Vom Notgroschen zum Freiheitsgroschen: Wie viel Geld brauchst du auf dem Konto?
Der Notgroschen dient zur Absicherung unvorhergesehener Situationen. Er ist ein unverzichtbarer Teil jeder Finanzplanung. Im Idealfall wird er nie benötigt, aber alleine zu wissen, dass er existiert, ist ungemein beruhigend. Wofür benötigst du den Notgroschen? Wie solltest du ihn aufbewahren? Wie hoch sollte er sein?
Viele Finanzinteressierte fokussieren sich zwar auf die Auswahl der richtigen Anlagestrategie, kümmern sich aber zu wenig um die Basics. Hierzu gehört ganz klar eine finanzielle Reserve – kurz gesagt: der Notgroschen. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben nahezu 40 Prozent der Deutschen nie systematisch gespart und verfügen somit also über kein nennenswertes Vermögen. Es fehlt also auch an den notwendigen Rücklagen.
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Wofür benötigst du den Notgroschen?
In vielen Finanzratgebern oder Finanzblogs wird immer wieder die kaputte Waschmaschine als Beispiel für die Notwendigkeit eines Notgroschens herangezogen. Die wahrscheinlich noch gravierenderen Beispiele sind vermutlich eher ein kaputtes Auto, das für den Arbeitsweg benötigt wird, ein plötzlicher Jobverlust, Berufsunfähigkeit oder andere Schicksalsschläge, die ernste finanzielle Konsequenzen haben. Aber auch ohne die Angst zu schüren, ist es immer von Vorteil, über eine Rücklage in ausreichender Höhe zu verfügen. Bei uns waren es zuletzt sehr teure Ersatzflüge, die wir spontan aus eigener Tasche bezahlen mussten, um den Urlaub zu retten, nachdem unsere ursprünglich günstigen Urlaubsflüge kurzfristig annulliert worden waren. Wie groß die Not wirklich sein muss, um einen Teil der Rücklage zu verwenden, musst du für dich selbst entscheiden. Wir waren jedenfalls froh über die Möglichkeit, liquide genug zu sein und gleich reagieren zu können.
Essenziell ist, dass du deine Reserve wirklich nur für unvorhergesehene Notfälle nutzt und nicht für (impulsiven) Konsum. Wenn du auf deinen Notgroschen zugreifen musst, weil Warten nicht möglich ist oder es keine erschwingliche kostengünstigere Alternative für die „notwendige” Ausgabe gibt, fülle den Puffer danach so schnell wie möglich wieder auf. Im Idealfall musst du den Notgroschen praktisch nie anzapfen, weil deine laufenden Einnahmen immer hoch genug sind, um aufkommende Ausgaben zu decken. Das Geld für höhere Ausgaben, die man für die nächsten Jahre voraussehen kann, zum Beispiel für Instandhaltung der selbst genutzten Immobilie, einen Autokauf oder eine Reparatur, neue Möbel, größere Urlaubsreisen, kostspielige Hobbys und geplante Gesundheitsmaßnahmen, sollte keine Rechtfertigung darstellen, die finanzielle Reserve zu schmälern. Wenn du deine Finanzen mit deiner Partnerin oder deinem Partner zusammengelegt hast, entlastet dich das zum einen, du solltest zum anderen dennoch sicherstellen, dass du auch individuell abgesichert bist, falls die Beziehung in die Brüche gehen sollte. Im Notfall solltest du beispielsweise die Kaution für eine neue eigene Wohnung hinterlegen und sich gegebenenfalls zumindest die nötigsten Möbel kaufen können.
Selbst wenn der Puffer nur sehr selten oder nie gebraucht wird, hat er einen wichtigen psychologischen Effekt. Das Bewusstsein, auch in ungeplanten Situationen ausreichend Liquidität und Sicherheit zu haben, sorgt dafür, gelassener und souveräner durchs Leben zu gehen und nicht so schnell in Existenznöte zu geraten. Der Notgroschen hält auch Wirtschafts- oder Finanzkrisen stand und ist, im Gegensatz zu einem möglicherweise plötzlich schrumpfenden Wertpapierportfolio, jederzeit (zumindest nominal) unverändert vorhanden. Er hilft dir, ruhigen Gewissens Geld am Kapitalmarkt zu investieren und deiner Anlagestrategie langfristig treu zu bleiben, ohne in stürmischen Zeiten allzu unruhig zu werden und dadurch unüberlegte und emotionale Entscheidungen zu treffen. Er verschafft dir ausreichend Flexibilität, um ungewollte Wertpapierverkäufe in schwierigen Marktphasen zu vermeiden. Ein Notgroschen wird dich daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem besseren Anleger machen. Der Notgroschen ist ein Gewinn an Freiheit. So lässt sich dann aus der Not eine buchstäbliche Tugend machen. Für uns stehen die Aspekte finanzielles Polster, Sicherheit, Flexibilität und Lebensqualität im Fokus. Unser Vorschlag für einen positiveren Begriff: Freiheitsgroschen anstatt Notgroschen.
Wie solltest du den Freiheitsgroschen aufbewahren?
Der Freiheitsgroschen hat nicht die Aufgabe, Rendite zu erwirtschaften, sondern für Liquidität und Sicherheit zu sorgen. Selbst der beste Freiheitsgroschen bringt nichts, wenn er in der akuten Situation nicht verfügbar ist oder plötzlich nur noch die Hälfte wert ist. Die Anlageform sollte daher keinem Wertschwankungsrisiko unterliegen und jederzeit liquidiert werden können. Es bewährt sich, den Freiheitsgroschen auf einem separaten Konto, zum Beispiel einem Girokonto oder Tagesgeldkonto, zu parken, um ihn von den alltäglichen Einnahmen und Aus- gaben deutlich sichtbar abzugrenzen. Wichtig: Der Betrag des Freiheitsgroschens sollte idealerweise innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro liegen.
Wir empfehlen, neben dem Geld auf dem Konto auch einen gewissen Bargeldbetrag zu Hause zu haben. Das kann sinnvoll sein, wenn zum Beispiel durch einen Stromausfall oder einen Hackerangriff keine Kartenzahlung möglich ist oder die örtlichen Geldautomaten ausfallen.
Übrigens: Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rät dazu, eine „ausreichende Bargeldmenge“ im Haus zu haben. Es kann zudem Krisenszenarien geben, in denen Fremdwährungen (zum Beispiel US-Dollar oder Schweizer Franken) und/oder Edelmetalle (Gold oder Silber) in kleiner Stückelung zumindest kurzfristig hilfreich sein könnten.
Wie hoch sollte dein Freiheitsgroschen sein?
Der Freiheitsgroschen kann als eine Art Versicherung für Liquiditätsnotfälle gesehen werden, so dass man die Opportunitätskosten (entgangene Rendite durch Nicht-Anlage) als „Versicherungsprämie“ verstehen kann. Die erforderliche Höhe des Freiheitsgroschens ist individuell sehr unterschiedlich. Du solltest daher nicht blind den gängigen Empfehlungen von drei Monatsgehältern folgen, sondern sich Gedanken über deine eigene Situation machen und überlegen, wie lange du ohne Einkommen leben kannst. Zur Bestimmung der Höhe des Freiheitsgroschens solltest du dein Sicherheitsgefühl, Opportunitätskosten und persönliche Lebenssituation berücksichtigen.
Ein erster Anhaltspunkt für die Höhe des Freiheitsgroschens ist tatsächlich das Nettomonatseinkommen. Es ist einfach zu bestimmen und sorgt dafür, dass du deinen Lebensstandard für einen definierten Zeitraum halten können. Die Festlegung des Freiheits-groschens anhand des Einkommens führt allerdings tendenziell dazu, überversichert zu sein und zu viel Geld beiseite zu legen, das nicht investiert wird und keine Rendite erwirtschaftet. Denn üblicherweise werden vom Einkommen auch die Sparraten für die langfristige Geldanlage bedient, die man in Zeiten finanzieller Not für den betreffenden Zeitraum aussetzen könnte.
Relevanter zur Festlegung der Höhe könnten daher die langfristig durchschnittlichen Monatsausgaben sein, wobei die als entbehrlich eingestuften Ausgaben abzuziehen sind. Wichtig ist hier, auch jährlich anfallende Ausgaben einzukalkulieren. Dies ist als Berechnungsprämisse deutlich exakter, da so lediglich die Summe zur Seite gelegt wird, die du im Notfall auch wirklich benötigen.
Um den finanziellen Bedarf bei einer unerwarteten Arbeitslosigkeit zu berechnen, kann man staatliche Sozialleistungen in der Berechnung berücksichtigen. Du kannst etwas für zwölf Monate mit Arbeitslosengeld rechnen, das etwa 60 Prozent des vorherigen Nettogehalts bis zur Beitragsbemessungsgrenze entspricht.
Letztlich musst du persönlich eine Balance zwischen dem gewünschten Sicherheitsgefühl, den individuellen Faktoren und den zu erwartenden Opportunitätskosten aufgrund der entgangenen Rendite finden. Du benötigst wahrscheinlich einen geringeren Betrag, dich sicher zu fühlen, wenn du in einer Partnerschaft lebst, keine Kinder und keine Haustiere hast, verbeamtet bist, in einem Mietobjekt wohnst und kein Auto besitzt.
Je mehr Verantwortung du für andere Menschen und deinen Besitz hast, desto mehr potenzielle Risiken gilt es abzusichern. Ziel sollte sein, sich mit dem Freiheitsgroschen weder über- noch unterzuversichern. Mache jedoch keine Raketenwissenschaft daraus, die Höhe des Freiheitsgroschens zu berechnen. Am wichtigsten ist es, dass du dich mit dem gewählten Betrag wohlfühlst und mit einem soliden finanziellen Polster durchs Leben gehen.
Fazit
Der Notgroschen hat einen wichtigen psychologischen Aspekt. Es ist angenehm, ein gewisses Polster für alle Fälle zu haben. Daher bietet sich eine viel positivere Bezeichnung an: Freiheitgroschen. Maximal sollte dieser 100.000 Euro betragen.