James Butterfill: "Wir fragen uns, wer der nächste Krypto-Krisenfall sein wird"
Die Krypto-Branche steckt in der Krise. Wir haben uns deswegen einen Experten gesucht und die derzeit brennenden Fragen gestellt.
Wesentliche Krypto-Währungen wie Bitcoin, Ethereum und Co. befinden sich auf Tauchfahrt; Börsenplätze gehen reihenweise pleite. Im extraETF-Interview erklärt James Butterfill, Leiter der Analyseabteilung bei CoinShares, worum er sich die größten Sorgen macht, warum Regulierung gut ist und was Pferdekutschen mit dem Kryptowährungsmarkt zu tun haben.
Erst FTX nun Bitfront und BlockFi: In der Krypto-Community geht die Angst um, welcher Anbieter als nächstes aufgibt. Was macht Coinshares anders?
Zuerst: CoinShares ist keine Börse wie FTX, Bitfront und BlockFi. Als Emittent von Krypto-ETPs sind wir seit langem ein Innovationstreiber in der Welt der Kryptowährungen. So hat CoinShares Physical eine Reihe von Krypto-ETPs mit einem robusten Verwahrungsrahmen entwickelt, bei dem wir den Schutz unserer Kundinnen und Kunden in den Vordergrund stellen. Die Kundenvermögen sind vollständig getrennt und konkursgeschützt, so wie es auf dem Großteil des traditionellen ETP-Marktes der Fall ist. Darüber hinaus verfolgen wir einen konservativen Ansatz beim Handel mit den meisten Vermögenswerten, die in dieser turbulenten Zeit in Cold Wallets – also nicht online – gelagert werden.
Wie groß sind Ihre Sorgen um die Branche?
Konkret fragen wir uns aktuell, ob das schon alles war oder ob und wenn ja, wer der nächste Krisenfall sein wird, denn es gibt immer noch einige große Kreditgeber in der Kryptowelt, deren Solvenz und Verbindlichkeiten unklar sind. Die aktuelle Preisschwäche und die FTX-Krise werden die Regulierung beschleunigen, die unserer Meinung nach sowohl für den Verbraucherschutz als auch für die Transparenz in der Branche auch dringend erforderlich ist.
Kryptowährungen sind das digitale Gold. Doch während der Goldpreis in einem stark inflationärem Umfeld stabil ist, ist der Bitcoin-Kurs innerhalb des vergangenen Jahres (YTD) von mehr als 50.000 US-Dollar auf etwa 17.000 US-Dollar eingebrochen. Wie passt das zusammen?
Vom Konzept her ist Bitcoin dem Gold sehr ähnlich, aber wir müssen uns klar darüber sein, dass Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel noch vergleichsweise jung ist und sich weiter entwickeln muss. Die unterschiedlichen Investoren-Interessen führen zudem zu einer höheren Volatilität. In den frühen 1980er Jahren, als Gold zum ersten Mal als moderner Portfoliodiversifikator und Wertaufbewahrungsmittel eingesetzt wurde, hatte es eine annualisierte Volatilität von 90 Prozent und erlebte einen dramatischen Preisrückgang von seinem Höchststand Anfang 1980 um 65 Prozent bis Mitte 1982. Das gleicht der derzeitigen Bitcoin-Entwicklung.
Dennoch wären wohl viele Anlegerinnen und Anleger glücklich, wenn sie derzeit eher Gold als Kryptowährungen im Depot hätten.
Auch Gold hat sich in der aktuellen Hochinflationsphase nicht wie erwartet entwickelt, da es ebenfalls ein zinsabhängiger Vermögenswert ist. Grundsätzlich glauben wir, dass Bitcoin aufgrund seines begrenzten Angebots, seiner hohen Flexibilität, seines hohen Sicherheitsmaßes durch Nachvollziehbarkeit und seiner Teilbarkeit ein besseres Wertaufbewahrungsmittel ist als Gold. Wir glauben, dass sowohl Gold als auch Bitcoin im Jahr 2023 besser abschneiden werden, da sich abzeichnet, dass die aggressive Geldpolitik der Zentralbanken in Verbindung mit einer hohen Staatsverschuldung die westlichen Volkswirtschaften wahrscheinlich in eine Rezession führen wird.
Jüngst sagte die EZB, der Bitcoin ist auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Haben die Zentralbanker recht?
Ich kann verstehen, warum dies gleich aus mehreren Gründen ein attraktives Narrativ ist. Erstens hat die Krypto-Industrie mehrere Skandale erlebt und durchläuft derzeit einen Bärenmarkt, der zu einem Wiederaufleben der hohen Preisvolatilität führt. Das ist kaum förderlich für das Verbrauchervertrauen und die Stabilität. Zweitens ist das etwa so, als würde man die Leute in der Pferdekutschenbranche fragen, ob sie den Verbrennungsmotor für eine gute Idee halten – die Antwort wird wahrscheinlich nie positiv ausfallen, da er ihre Existenz bedroht. Eine ähnliche Kritik wurde auch gegenüber dem Internet in der Anfangszeit seiner Nutzung geäußert, da es nur als eine Modeerscheinung betrachtet wurde, die wahrscheinlich wieder verschwinden würde.
Tipp: Hier findest du eine übersichtliche Liste aller 50 Kryptowährungen, über die du dich jetzt auf unseren Krypto-Profilseiten informieren kannst. |
Wie stehen Sie zur aktuellen Regulierungsdebatte der Krypto-Branche?
Wie angedeutet denke ich, dass Regulierung und wirksame Maßnahmen für die Branche unerlässlich sind, um die Verbraucher vor unseriösen Akteuren zu schützen und dazu beizutragen, mehr Glaubwürdigkeit innerhalb der Branche aufzubauen. CoinShares war und ist ein aktiver Befürworter zeitgemäßer Wege zur Regulierung des Kryptomarktes zum Nutzen der Anleger, Emittenten und anderer Marktteilnehmer.
Bei welchen Währungen sehen Sie aktuell Chancen?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass Bitcoin weiterhin einen wachsenden Anteil der weltweiten Nachfrage nach Geld absorbieren wird, da er nützliche monetäre Eigenschaften besitzt. Die Stimmung gegenüber Bitcoin hat sich zudem zuletzt aufgehellt. Hier verzeichneten Anfang Dezember Zuflüsse von knapp elf Millionen Euro, während gleichzeitig Abflüsse aus Short-Bitcoin-Produkten in etwa gleicher Höhe zu beobachten waren.
Was raten Sie Anlegern, die ihr erstes Investment in den Kryptomarkt tätigen wollen?
Dies ist eine spannende Anlageklasse mit großartigen langfristigen Aussichten, aber nichts für schwache Nerven. Wie jedes neue Konzept erfordert auch diese Anlageklasse eigene Recherchen, eine langfristige Perspektive und Toleranz für ein gewisses Maß an Volatilität.