Der Mythos der Auto-Nation Deutschland beruht nicht zuletzt auf dem weltweiten Erfolg des billigen und soliden VW-Käfers. Bei elektrischen Fahrzeugen könnte sich diese Erfolgsgeschichte wiederholen. Doch dieses Mal spielt sie in Fernost.
Als der erste Volkswagen in Deutschland über die Straßen ratterte, spottete die New York Times 1938, dass bald Abertausende „kleine Käfer“ die deutschen Autobahnen zupflastern würden. Als nach dem zweiten Weltkrieg dann nennenswerte Stückzahlen des Käfers vom Band liefen, waren sie nicht nur hierzulande beliebt. Rasant entwickelte sich der Volkswagen zum weltweit meistverkauften Fahrzeug seiner Zeit. Hier wurde der Grundstein vom deutschen Autoland gelegt. Aber gerade wird man das Gefühl nicht los, dass wir Zeuge einer ähnlichen Entwicklung werden, die allerdings ganz woanders stattfindet: in China.
Chinesische Modellflut im Auto-Sektor
Lange Zeit galten die amerikanischen Tesla-Modelle als die Elektroautos und der Elon Musk-Konzern verkaufte rund doppelt so viel reine E-Mobile wie der global größte Fahrzeugbauer Volkswagen. Die Wolfsburger schienen auf dem Weg mit günstigeren E-Modellen zwar nicht die Technologieführerschaft, zumindest große Anteile dieses Zukunftsmarktes als Nummer 2 für sich erobern zu können. Im letzten Jahr wandelte sich das Bild. Heute kommt mit BYD der weltweit wohl wachstumsstärkste Autokonzern im Elektromobilbereich aus dem Reich der Mitte. BYD schaffte es im vergangenen Jahr, die Zahl seiner verkaufter E-Fahrzeuge um 180 Prozent zu steigern und kratzt an der Millionengrenze. Tesla liegt mit rund 1,3 Millionen Fahrzeugen noch immer an der Spitze, konnte aber nur um 40 Prozent zulegen. VW schaffte es, die Marke von einer halben Million abgesetzter E-Autos zu überspringen. Der Konzern liegt jetzt schon deutlich auf dem dritten Platz und wächst langsamer als die Konkurrenz. Dabei haben die Chinesen noch ein paar Asse im Ärmel.
Billige Power
Denn BYD ist nicht nur im Autogeschäft eine ernst zu nehmende Größe. Auch im Akku-Markt spielen die Chinesen ganz vorne mit. Besonders spannend: Sie forschen an einem Natrium-Ionen-Akku, der ohne problematische Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt auskommen soll und E-Mobilität erheblich billiger machen würde. Was das bedeuten könnte, lässt die Ankündigung des BYD-Modells „Seagull“ erahnen. In dem Fahrzeug könnte die neue Technologie schon zum Einsatz kommen. Das Einsteigerfahrzeug mit einer 300 Kilometer Reichweite soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen und umgerechnet unter 9.000 Euro kosten. Zum Vergleich: Das erst für 2025 geplante vollelektrische VW-Kleinwagenmodell ID2 wird wohl knapp 25.000 Euro kosten.
So mancher wird jetzt sagen, mit der Qualität deutscher Fahrzeuge können die Chinesen nie mithalten. Das ist nicht mehr so eindeutig, wie viele denken. Das kann jeder ausprobieren, wenn er sich bei einem der großen Fahrzeugvermieter ein E-Auto ausleiht. Chinesische Fahrzeuge sind in den Flotten keine Seltenheit und schon heute technologisch näher am Marktführer Tesla als so manches deutsches Modell. Wenn es BYD und Co. gelingt, ihre preiswerten Modelle Jahre vor der deutschen Konkurrenz auf den globalen Markt zu bringen, könnte auch im Autoland Deutschland der neue Volks-Wagen bald nicht mehr aus Wolfsburg, sondern – so leid uns das für die heimischen Fahrzeugbauer tut – aus Fernost kommen.
Über den Autor: Claus Walter
Claus Walter ist Geschäftsführer der Freiburger Vermögensmanagement GmbH in Freiburg
Autor Redaktion
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