David Lump, bei HANetf zuständig für die DACH-Region. 

"Wer heute 100 Panzer bestellt, wartet Jahre auf die Lieferung.“

Rüstung ist ein Boom-Thema. Doch ist es eine Eintagsfliege? Nein, meint David Lump, bei HANetf zuständig für den Vertrieb in der DACH-Region. 

In Europa ist Rüstung seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs ein großes Thema. Nun entstehen immer mehr Rüstungs-ETFs. Sie haben dazu einen europäischen ETF ins Leben gerufen. Können Sie das Besondere an diesem Produkt kurz vorstellen?

Die aktuelle geopolitische Lage in Europa und die Androhungen Trumps die europäischen Nato-Mitglieder im Notfall nicht zu unterstützen, sollten diese das 2-Prozent-Ziel nicht erfüllen, hat Europa wachgerüttelt. Die europäischen Nato-Mitglieder sind gefordert und wollen sich unabhängiger von den USA machen. Daher investieren sie nun in ihre heimische Verteidigungsindustrie. Hier setzt unser neuer Future of European Defence UCITS ETF (WKN: A414ST) an. Aufbauend auf dem Erfolg unseres global ausgerichteten Future of Defence UCITS ETF, nutzen wir die gleiche Herangehensweise. Der ETF berücksichtigt nur Titel aus Nato oder Nato+-Staaten. US-Titel sind bei unserem neuen European Defence ETF jedoch explizit ausgeschlossen. Zusätzlich ist der Anteil Europas auf 90 Prozent festgesetzt.

Damit der ETF nicht nur von einzelnen Schwergewichten der Branche abhängig ist, können einzelne Unternehmen nur maximal zehn Prozent des ETF ausmachen. Neben den klassischen Industriewerten wie Rheinmetall oder BAE Systems fokussieren wir uns auch auf die Cyberverteidigung. Die moderne Kriegsführung verlagert sich zunehmend auf die digitale Ebene. Informationen müssen geschützt und große Datenmengen mit Hilfe von AI schnellstmöglich analysiert werden. Aber auch zivile Infrastruktur muss vor Cyberangriffen sicher sein. Neben der „Hardware“ wird also die Software bzw. die Integration von Software in die bestehende Hardware immer relevanter. Schließlich filtern wir auch Unternehmen, die signifikante Einnahmen mit umstrittenen Waffen erwirtschaften, heraus.

Wir stellen jedoch immer wieder fest, dass erst Themen gefragt sind, daraufhin ETFs entstehen und dann der Hype wieder vorbei ist und Anleger leer ausgehen. Wieso sollte das bei Rüstungs-ETFs anders sein, zumal einige Kurstreiber sicher schon eingepreist sein dürften?

Dies ist ein bekanntes Argument gegen diese Produktkategorie, was sicherlich auf einige Themenprodukte zutrifft. Zwei Punkte hierzu. Punkt eins betrifft das klassische Henne-Ei-Problem. Natürlich würden wir sehr gerne jeden Trend vorhersehen, so einfach ist das jedoch nicht. Wir versuchen stets unseren Kunden innovative und neue Produkte zu liefern, die oftmals so noch nicht am Markt verfügbar sind und damit unsere Kunden ihre Investmentideen möglichst einfach per ETF umsetzen können. Auch wenn ETFs generell als kostengünstiges Produkt gesehen werden, fallen Gebühren für die Auflage sowie tägliche operative Kosten für den reibungslosen Betrieb der Produkte an.

Speziell für Themenprodukte werden oftmals neue Indizes entwickelt, die auch bei der Verwaltung höhere Kosten verursachen. Am besten wird es am Beispiel von Sektor- und Themen-ETFs deutlich. Sektor-ETFs greifen auf die klassischen GICS-Sektoren zurück. Diese sind klar definiert. Für Themen-ETFs gibt es so eine Aufteilung nicht. Das heißt: Wollen wir ein Thema investierbar machen, müssen wir zu erst klare Kriterien festlegen. Wie wird ein Unternehmen diesem Thema/Trend zugeordnet? Oftmals erfolgt dies anhand der Umsatzbeteiligung eines Unternehmens. Und hier besteht das Problem.

Unternehmen geben in ihren Geschäftsberichten in der Regel nicht an wie viel Umsatz einem „Thema“ zugeordnet wird. Das heißt die Geschäftsberichte müssen im Detail angeschaut werden. Und das nicht nur bei Auflage des Produktes, sondern kontinuierlich. Der zweite Punkt betrifft den Zeithorizont des Themas. Handelt es sich um einen kurzfristigen Hype aufgrund einer politischen Entscheidung, eines neuen Gesetzes etc. oder um einen tiefergreifenden Strukturwandel? Und hier sehen wir eher langfristige Kurstreiber für den Verteidigungssektor. Der Sektor wurde lange Zeit vernachlässigt.

Tipp: Schau dir gleich unsere Themenseite zu Rüstungs-ETFs an. Hier findest du weitere spannende Themen-ETFs.

Seit dem Kalten Krieg sind die Verteidigungsausgaben der Nato-Mitglieder sukzessive zurückgegangen. Ebenso wurde der Sektor von Investoren fast komplett gemieden. In Zeiten von Frieden werden Rüstungsinvestments schnell in Frage gestellt. Viele der Unternehmen waren nicht in den großen Indizes vertreten. Dies ändert sich nun schlagartig. Eine gut ausgebildete und vor allem gut ausgestattete Armee ist notwendig. Nicht um einen Nachbar anzugreifen, sondern um sich im Notfall verteidigen zu können bzw. bei einem Aggressor erst keine Begehrlichkeiten zu wecken.

Das Geld, das nun in Form von zum Beispiel dem ReArm EU-Programm in den Sektor fließt, ist auch nicht einfach bis Ende des Jahres investiert. Ich bestelle nicht heute 100 Panzer und bekomme diese bis Ende des Jahres geliefert. Das dauert Jahre. Darüber hinaus muss sowohl die aktuell vorhandene Hardware aber auch gezielt die Software weiterentwickelt werden. Das heißt es müssen von der EU auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, um unsere heimischen Unternehmen zu unterstützen. Hier dürften wir in den nächsten Jahren sicherlich einige IPOs oder Übernahmen sehen.

Aber könnte ein baldiges Ende des Ukraine-Krieges nicht dazu führen, dass Investoren das Feld wieder räumen und sich anderen Themen-Investments widmen, zumal die Militärausgaben in Europa bis zum Ukraine-Krieg viele Jahre rückläufig waren?

Auch wenn ein baldiger Frieden in der Ukraine wünschenswert ist, stellt sich die Frage wie würde dieser aussehen und was passiert danach. Während die Nato-Mitglieder seit Ende des Kalten Krieges ihre Rüstungsausgaben vernachlässigten bzw. reduzierten, haben Russland und besonders China konstant weiter aufgerüstet. Es wäre fatal von Europa oder der Nato davon auszugehen, dass das Problem mit einem Frieden in der Ukraine beigelegt ist. Letztlich dient eine gut ausgestattete Armee als Abschreckung. Durch den Druck Trumps auf die Nato-Mitglieder ist vielen klar geworden, dass man sich ohne Hilfe der USA im Notfall nicht verteidigen könnte. Ein möglicher Frieden in der Ukraine dürfte sicherlich den Hype um den Sektor ein wenig bremsen, langfristig sehen wir hier aber weiter Potential, besonders bei den IT/Tech-Unternehmen im Verteidigungsbereich. Ein Großteil der gelisteten Cyber-Defence Unternehmen sitzen in den USA. Auch hier muss Europa eigenständiger werden und die heimischen Unternehmen wie Helsing oder ARX Robotics fördern und unterstützen.

Medial betrachtet liegt das Hauptaugenmerk sicherlich in Europa aktuell auf dem Russland-Ukraine-Konflikt. Aber auch in anderen Teilen der Welt gibt es geopolitische Spannungen. Südkorea steht im ständigen Konflikt mit Nordkorea. China rüstet seit Jahrzehnten konstant auf um seine Stellung im asiatischen Raum zu festigen. Dies führt zwangsläufig zu potentiellen Konflikten. Entsprechend sind auch umliegende Staaten zu Investitionen in ihr Militär gezwungen. Rüstungsunternehmen aus Südkorea oder Japan sind führend bei Software und KI und könnten den europäischen Nato-Mitgliedern mit Knowhow helfen. Aktuelle Zahlen des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) zeigen, dass der chinesische Verteidigungshaushalt in 2024 gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent gestiegen ist – der größte jährliche Anstieg seit 2015 und das 30. Jahr in Folge mit Wachstum gegenüber dem Vorjahr. Japan hat im letzten Jahr sein Verteidigungsbudget um 21 Prozent erhöht – der stärkste Anstieg seit 1952! Asien und Ozeanien gaben 2024 629 Milliarden US-Dollar für Verteidigung aus – ein Anstieg von 6,3 Prozent gegenüber 2023 und um satte 46 Prozent gegenüber 2015.

Aber um zurück zu Europa zu kommen, wir sehen vor allem bei den Osteuropäischen Nato-Mitgliedern bzw. bei Nato-Mitgliedern mit Nähe zu Russland, dass man sich nicht darauf verlassen möchte nicht angegriffen zu werden. Polen und Estland waren die beiden Nato-Länder, die gemessen an ihrem BIP das meiste für ihre Verteidigung ausgegeben haben und damit noch vor den USA!

In den vergangenen Jahrzehnten war häufig von der Friedensdividende die Rede. Viele Staaten lagen unterhalb des Zwei-Prozent-Ziels, als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, für Verteidigung auszugeben. Wie hoch ist angesichts dessen die Investitionslücke in Europa?

Auch wenn sich dies natürlich nicht plakativ an einer Zahl festmachen lässt, wird das Ausmaß der fehlenden Investitionen in den letzten Jahren nun mehr als deutlich. In der unten stehenden Grafik sieht man in blau zum einen wie viel die europäischen Nato-Mitglieder in den letzten zehn Jahren hätten zusätzlich ausgeben müssen um alleine nur das Minimalziel von zwei Prozent des BIP zu erreichen. Für Deutschland sind das alleine mehr als 200 Milliarden. Zum anderen in lila dargestellt was investiert werden müsste um mit den USA gleich zu ziehen. Vor dem Hintergrund, dass Europa seine Verteidigungsfähigkeit unabhängiger von den USA machen möchte, hat der europäische Sektor deutliches Aufholpotential!

Wir haben uns auch einmal auf Basis der verfügbaren Daten von 2024 angeschaut wie viel zusätzliches Geld in den Sektor fließen würde, sollten die Nato-Mitglieder das Zwei-Prozent-Ziel übertreffen. Trump und allen voran auch Polen fordern immer öfters die Zwei-Prozent-Marke auf bis zu fünf Prozent des BIPs anzuheben. Werfen wir jetzt nur einen Blick auf die Position „Equipment“, wofür die Nato-Mitglieder mindest 20 Prozent ihres Budgets allokieren wollen. Wir haben hierzu einen wahrscheinlichen Fall (alle Nato-Mitglieder werden bis 2029 das Ziel von 3,5 Prozent des BIP erreichen, wobei das BIP jährlich um 1 Prozent wächst und für „Equipment“ 30,5 Prozent des Verteidigungsbudgets ausgegeben werden) sowie einen optimistischen Fall (alle Nato-Mitglieder werden bis 2029 das Ziel von fünf Prozent des BIP erreichen, wobei das BIP jährlich um zwei Prozent wächst und die Ausgaben für „Equipment“ jährlich um ein Prozent steigen) analysiert. Im optimistischen Fall würden die zusätzlichen Ausgaben nur für „Equipment“ alleine schon die Verkaufserlöse des gesamten Verteidigungssektors aus 2023 erreichen.

Planen Sie neben Europa in einer anderen Region einen weiteren Rüstungs-ETF? Und wenn ja, welche und warum?

Wir schauen uns natürlich an, welche Regionen interessant sein könnten. Allerdings muss zum einen der Investmentcase Sinn machen und zum anderen muss es genug gelistete Unternehmen geben um diese Idee auch in einem ETF umzusetzen. Sollten wir hier Nachfrage vom Markt sehen, schauen wir uns das natürlich an. Die Investmentwelt wenden sich diesem lange Zeit vernachlässigten Sektor erst wieder zu. Wir dürften sehr wahrscheinlich neue Börsenkandidaten in diesem Sektor sehen, gerade was die Software/IT-Branche angeht. Entsprechend dürfen Anleger gespannt sein.

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