Aneeka Gupta, Direktorin im Bereich Makro-Research bei Wisdomtree

Aneeka Gupta (Wisdomtree): Deshalb gibt es weiter Aufwärtspotenzial in der Rüstungsbranche

Europa rüstet auf. Aneeka Gupta, Direktorin im Bereich Makro-Research bei Wisdomtree, über die Rüstungsbranche als Anlagethema.  

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und Russland, um schnellstmöglich eine Friedensverhandlung herbeizuführen. In welcher Zeitschiene erwarten Sie einen endgültigen Frieden?

Während Präsident Trump auf schnelle Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland drängt, bleibt eine endgültige Lösung unsicher und komplex. Der Krieg befindet sich in einer strategischen Pattsituation: Die Ukraine ist weiterhin auf westliche Unterstützung angewiesen, während Russland nicht bereit ist, territoriale Verluste hinzunehmen. Selbst unter diplomatischem Druck erscheint ein formelles Friedensabkommen im Jahr 2025 schwierig, da geopolitische Interessen und innenpolitische Faktoren auf beiden Seiten eine Rolle spielen. Ein Waffenstillstand oder ein eingefrorener Konflikt könnte innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate entstehen, doch ein dauerhafter Frieden mit einer umfassenden Einigung könnte Jahre dauern und würde von Sicherheitsgarantien der NATO, der innenpolitischen Stabilität Russlands und breiteren politischen Kursänderungen im Westen abhängen.

Immer wieder werden in Deutschland Stimmen laut, dass Russland selbst für West-Europa eine militärische Gefahr darstellt. Doch wie real ist diese Gefahr angesichts von Nato-Mitgliedschaften und dem aus russischer Sicht seit mehr als drei Jahren anhaltenden aufreibenden Krieg in der Ukraine wirklich?

Trotz Bedenken in Deutschland bleibt Russlands Fähigkeit, eine direkte militärische Bedrohung für NATO-Mitglieder darzustellen, begrenzt. Der Krieg in der Ukraine hat Russlands konventionelle Streitkräfte stark geschwächt und logistische Schwächen sowie Ausrüstungsverluste offenbart. Die kollektive Verteidigung der NATO gemäß Artikel 5 wirkt als starke Abschreckung, da jeder Angriff gegen ein Mitgliedsland eine einheitliche militärische Reaktion auslösen würde. Dennoch bleiben Bedrohungen durch hybride Kriegsführung, einschließlich Cyberangriffen und politischer Destabilisierung, erhebliche Risiken. Während Russlands Atomwaffenarsenal beachtlich ist, sind seine kurzfristigen Möglichkeiten für groß angelegte Angriffe über die Ukraine hinaus eingeschränkt.

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Wahrscheinlich werden nun viele Milliarden Euro in die deutsche Bundeswehr und die Rüstungsbranche fließen, da Ausgaben für die Verteidigung, die ein Prozent des BIP überschreiten, von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Wie viel Geld wird in die Bundeswehr fließen und in welcher Form?

Die Entscheidung Deutschlands, Ausgaben für die Verteidigung, die ein Prozent des BIP überschreiten, von der verfassungsmäßigen Schuldenbremse auszunehmen, stellt eine entscheidende Wende in der Fiskalpolitik dar und eröffnet der Bundeswehr erhebliche neue Finanzierungsmöglichkeiten. Sie hebt eine wesentliche fiskalische Beschränkung auf und ermöglicht es Deutschland, die Verteidigungsausgaben ohne eine Verstoß gegen Haushaltsbeschränkungen maßgeblich zu steigern. 

Während das bestehende Sondervermögen von 100 Milliarden Euro bereits bis 2027 verteilt wird, erlaubt die neue Ausnahme von der Schuldenbremse zusätzliche Ausgaben über die regulären Haushaltsgrenzen hinaus – ohne die fiskalischen Regeln zu verletzen. Basierend auf dem deutschen BIP (~4,2 Billionen Euro) könnte theoretisch jeder Prozentpunkt des BIP über der bisherigen Schwelle 40 bis 50 Milliarden Euro jährlich für neue Verteidigungsinvestitionen ermöglichen. Es wird erwartet, dass die Bundeswehr diese Mittel in verschiedenen Bereichen erhält. Dazu gehören: 

  • Anschaffung von F-35-Kampfjets, Aufrüstung von Leopard-2-Panzern und neuen Artilleriesystemen 
  • Investitionen in Luft- und Raketenabwehr (z. B. Arrow 3- und Patriot-Systeme) 
  • Modernisierung der Kommando-, Cyber- und Kommunikationsinfrastruktur 
  • Ausbau der Personalausbildung, Logistik und digitalen Gefechtsfähigkeiten

Diese Ausnahme ist Teil eines umfassenderen Plans, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken, die Einsatzbereitschaft wiederherzustellen und die sich entwickelnden Erwartungen der NATO zu erfüllen – sie legt die Grundlage für ein mehrjähriges, vertragsgebundenes Wachstum für inländische und alliierte Verteidigungsanbieter.

Aktien wie Rheinmetall sind bereits sehr stark gestiegen. Ist bei deutschen Rüstungsaktien angesichts der hohen anstehenden Staatsausgaben für die Rüstungsbranche noch Luft nach oben oder ist hier vieles schon eingepreist?

Rheinmetall und andere deutsche Rüstungsaktien haben deutlich zugelegt, was auf prall gefüllte Auftragsbücher und steigende Staatsausgaben zurückzuführen ist. Dennoch besteht weiteres Aufwärtspotenzial, da die Verteidigungsbudgets in eine strukturelle Wachstumsphase eintreten, anstatt nur kurzfristig anzusteigen. Europäische Regierungen verfolgen langfristige Aufrüstungsprogramme, was den Auftragnehmern Planungssicherheit verschafft. Die Bewertungen bleiben hoch, aber nicht überzogen. Wichtige Kurstreiber sind gemeinsame europäische Rüstungsprojekte, erhöhte Beschaffungsvorhaben und ein mögliches umfassendes Ausgabenplus innerhalb der NATO. Ausgewählte Rüstungsaktien bieten weiterhin langfristiges Potenzial, insbesondere in den Bereichen Raketenabwehrsysteme, Cybersicherheit und militärische Logistik.

Etliche europäische Nato-Mitgliedsstaaten haben ihre Militärausgaben jüngst erhöht. Trump fordert fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Nato. Haben Sie auch deshalb Ihren neuen europäischen Rüstungs-ETF auf den Markt gebracht?

Trumps Forderung, dass NATO-Mitglieder 5 Prozent des BIP für Verteidigung ausgeben, beschleunigt einen bereits bestehenden Trend steigender europäischer Militärausgaben. Während ein solches Ziel politisch umstritten ist, haben mehrere europäische Länder bereits zugesagt, die 2-Prozent-Marke zu überschreiten – Polen liegt sogar über 4 Prozent. Der WisdomTree Europe Defence UCITS ETF (WKN: A40Y9K) wurde aufgelegt, um diesen mehrjährigen Investitionszyklus abzubilden, da europäische Staaten ihre Verteidigungsbudgets verstärkt in lokale Anbieter lenken und so die Abhängigkeit von US-Herstellern reduzieren. Dieser strategische Wandel positioniert europäische Rüstungsaktien für nachhaltiges Wachstum und macht eine gezielte Investition immer relevanter.

Gehen wir noch abschließend auf Ihren neuen ETF zur europäischen Rüstungsbranche ein. Was zeichnet ihn aus und wie setzt sich dieser zusammen?

Der WisdomTree Europe Defence UCITS ETF (WDEF) ist der erste rein auf europäische Verteidigung fokussierte ETF und bietet konzentrierte Investitionen in die führenden Verteidigungsunternehmen Europas. Im Gegensatz zu globalen Verteidigungs-ETFs konzentriert sich der WDEF hauptsächlich auf Verteidigungsunternehmen mit Sitz in Europa, sodass Anleger vom strukturellen Anstieg der Verteidigungsausgaben in Europa profitieren können. Der ETF bietet Zugang zu den 20 führenden europäischen Verteidigungsunternehmen, darunter solche, die mit landgestützten Systemen (Munition, Fahrzeuge) und Luftverteidigung (Raketen, Drohnen) in Verbindung stehen. Der WisdomTree Europe Defence UCITS Index bietet eine reine Exposition zu Verteidigungsbeschaffungen, was sich in der 95,4 Prozent-igen Allokation zum Bereich Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung widerspiegelt. Der ETF ist direkt darauf ausgerichtet, vom Verteidigungsaufschwung in Europa zu profitieren, was ihn zu einer überzeugenden Investition in die Aufrüstung und industrielle Transformation der Region macht.