Asset Management, nachgefragt, wie Anleger darauf reagieren und welche nachhaltigen Anlagemöglichkeiten im nachhaltigen Anleihen-Sektor bestehen.

Herr Hecher, das Zinsniveau ist wieder etwas höher. Können Sie diesbezüglich schon Veränderungen im Anlageverhalten feststellen?

Zehnjährige Bundesanleihen bieten aktuell eine Rendite in Höhe von 1,52 Prozent, während wir in den Jahren 2019 bis 2021 fast ausschliesslich negative Werte am Markt beobachten konnten. Auch eine Anlage in Euro-Unternehmensanleihen bietet nach der Entwicklung der Zinskurve sowie der Credit Spreads wieder eine deutlich positive Rendite. Zum Beispiel im Falle des BNP Paribas Easy € Corp Bond SRI Fossil Free UCITS ETF, der einen nachhaltigen Unternehmensanleihen-Index mit einer durchschnittlichen Anlagedauer von etwas mehr als 5 Jahren abbildet, sind das aktuell 3,24 Prozent (Stand 31.08.2022). Er ermöglicht Anlegern ein Engagement in 1.594 Anleihen von europäischen Unternehmen der Kategorie „Investment Grade“, die sich zudem durch verminderte CO2-Emissionen auszeichnen und anhand von ESG-Kriterien ausgewählt werden. Genau deshalb sind solche ETFs zunehmend in den Fokus der Anleger gerückt und weisen Mittelzuflüsse auf.

Inwiefern sind Anleihen für ein ausgewogenes Portfolio von Bedeutung?

Im ersten Halbjahr 2022 hat die ausgleichende Wirkung von Anleihen zu Kursrückgängen am Aktienmarkt im Portfoliokontext nicht funktioniert und beide Anlageklassen mussten Kursverluste erleiden, Es lassen sich jedoch historisch immer wieder Konstellationen an den Kapitalmärkten beobachten, in denen Anleihen in der Lage waren, Verluste am Aktienmarkt teilweise zu kompensieren. Staatsanleihen mit höchster Bonität gelten in Krisenszenarien häufig als „sicherer Hafen“. Bei den Unternehmensanleihen wirkt sich nicht nur die Zinsentwicklung, sondern auch der Aufschlag für das Kreditrisiko des Unternehmens im Vergleich zu einer Staatsanleihe mit höchster Bonität auf die Wertentwicklung aus. Diese Eigenschaft kann in Krisenzeiten zu einer Spread-Ausweitung führen und Kursverluste als Folge haben, bietet dann aber Neuanlegern eine höhere Rendite.

Können Unternehmensanleihen eine gute Alternative zu Dividenden-ETFs darstellen?

Eine laufende Verzinsung aus Unternehmensanleihen, die der ETF entweder ausschütten oder im Falle einer thesaurierenden Anteilsklasse im Fondsvermögen reinvestieren kann ist grundsätzlich verschieden von Dividendenzahlungen aus Unternehmensgewinnen. Ein Unternehmen muss Anleihen auch dann mit Couponzahlungen oder Rückzahlungen am Laufzeitende bedienen, wenn es keinen Gewinn ausweist, um einen Default (Kreditausfall) zu vermeiden. Die Rendite am Aktienmarkt setzt sich hingegen aus Dividendenrendite und potentiellen Kursgewinnen zusammen. Dabei spielt es letztendlich für den Anleger keine Rolle, aus welchen der beiden Quellen die Rendite gespeist wird. Der berühmte Vergleich von Äpfeln mit Birnen ist bei dieser Frage durchaus erlaubt.

Kommen wir noch einmal zurück zu Unternehmensanleihen-ETFs. Was ist das Besondere an Ihren Produkten in Sachen Nachhaltigkeit?

Unser ETF bildet den Bloomberg MSCI Euro Corporate SRI Select Ex Fossil Fuel PAB Index physisch und ohne Wertpapierleihe-Geschäfte nach und umfasst Schuldinstrumente von Emittenten mit Investment Grade-Rating, die zudem ein ESG-Rating von MSCI von mindestens BBB besitzen, wobei das Auswahlprinzip „Best in Universe“ zugrunde gelegt wird. Ausgeschlossen sind hierbei Unternehmen, die nicht die Grundsätze der UN-Initiative Global Compact einhalten und die in Bereichen wie Alkohol, Glücksspiel, Pornografie, Tabak, Kernkraft, GVO  oder Waffen tätig sind. Darüber hinaus meidet dieser Index Sektoren mit dem höchsten CO2-Fußabdruck. Dazu zählen z.B. Branchen, die fossile Brennstoffe fördern oder in der Produktion verwenden.

Claus Hecher, BNP Paribas.
Claus Hecher, BNP Paribas.

 

Beim Screening der Anleiheschuldner geht es um den Ausschluss derjenigen, bei denen schwere Kontroversen feststellbar sind, also negative Auswirkungen von Produkten, Dienstleistungen oder internen Prozessen im Bereich Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung. Typische Beurteilungskriterien wären beispielsweise giftige Emissionen, ein zu hoher CO2-Fußabdruck, Gefahren eines Produktes für den Kunden, Kinderarbeit, Geldwäsche oder Betrug. Im zweiten Schritt werden die oben genannten Werte-basierten Ausschlüsse von Unternehmen der oben dargestellten Branchen vorgenommen. Schließlich scheiden die Unternehmen mit den niedrigsten ESG-Bewertungen durch MSCI aus dem Anlageuniversum aus. Auf Ebene der Bonds werden nur Emissionen von mindestens 500 Millionen Euro berücksichtigt.

Welche Bedeutung trägt das Kürzel „PAB“ in der Indexbezeichnung?

Der vom ETF abgebildete Index hat seit dem 29. Juli 2022 die Kriterien einer Paris-Aligned Benchmark (PAB) ergänzend integriert, einem von der EU-Kommission im April 2020 geschaffenen klimafreundlichen Benchmark-Typ, der mit den Zielen des Pariser Abkommens und dem EU-Ziel der CO2-Neutralität korrespondiert. Ziel ist es, den CO2-Fußabdruck im Vergleich zum Anlageuniversum um rund 50 % zu reduzieren. Die PAB sieht einen Mechanismus vor, um den CO2-Fußabdruck des Portfolios um mindestens 7 % pro Jahr weiter zu reduzieren.

Der BNP Paribas Easy € Corp Bond SRI Fossil Free UCITS ETF ist am 25. November 2021 als erster Anleihen-ETF in Deutschland mit dem FNG-Siegel ausgezeichnet worden. Was unterscheidet ihn von anderen ETFs in diesem Segment?

Das FNG-Siegel ist der Qualitätsstandard für nachhaltige Investmentfonds im deutschsprachigen Raum. Die ganzheitliche Methodik des FNG-Siegels basiert auf einem Mindeststandard. Dazu zählen Transparenzkriterien und die Berücksichtigung von Arbeits- & Menschenrechten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung wie sie im weltweit anerkannten UN Global Compact zusammengefasst sind. Auch müssen alle Unternehmen des jeweiligen Fonds explizit auf Nachhaltigkeits-Kriterien hin analysiert werden und das Produkt eine explizite Nachhaltigkeits-Strategie vorweisen. Investitionen in Atomkraft, Kohle- und Uranbergbau, bedeutsame Kohleverstromung, Fracking, Ölsande sowie Waffen und Rüstung sind tabu.