Aktienmarkt USA 2023: Ein (weiterer) Kurseinbruch droht. Bleibt es dabei?
Es könnte so einfach sein: Die Inflation geht weiter zurück, die Notenbanken beenden die Zinserhöhungen, die Aktienkurse haben wieder Aufwärtspotential. Die Realität ist vorläufig anders: Die Inflation sinkt langsam. Eine Rezession in den USA wird wahrscheinlich. Die Unternehmensgewinne sinken. Die Zinsen steigen trotzdem weiter. Die Börsen bröckeln weiter. Aber es gibt Lichtblicke.
Klarer kann man es nicht sagen als der Chef der US-Notenbank FED, Jerome Powell: ,Mitte Dezember „Wir müssen uns klarmachen, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben bis zur Preisstabilität.“ Und: „Wir werden auf Kurs bleiben, bis der Job erledigt ist.“ Damit wurde wohl auch den Letzten klar, dass die Zinsen in den USA weiter steigen. Und dass die größte Volkswirtschaft der Welt wohl doch auf eine Rezession zusteuert. Der Haken: Keiner weiß, ob und wie heftig. Nicht einmal der FED-Chef: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand weiß, ob wir eine Rezession haben werden oder nicht. und wenn ja, ob es eine tiefe wird oder nicht. Es ist einfach nicht absehbar.“
Vorerst kein Wendepunkt
Wer gedacht hat, ein Wendepunkt in der Geldpolitik – und damit für die Aktienmärkte – kommt, der musste angesichts der deutlichen Worte wohl schlucken. Die Aktienmärkte hängen nach wie vor an den Zinsen, und die hängen an der Inflation. Die nächste Talfahrt folgte umgehend. 16 Prozent hat der S&P 500 bis dato in diesem Jahr verloren, 30 Prozent der Nasdaq Composite.
Und dennoch halten sich die Erwartungen, dass die Zinsen im kommenden Jahr auch wieder sinken, zumindest um je 25 Basispunkte im November und Dezember 2023. Das zeigt aktuell das FedWatch Tool der CME, der wichtigsten Terminbörse der Welt, an. Das FedWatch Tool ermittelt, wie sich die Zinsen künftig entwickeln könnten anhand der Preise für Zins-Futures.
Die Zinspolitik hinterlässt unterschiedliche Spuren. Vor allem die Tech-Werte litten bzw. leiden. Amazon verlieren in diesem Jahr bis dato 47 Prozent, Apple 22, Meta 65. Ja, die gestiegenen Zinsen haben die Finanzierungskosten erhöht. Das macht sich in dieser Branche besonders bemerkbar. Viele Technologie-Unternehmen finanzieren ihr Wachstum fremd, und das wird nun teurer. Zukunftsfähige Geschäftsmodelle und solide Finanzierungen haben aber auch in Zukunft ihre Chance.
Erst 3.000 – dann 4.000 Punkte im S&P 500. Also alles wie 2022?
Die Aussichten an den Börsen in den USA scheinen kurzfristig nicht besser zu werden. Die großen Investmentbanken bleiben skeptisch und erwarten sinkende Kurse. Zunächst. Das erste Halbjahr dürfte eine Zitterpartie abwärts werden, das zweite Halbjahr eine moderate Erholung bringen, ist der Tenor. „Eine Geschichte aus zwei Hälften“, nennt es die Bank of America. Zunächst gehe es auf 3.000 Punkte im S&P abwärts angesichts von Rezessionsrisiken, Gewinnrückgängen der Unternehmen und der quantitativen Straffung der Notenbank, dann kommt die Erholung. Eine Einschätzung, der viele folgen. Allerdings mehren sich die „Wenns“. Goldman schaut entsprechend auch auf das „Wenn nicht.“
Goldman: Wenn nicht, dann…
Goldman Sachs rechnet auf Sicht von drei Monaten mit 3.600 Punkten im S&P 500, auf sechs Monate mit 3.900. Das zweite Halbjahr sehen viele optimistischer: Das Jahresende 2023 dürfte dann nach Einschätzung von Goldman immerhin 4.000 Punkte bereithalten mit einem KGV von 17. Und das alles auch nur, wenn die Zinsen absehbar sinken und die Wirtschaft in den USA eine sanfte Landung hinlegt. Wenn nicht – wenn eine schwere Rezession kommt – erwartet Goldman den Aktienindex bei 3.150 Zählern.
3.000 bis 3.300 Punkte – auf dieses Niveau sieht die Investmentbank Morgan Stanley den S&P 500 im ersten Quartal fallen und sich dann von dort aus erholen. „Da wir mit sinkenden Gewinnschätzungen rechnen, bleibt wenig Aufwärtspotential für den Aktienmarkt.“ Und das alles auch ohne Rezession. Die Begründung der Experten: Vor einem Jahr habe der Markt das FED-Risiko ignoriert, jetzt ignoriere er das Gewinnrisiko der Unternehmen.
Etwas weniger pessimistisch äußert sich die Deutsche Bank: „Wir erwarten weder in den USA noch in Europa eine im historischen Vergleich starke Rezession“, kommentiert Marc Schattenberg, Volkswirt bei Deutsche Bank Research. Die FED könnte die Zinsen bis zum Frühjahr auf fast 5 Prozent erhöhen. Das sieht auch die Deutsche Bank so. Dann sollte dank rückläufiger Inflation – im Zuge einer milden Rezession – der Zinserhöhungszyklus enden. Die Deutsche Bank erwartet mittlere einstellige Renditen an den Aktienmärkten und erwartet den S&P 500 Ende 2023 bei 4.100 Punkten. „Obwohl das kommende Jahr wirtschaftlich etwas schwieriger werden könnte, spricht für die Anlageklasse, dass die Börse der Konjunktur vorausläuft. Daher dürfte bereits eine leichte Rezession eingepreist sein.“
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„Der Aktienmarkt muss sich an eine restriktive FED gewöhnen, auch wenn die Inflationsraten weiter zurückgehen sollten“, kommentiert Jochen Stanzl von CMC Markets. Diese Erkenntnis werde noch viele Wochen ins neue Jahr nachhallen. Der Aufwärtstrend für die großen US-Indizes sei dennoch intakt.
Aus technischer Sicht sollte das Dezember-Tief aber im ersten Quartal nicht unterschritten werden, kommentiert Jörg Scherer von der HSBC: „Die Historie lehrt, dass eine negative Weichenstellung in den ersten drei Monaten des Jahres die Erfolgsaussichten des Gesamtjahres ganz entscheidend negativ beeinflusst.“ Das wären nach aktuellem Stand 3.906 Punkte. Ein bisschen Luft ist also noch.
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Fazit
Selten waren sich die Kapitalmarkt-Experten so einig: Sie erwarten ein heftiges erstes Börsenhalbjahr an der Wall Street mit Kursrücksetzern Richtung 3.000 in den ersten Monaten im S&P 500. Und dann eine Erholung. Bei 4.000 Punkten sollte aber das Ende der 2023er Fahnenstange erreicht sein. Das heißt: Der Markt landet nach einigem Auf und Ab wohl genau da, wo er gerade steht.