Claus Hecher, BNP Paribas.

Claus Hecher (BNP Paribas): "Aktive ETFs haben einen Reiz"

Aktive ETFs sind nun auch in Europa im Kommen. Wir haben bei Claus Hecher, Leiter der Geschäftsentwicklung ETFs and Index-Lösungen bei BNP Paribas Asset Management, nachgefragt, worin der Charme dieser Produkte liegt.

Sie haben seit Februar aktive ETFs im Sortiment. Stellen aktive Produkte allgemeinen einen neuen Trend in der ETF-Branche dar?

Sicher ist, dass aktive ETFs weltweit zuletzt sehr starke Wachstumsraten gezeigt haben. Laut dem jüngsten Global Fund Flow Report von Morningstar übertrafen im vergangenen Jahr die organischen Wachstumsraten aktiver ETFs weltweit die der traditionellen Indexfonds deutlich (+37% gegenüber +8%). Man muss allerdings dazu sagen, dass das Wachstum bisher ganz überwiegend in den USA stattgefunden hat. In Europa stellen aktive ETFs hingegen noch ein Nischenprodukt dar. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Die Investmentbranche hat erkannt, dass das Investmentvehikel ETF in einem gewissen Rahmen auch für aktive Anlagestrategien sinnvoll sein kann. Indem aktive Fonds im ETF-Mantel aufgelegt werden, erhöhen sich Liquidität, Transparenz, Portfolioflexibilität und die Chance, den Markt zu schlagen. Und das bei geringerem Kosten gegenüber einem klassischen aktiv verwalteten Fonds. Das hat natürlich seinen Reiz für Anleger.

Werden aktive ETFs über kurz oder lang klassische aktive Fonds ablösen?

Es ist noch viel zu früh, um hier eine solide Einschätzung vornehmen zu können. Die meisten der hierzulande existierenden aktiven ETFs haben noch einen sehr geringen Track Record, so dass die Bewertung ihrer Performance vor allem über längere Zeiträume hinweg schwerfällt. Dass aktiv gemanagte Fonds von der Bildfläche verschwinden, halte ich aber für unwahrscheinlich. Beide Konzepte – aktiv und passiv – haben ihre Berechtigung. Während passive Strategien sich vor allem für etablierte Märkte eignen, lohnt sich der Einsatz aktiver Strategien unter anderem in Spezial- oder Nischenmärkten. Beide Strategien können also sinnvoll für ein Portfolio genutzt werden.

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Kommen wir nun auf Ihre beiden neuen aktiven ETFs zu sprechen. Welche Bereiche decken diese Produkte ab?

Beide sind Anleihefonds, die mit einem aktiven Ansatz gemanagt werden. Zum einen ist dies der BNP Paribas Easy Sustainable EUR Corporate Bond, und zum anderen der BNP Paribas Easy Sustainable EUR Government Bond. Der ETF auf Unternehmensanleihen orientiert sich am Bloomberg Euro Aggregate Corporate Index. Der ETF für Staatsanleihen am J.P. Morgan EMU Investment Grade Index. Beide Fonds verfolgen einen hauseigenen ESG-Ansatz. Die Replikation erfolgt jeweils physisch und ohne Wertpapierleihe. 

Weshalb haben Sie sich für die aktive Herangehensweise entschieden?

Wir erhalten so mehr Flexibilität und die Möglichkeit, schneller auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können, ohne auf die nächste Indexanpassung warten zu müssen. Bei unseren beiden neuen Fonds erfolgt das Rebalancing nicht wie beim klassischen Index einmal pro Quartal oder pro Halbjahr, sondern monatlich.

Der Staatsanleihen-ETF ist nach Artikel 8 eingestuft. Der Unternehmensanleihen-ETF sogar nach den noch strengeren Kriterien nach Artikel 9. Wieso dieser Unterschied und wäre diese Klassifizierung nach Artikel 9 mit einer reinen passiven Abbildung nicht möglich gewesen?

Genau so ist es. Um einen Fonds bzw. ETF nach Artikel 9 EU-Offenlegungsverordnung zu klassifizieren, gilt es nachzuweisen, daß alle Wertpapiere nachhaltige Investments sind. In einem Index findet man bei der Zusammenstellung immer Unternehmen, die die Anforderung nicht ganz erfüllen. Nur durch eine Optimierung des Portfolios auf Basis diskretionärer Vorgaben lässt sich der Anteil nachhaltiger Investments bei Unternehmensanleihen auf 100 Prozent steigern. Beim Staatsanleihen-ETF lässt sich immerhin der Anteil nachhaltiger Investments durch den aktiven ESG-Ansatz von einem einstelligen Wert (Index) auf über 30 Prozent steigern.

Und auf welche Kriterien achtet das Management im laufenden Betrieb?

Beim ETF auf Unternehmensanleihen werden Kriterien wie Energieeffizienz, Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Abfallaufbereitung, Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten sowie faire Unternehmensführung berücksichtigt. Beim ETF auf Staatsanleihen liegt der Fokus auf dem Klimaschutz, der Biodiversität, der Energieeffizienz, den Umwelt- und Lebensbedingungen, dem Bildungs- und Gesundheitswesen sowie der politisch-demokratischen Stabilität eines Landes.

Können Ihre Fondsmanager möglicherweise sogar Einfluss auf Unternehmen nehmen?

Die aktive Einflussnahme auf Unternehmen (Active Engagement oder Stewardship) gehört inzwischen zum Standardwerkzeugkasten von ESG-Investoren. Im Aktienbereich steht hierfür mit der aktiven Stimmrechtsausübung ein wirkungsvolles Instrument zur Verfügung. Anleiheinvestoren können hierauf nicht zurückgreifen. Aber, auch wenn deren Handlungsoptionen geringer sind als bei Aktien­investoren, können sie versuchen, im Rahmen eines kritischen Dialogs Einfluss zu nehmen, etwa durch die Spiegelung ihrer Erwartungen oder die Einforderung von Best-Practice-Standards. Insbesondere dann, wenn ein Investor für einen Emittenten ein wichtiger Kapitalgeber ist, kann ein solches Engagement durchaus etwas bewirken.