9. Dezember 2022
Ausblick Anleihenmarkt 2023: Besser, wenn die Voraussetzungen passen

Ausblick Anleihenmarkt 2023: Besser, wenn die Voraussetzungen passen

Die Aussichten am Anleihenmarkt werden besser: Die Renditen vor allem in den USA sollten schon in der ersten Jahreshälfte ihren Höhepunkt erreichen. Doch die meisten Volkswirte erwarten eine Rezession im Euroraum und den USA im ersten Halbjahr und eine leichte Erholung im zweiten. Vorausgesetzt, die Notenbanken hören allmählich auf, die Zinsen zu erhöhen. Die spannende Frage ist: Was wenn nicht? 

Die größte Gefahr für den Rentenmarkt 2023 ist, dass die erwarteten Zinserhöhungen in den USA und in Europa nicht ausreichen. Wenn die Inflation nur mit größeren Zinsschritten als erwartet in den Griff zu kriegen ist, könnte 2023 ein Ausverkauf am Rentenmarkt drohen, stellt die Deutsche Bank fest. „Das wäre nicht nur für die Rentenmärkte ein Risiko, sondern auch für die Aktienmärkte und vor allem für die Technologiewerte“, erklärt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat und Firmenkunden der Deutschen Bank.

Doch danach sieht es derzeit nicht aus. „Die große Anpassung am Rentenmarkt haben wir hinter uns, zunehmend werden Zinskupons wieder interessant.“ Die Deutsche Bank erwartet, dass der Renditeanstieg in der Eurozone in der zweiten Jahreshälfte abebbt. Anleiherenditen in den USA dürften bereits im ersten Halbjahr ihr Hoch erreichen. Bis Ende 2023 sollten die Renditen zehnjähriger US-Treasuries bei 4,2 Prozent liegen und die zehnjährigen Bundrenditen bei 2,4 Prozent. Eine mäßige Rezession vorausgesetzt.

2023 – Stopp bei den Leitzinsen

Um das zu verstehen, kommen wir um ein bisschen Volkswirtschaft nicht herum – aber wir machen es auf die sanfte Tour: Also, fast alle Volkswirte erwarten, dass der Euroraum und die USA in eine Rezession abgleiten. Eine Menge Gründe sprechen dafür: Die Zinserhöhungen belasten die Wirtschaft, vor allem zinsempfindliche Ausgaben. Die Energiepreise sind im Verhältnis höher als zur Ölkrise 1973 und wir Verbraucherinnen und Verbraucher sind schlecht gestimmt und vorsichtig mit unseren Ausgaben.

Das zweite Problem, die Inflation, sollte sukzessive im Jahresverlauf 2023 nachlassen. Und dann müssten EZB und FED auch die Zinsen nicht weiter erhöhen. Denn wegen der Inflation haben sie ja überhaupt erst die Zinsen angehoben – ein probates Mittel. Stopp bei den Leitzinsen – das wird für 2023 ein realistisches Szenario.

Anleihenmärkte preisen Ende der Zinserhöhungen ein

„Die Leitzinsen dürften bereits im ersten Quartal 2023 in den USA bei 5,0 Prozent und im Euroraum bei 3,0 Prozent (Einlagensatz) ihren Höhepunkt erreicht haben“, prognostiziert Martin Hartmann von der Commerzbank. Das sei auch am Anleihenmarkt so eingepreist. Danach dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) erst einmal eine Pause bei den Zinsen einlegen, und die US-Notenbank (Fed) könnte im zweiten Halbjahr die Leitzinsen sogar leicht senken.

„Dies gibt erfahrungsgemäß wieder Spielraum für sinkende Kapitalmarktzinsen“, erklärt Ulf Kraus von der Helaba. Der Anleihenmarkt ist den Leitzinsen allgemein voraus: Die Renditen von Staatsanleihen längerer Laufzeiten sollten ihren Höhepunkt deutlich vor dem Höhepunkt der Leitzinsen erreichen, erwartet Martin Hartmann.

Martin Hartmanns Tipp:  „Wir empfehlen für eine Anlage zunächst kurze Laufzeiten, da noch Kursrisiken bestehen.“ Das ändert sich, wenn sich aber im Jahresverlauf: „Nähern wir uns aber den Renditehöchstständen, sollte wieder in mittlere und vor allem längere Laufzeiten investiert werden.“

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Keine großen Renditerückgänge

Ulf Krauss sieht mit dem Zinserhöhungsstopp Beruhigung, mehr aber auch nicht: „Mit markanten Renditerückgängen ist nicht zu rechnen.“ Denn die Inflation bleibt insgesamt historisch hoch. „Real betrachtet sind Renten damit weiter eher ungünstig bewertet.“ Unsicher sei auch, wie stark die EZB ihre Anleihebestände reduziert. „Immerhin befinden sich über 40 Prozent der umlaufenden Euro-Staatspapiere in den Depots der Notenbanken. Ein Abbau der EZB-Bilanzsumme auf diesem Weg birgt in Zeiten zunehmender staatlicher Emissionstätigkeit neue Stabilitätsrisiken.“

Vorsicht bei Euro-Peripheriestaaten

Vorsicht besteht auch nach Martin Hartmanns Ansicht deshalb auch im Jahr 2023 bei Anleihen der Europeripheriestaaten: „Wir empfehlen vorerst, Euro-Peripherieanleihen zu meiden.“ Das liege an den Renditeabständen (den so genannten Spreads), die sich schon 2022 im Vergleich zu anderen europäischen Anleihen ausgeweitet hatten. 2023 nehmen die Belastungsfaktoren für diese Länder eher zu: „Steigende Leitzinsen, höhere Staatsausgaben zur Abmilderung der Energiekrise und die zurückgehende Unterstützung durch Staatsanleihekäufe der EZB bergen das Risiko weiter steigender Spreads. Die EZB dürfte nur bei massiven Verwerfungen eingreifen.“