China versus Indien – wo schlummert mehr Potenzial?
Die einwohnerreichsten Länder der Erde sind China und Indien. Wer hat von den beiden an der Börse die Nase vorne? Das Duell der beiden Riesenstaaten.
Den beiden Ländern mit einer Bevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen wird von vielen Analysten eine wachstumsträchtige Zukunft mit erheblichen Wohlstandszuwächsen prognostiziert. Ob sich die weltgrößte Diktatur oder die weltgrößte Demokratie am besten entwickeln wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Ein großer Unterschied beider Länder stellt unter anderem deren unterschiedliche Bevölkerungsstruktur dar. Mitte Januar meldete das chinesische Statistikamt erstmals seit Jahrzehnten einen Bevölkerungsrückgang um 850.000 Menschen. Die Folgen der jahrzehntelang verfolgten Ein-Kind-Politik und die relativ niedrige Geburtenrate in China werden laut Prognosen zu einer starken Überalterung der Bevölkerung führen. Während im Jahr 2050 der Anteil der über 65-jährigen in China Schätzungen zufolge auf über 30 Prozent ansteigen wird, soll diese Quote in Indien bei lediglich 15 Prozent liegen.
In beiden Ländern herrscht allerdings in der Wirtschaft ein starker staatlicher Einfluss, was in den vergangenen Monaten im Zuge der Null-Covid-Strategie aber vor allem in China zu beobachten war. Trotz staatlicher Propaganda, massiver Internet-Zensur und nahezu lückenloser Überwachungssysteme sorgten Proteste innerhalb der Bevölkerung dennoch für eine Ende der strengen Corona-Regeln, die sich im Nachhinein als unwirksam erwiesen und die chinesische Konjunktur stark ausgebremst haben. Man darf daher gespannt sein, ob sich das chinesische Volk in Zukunft gegen andere Ungerechtigkeiten ebenfalls zur Wehr setzen wird.
Stärkeres Wirtschaftswachstum in Indien
Vergleicht man die beiden politischen Systeme von China und Indien, hinterlässt das Letztgenannte gegenwärtig einen stabileren Eindruck. Noch übertrifft die chinesische Volkswirtschaft den indischen Wettbewerber allerdings um mehr als das Fünffache. Während China das Überholen der USA als weltgrößte Wirtschaftsmacht anstrebt, könnte auf mittlere Sicht Indien Japan als drittgrößte Wirtschaftsnation ablösen. Besonders interessant: In diesem sowie im nächsten Jahr wird Indiens Wirtschaft signifikant stärker wachsen als die chinesische.
Das Beispiel Russland hat gezeigt, wie riskant Investments in totalitär regierten Autokratien anzusehen sind. Angesichts der chinesischen Drohungen gegen Taiwan und der wachsenden Spannungen zwischen China und den USA bergen chinesische Investments unter diesem Aspekt sicherlich ein deutlich höheres Risikopotenzial als der Kauf indischer Aktien. Besonders interessant: In den vergangenen beiden Jahren entwickelten sich indische Aktien-ETFs deutlich besser als ihre Pendants aus China.
China-ETFs haben 2022 und 2021 enttäuscht
So verzeichnete zum Beispiel der einzige Indien-ETF mit einem Marktvolumen von mehr als einer Milliarde Euro – der iShares MSCI India – im vergangenen Jahr ein Minus von 2,5 Prozent und für 2021 eine Wertsteigerung um fast 35 Prozent. Bei vier milliardenschweren China-ETFs (iShares MSCI China A, Xtrackers CSI300 Swap, Xtrackers MSCI China und iShares MSCI China) gab es 2022 ausnahmslos Verluste zwischen 15,5 und 21,4 Prozent zu beklagen, während im Jahr zuvor zweimal Gewinne von jeweils elf Prozent (MSCI China-Varianten) und sich zwei Produkte um 16,1 Prozent (iShares MSCI China) bzw. 17,3 Prozent (Xtrackers MSCI China) ermäßigt haben. Wie jeder Anleger wahrscheinlich weiß, lassen sich historische Performancewerte natürlich nicht auf die Entwicklung in der Zukunft projizieren.
Indien im Vorteil
Bei indischen Aktien-ETFs scheint das Chance/Risiko-Profil allerdings einen klaren Vorteil gegenüber ihren chinesischen Pendants auszuweisen. Darauf deuten zumindest Risikokennzahlen wie die Volatilität oder der maximale Drawdown mit Blick auf den Kursverlauf der vergangenen zwölf Monate hin. Für Anleger, die in Asien bislang eher unterinvestiert sind, macht eine Beimischung indischer Aktien durchaus Sinn. Dass dort auf lange Sicht höheres Wirtschaftswachstum als in Nordamerika oder Europa herrschen wird, dürfte nämlich relativ sicher sein.
Autor Jörg Bernhard
Jörg Bernhard ist freier Wirtschaftsjournalist und hat sich auf die Themenbereiche Rohstoffe, Edelmetalle, Börse, Hebelprodukte und Anlagezertifikate spezialisiert. Vor seiner Selbstständigkeit war er von 1994 bis 2002 bei einem Münchner Verlag aus dem Bereich Wirtschaftspresse als Redakteur, stellvertretender Redaktionsleiter und Redaktionsleiter angestellt.
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