Michael Geister (HANetf): "Die erwarteten Zinssenkungen lassen Gold attraktiver erscheinen"
Krisen, Wirtschaftslage und anstehende Zinssenkungen. Gold steht wieder im Fokus. Michael Geister, Vertriebsleiter der deutschsprachigen Region bei HANetf, gibt Antworten.
Seit 2018 geht es mit dem Goldpreis nach oben. Was ist der Grund für diese Entwicklung?
Wenn wir zunächst auf das Jahr 2018 zurückblicken, müssen wir zunächst festhalten, dass Gold eine negative Jahresrendite erzielt hat. Hauptgrund hierfür dürfte die US-Notenbank sein, die in diesem Jahr mit der Straffung ihrer Zinspolitik begonnen hat. Der Goldpreis ist in der Regel invers mit den Realzinsen korreliert. Da Gold keine Dividenden abwirft, erscheint es weniger attraktiv wenn die Realzinsen steigen. Dieser Gegenwind aus dem Jahr 2018 wurde 2019 durch den sogenannten Powel Pivot beseitigt. Die relative Attraktivität von Gold nahm zu, als die Realzinsen im Zuge der Covid-19-Pandemie noch weiter gesenkt wurden. Die jüngste Rallye ist in gewisser Weise das Ergebnis der Erwartung von Zinssenkungen im Jahr 2024, die auf die Erhöhungen von 2022 bis 2023 folgen.
Aber die Realzinsen sind nur ein Teil der Geschichte. Insbesondere sehen wir seit 2018 umfangreiche und anhaltende Zentralbankkäufe. Besonders aktiv ist die PBoC, die versucht, ihre Reserven vom US-Dollar weg zu diversifizieren. Der Goldpreis wurde auch durch die von geopolitischen Risiken getriebene Nachfrage gestützt. In den letzten Jahren ist das geopolitische Risiko wieder in das Bewusstsein der Anleger gerückt, angefangen beim Handelskrieg zwischen Trump und China Ende der 2010er Jahre bis hin zu den anhaltenden Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten. Dies stützt zusätzlich die Nachfrage nach Gold.
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In den letzten Monaten scheint sich die inverse Korrelation zwischen den Realzinsen und dem Goldpreis allerdings aufgelöst zu haben. Der Grund hierfür dürften die zuletzt aufgezählten anderen Nachfragefaktoren (Zentralbankkäufe, geopolitische Risiken) sein.
In welchen Regionen zeichnet sich eine besonders hohe Nachfrage nach Gold ab?
Was die Nachfrage der Zentralbanken angeht, sticht besonders die chinesische Zentralbank (PboC) hervor. Betrachtet man die Schmucknachfrage, so ist diese neben Indien im Jahr 2023 vor allem von China geprägt. Wenn wir uns den Markt für Investmentprodukte anschauen, so sind Europa und Nordamerika bei ETPs seit Mai 2023 Nettoverkäufer, während die Nachfrage in Asien/China gestiegen ist.
Könnten politische und militärische Krisen dem Goldpreis weiter Auftrieb geben?
Wenn wir den Blick auf zurückliegende Krisen werfen, ist dies unsere Erwartung. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober verzeichnete Gold eine starken Wertzuwachs. Neue geopolitische Schocks haben das Potenzial, dies noch zu verstärken. Die sich zuletzt häufenden Krisen tragen dazu bei, dass geopolitische Risiken einen höheren Stellenwert bei Investoren einnehmen. Zudem hat es den Goldpreis gestützt und dürfte es sehr wahrscheinlich auch weiterhin tun.
Auf der anderen Seite dürften die G20-Länder in diesem Jahr wachsen. Drückt das nicht die Erwartungen für Goldanleger?
In der Vergangenheit gab es eine inverse Korrelation zwischen dem BIP-Wachstum und dem Goldpreis, die sich angesichts der aktuellen geopolitischen Lage allerdings schwächer entwickeln könnte. Die Tatsache, dass die G20-Mitglieder ein moderates Wirtschaftswachstum verzeichnen, verringert nicht das geopolitische Risiko. Ebenso hält es die Zentralbanken nicht davon ab, ihre Bestände weiter zu diversifizieren.
Ein weiterer Aspekt ist die Zinspolitik. Wie sieht es aus, wenn im Lauf des Jahres die wesentlichen Notenbanken die Zinsen senken?
Wie bereits erwähnt, tragen die Erwartungen niedrigerer Zinssätze möglicherweise zur positiven Entwicklung des Goldpreises bei. Die erwarteten Zinssenkungen lassen nicht verzinsliche Anlagen wie Gold attraktiver erscheinen. Allerdings scheint die Federal Reserve zu versuchen, die Erwartungen des Marktes über das Tempo und die Anzahl der Zinssenkungen in diesem Jahr zu mäßigen. In normalen Zeiten würde man erwarten, dass sich dies auf den Goldpreis auswirkt. Aber vielleicht befinden wir uns nicht in normalen Zeiten – die historisch inverse Korrelation zwischen Realzinsen und dem Goldpreis ist verschwunden. Die Nachfrage wird anscheinend durch andere Faktoren wie die Käufe der Zentralbanken und geopolitische Risiken angetrieben.
Immer mehr Anleger achten auf das Thema Nachhaltigkeit. Gibt es nachhaltige Wege, in Gold zu investieren?
Da sich die Welt in Richtung Netto-Null-Emissionen bewegt, müssen Investoren die Menge an Kohlenstoffemissionen berücksichtigen, die mit ihren eigenen Portfolios verbunden sind. Der Zugang zu Gold kann kohlenstoffintensiv sein. HANetf offeriert Anlegern zwei Lösungen hierfür.
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Die erste Möglichkeit verbindet den Goldbergbau mit der ESG-Thematik. Der Goldabbau ist in der Regel mit hohen Umweltauswirkungen verbunden. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Energieintensität. Der HANetf AuAg ESG Gold Mining UCITS ETF (WKN: A3CPAP) bietet ein Engagement in einem gleichgewichteten Korb der 25 am besten bewerteten Goldminenunternehmen auf Basis ihrer Nachhaltigkeitskriterien. Er ist der einzige Goldminen-ETF am Markt mit einem ESG-Screening und der einzige Goldminen-ETF mit einer Einstufung nach Artikel 8 der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR).
Infolgedessen hat der ETF eine geringere Kohlenstoffintensität als andere große Goldminenindizes. Die Verwendung des ETFs für das Goldminen-Engagement kann daher die mit dem Portfolio verbundenen Gesamtemissionen reduzieren.
Eine weitere Option ist der The Royal Mint Responsibly Sourced Physical Gold ETC (WKN: A279KU), der Zugang zu physischen Goldbarren bietet, die von unserem Partner der Royal Mint, der britischen Münzprägeanstalt, in ihrem Tresor in Llantrisant, Wales, verwahrt werden. Bei allen Barren im ETC handelt es sich um Barren der London Bullion Market Association (LBMA) gemäß dem Standard für verantwortungsbewusste Beschaffung nach 2019 – dem aktuell höchsten Standard.
Einzigartig ist, dass mehr als die Hälfte des im ETC gelagerten Goldes aus 100 Prozent recyceltem Gold besteht, das aus den Abfällen der Produktionsprozesse der Royal Mint stammt – so wird sichergestellt, dass es vollständig rückverfolgbar ist und aus verantwortungsvollen Quellen stammt. Recyceltes Gold weist eine um über 90 Prozent geringere Kohlenstoffintensität auf als neu gefördertes Gold und ermöglicht Anlegern somit ein kohlenstoffärmeres Engagement in dieser wichtigen Anlageklasse.
Neben dem Thema der Nachhaltigkeit genießt auch die Krypto-Branche immer mehr Aufmerksamkeit. Bitcoin wird häufig als das „neue Gold“ angesehen. Ist diese Bezeichnung angebracht?
Es gibt insofern Parallelen, als dass beide von einigen Anlegern als sichere Anlagen betrachtet werden. Beide haben eine gewisse Knappheit – oder besser gesagt, Bitcoin wurde geschaffen, um bewusst die natürliche Knappheit von Gold zu imitieren. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen Gold und Bitcoin. Bitcoin ist als Anlageklasse viel volatiler. Die Anziehungskraft von Gold beruht auch auf seiner Attraktivität und seiner Fähigkeit, Werte über viele, viele Jahrhunderte zu sichern. Bitcoin gibt es erst seit weniger als 20 Jahren. Ich glaube also nicht, dass es sich um austauschbare Anlageklassen handelt.
Sollten interessierte Anleger entweder auf Gold oder Kryptowährungen setzen oder ist auch die Kombination sinnvoll?
Wir glauben nicht, dass es sich um ein Entweder-Oder handelt. Beides sind immer noch recht unterschiedliche Anlageklassen. Anleger, die sich in Bitcoin engagieren, tun dies oft in der Erwartung, dass die Preise steigen werden, da die internen Mechanismen von Bitcoin das Angebot reduzieren (anstehendes Halving), während die Akzeptanz und die Nachfrage steigen (in letzter Zeit aufgrund der ETF-getriebenen Nachfrage in den USA). Auf der anderen Seite ist die Attraktivität von Gold im Moment eher durch geopolitische Risiken und Zentralbankkäufe bedingt. Es handelt sich also um zwei unterschiedliche Beweggründe in die jeweilige Assetklasse zu investieren.