28. November 2023
Wasserstoff: Hype oder Treibstoff der Zukunft?

Wasserstoff - wiederkehrender Börsenhype oder Treibstoff für das Depot?

Ist Wasserstoff und seine Industrie der Schlüssel zur grünen Wende? Wir erklären, was es mit dem Hype auf sich hat und wie sich investieren lässt.

Vor dem Hintergrund der globalen Erderwärmung stellt der Übergang von fossilen Brennstoffen zu nachhaltigen Formen der Energieerzeugung und -speicherung ein zentrales Thema unserer Zeit dar. In diesem Kontext stecken viele Menschen große Hoffnungen in Wasserstoff als Alternative zu Erdöl, Kohle und Erdgas, da das Element zahlreiche Eigenschaften mit sich bringt, durch die es sich grundsätzlich als Energieträger der Zukunft eignet. Hierzu gehören die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen, die Funktion der Energiespeicherung sowie die emissionsfreie Verbrennung. Zum aktuellen Zeitpunkt ist insbesondere nachhaltig produzierter Wasserstoff jedoch noch nicht flächendeckend verfügbar.

Dass Wasserstoff in vielerlei Hinsicht Potenziale birgt, ist nicht erst seit gestern bekannt. Bereits seit mehreren Jahrzehnten forscht die Menschheit daran, wie das Element gewinnbringend genutzt werden kann. Brennstoffzellen und Elektrolyseure sind ebenfalls keine neuartigen Technologien. Auch an der Börse rückt das Thema immer wieder in den Fokus der Investoren. So verzeichnete die Aktie des kanadischen Unternehmens Ballard Power bereits zwischen den Jahren 1996 und 2000 einen Zuwachs um bis zu 2.481,25 % – nur um danach in der Spitze um mehr als 99,00 % zu fallen.

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Seit 2012 wechselt die Stimmungslage der Börsianer in Bezug auf Wasserstoff regelmäßig zwischen Euphorie und Ernüchterung. In den vergangenen Monaten hat sich Letzteres breit gemacht: Im Anschluss an den letzten Hype zwischen 2018 und 2021 waren insbesondere die Kurse der Pure-Play Unternehmen zuletzt ein Fass ohne Boden. Viele der in Deutschland verfügbaren ETFs befinden sich mehr als 50,00 % unter Wasser. Ist der Zeitpunkt für einen antizyklischen Einstieg nun endlich gekommen?

Branchenüberblick und Wasserstoff Farbenlehre

Als Einstieg in den Branchenüberblick eignet sich eine Erklärung der sogenannten Farben des Wasserstoffs. Denn es gibt nicht den einen Wasserstoff. Die im Folgenden thematisierten Farben haben allerdings nichts mit dem Element an sich zu tun – dieses ist farblos. Es geht hierbei vielmehr um die verschiedenen Herstellungsverfahren, denn diese sind vielfältig. Primär existieren vier Farben:

Grau: Basiert auf der Umwandlung von Erdgas unter Einsatz von Hitze in Wasserstoff (sogenannte Dampferformierung). Dabei entsteht jedoch auch CO2, welches in die Atmosphäre gelangt. Somit ist grauer Wasserstoff mit erheblichen klimaschädlichen Emissionen verbunden.

Blau: Der Herstellungsprozess ist identisch zum grauen Wasserstoff. Der Unterschied besteht darin, dass das entstehende CO2 gespeichert statt freigesetzt wird, wodurch die Klimabilanz deutlich verbessert wird. Nichtsdestotrotz bestehen in der langfristigen Speicherung Herausforderungen.

Türkis: Wird durch die thermische Spaltung von Methan gewonnen. In diesem Prozess entsteht zwar kein CO2, dafür aber fester Kohlenstoff. Werden die zur Herstellung verwendeten Hochöfen mit Hilfe von erneuerbaren Energien betrieben und der Kohlenstoff dauerhaft gebunden, ist diese Variante als klimafreundlich zu bewerten.

Grün: Entsteht durch die Elektrolyse, also die Zerspaltung von Wasser in seine verschiedenen Bestandteile mit Hilfe von Ökostrom. Die Herstellung ist also vollständig klimaneutral, da nur Sauerstoff als Nebenprodukt entsteht.

Sonstige: Darüber hinaus existieren weitere Farben (rot, orange, gelb, schwarz, weiß, braun), welche in Relation zu den vier Primärfarben aber eher selten zur Anwendung kommen und im Rahmen dieses Artikels daher nicht weiter betrachtet werden.

Insgesamt sind sich die Fachleute einig: Mit Augenmerk auf die Klimawirkung schneidet grüner Wasserstoff mit Abstand am besten ab. Allerdings gibt es einen Haken, denn die Produktion dieser Variante ist heutzutage noch mit den höchsten finanziellen Aufwendungen verbunden. Während die Herstellungskosten einer Kilowattstunde grauen und blauen Wasserstoffs in Deutschland gerade einmal bei 4,50 Cent bzw. 6,30 Cent liegen, betragen die entsprechenden Kosten für grünen Wasserstoff 16,50 Cent. Aktuellen Prognosen zufolge soll sich dies durch den technologischen Fortschritt in den kommenden Jahren zunehmend umkehren: Während die Produktionskosten anderer Farben bis 2025 ansteigen sollen, könnte bei grünem Wasserstoff ein Rückgang auf 9,00 Cent pro kWh erfolgen. Im Szenario eines Preissturzes für Elektrolyseure scheinen sogar 6,00 Cent realistisch.

Herstellungskosten von Wasserstoff nach Art.
Herstellungskosten von Wasserstoff nach Art. (Quelle: Greenpeace)

 

Die historische Entwicklung

Die globale Nachfrage nach Wasserstoff wächst stetig an. Während sich diese in 1975 noch auf 18,20 Mio. Tonnen belief, waren es vor fünf Jahren in 2018 bereits 73,90 Mio. Tonnen. Dies entspricht ungefähr einer Vervierfachung bzw. einem durchschnittlichen Anstieg um 3,31 % pro Jahr. Auffällig ist jedoch, dass die Wachstumsgeschwindigkeit in der jüngeren Vergangenheit tendenziell nachgelassen hat.

Nachfrage nach Wasserstoff nach Verwendungsart (Quelle: IEA)
Nachfrage nach Wasserstoff nach Verwendungsart (Quelle: IEA)

 

Wie zuvor bereits erwähnt, sind die Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff vielfältig. Häufig wird ein Zusammenhang zum Verkehrssektor hergestellt, bspw. im Bereich des Lkw-, Schiff-, und Flugverkehrs. Dies ist zum heutigen Zeitpunkt jedoch eher als Zukunftsmusik zu bezeichnen, denn der obigen Abbildung ist nicht nur die Entwicklung der Nachfrage nach Wasserstoff zu entnehmen, sondern auch der entsprechende Verwendungszweck. Demnach lassen sich in erster Linie zwei Anwendungsbereiche identifizieren. Mehr als die Hälfte der Nachfrage entfällt nämlich auf die Raffinierung von Mineralöl. Ein ebenfalls hoher Anteil der Nachfrage stammt mit 42,63 % aus der Produktion von Ammoniak. Weitere denkbare Anwendungsmöglichkeiten liegen in der Wärmeversorgung oder der Energiewende innerhalb der Industrie, bspw. im Bereich der energieintensiven Stahlproduktion.

Szenarien für eine Wasserstoff Wirtschaft

Obwohl sich die Experten einig sind, dass Wasserstoff zukünftig weiterhin an Bedeutung gewinnen wird, besteht bezüglich der genauen Entwicklung de weltweiten Marktes für (grünen) Wasserstoff kein Konsens. Es existieren jedoch mehrere Szenarien, welchen unterschiedliche Annahmen zugrundeliegen. Im Rahmen dieses Artikels wollen wir uns näher mit den Prognosen von IRENA befassen, der internationalen Organisation für erneuerbare Energien.

Diese zeichnet zwei Szenarien: Das „Planned Energy Scenario“ (PE) und das „Transforming Energy Scenario“ (TE). Während Ersteres auf den bestehenden nationalen Energiestrategien basiert, umfasst das TE-Szenario eine nahezu vollständige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. Je weiter man in die Zukunft blickt, desto größer werden die Unterschiede beider Szenarien. Während die globale Produktion von grünem Wasserstoff zwischen 2015 und 2018 bei 1,20 Mio. Tonnen lag, erwartet IRENA bis 2030 im Rahmen des PE-Szenarios einen Anstieg auf 9,00 Mio. Tonnen. Im Falle des TE-Szenarios beläuft sich die Prognose bereits auf 25,00 Mio. Tonnen. In 2050 könnte sich die Schere auf 25,00 Mio. Tonnen (PE) bzw. 160 Mio. Tonnen (TE) noch weiter öffnen. Je nachdem welches Szenario eintritt, befinden sich die zu erwartenden durchschnittlichen Wachstumsraten in einem Korridor von 9,95 % bis 16,52 % pro Jahr. 

Produktionsziele nach Wasserstofftyp –Szenarien einer Wasserstoffwirtschaft (Quelle: IRENA)
Produktionsziele nach Wasserstofftyp –Szenarien einer Wasserstoffwirtschaft (Quelle: IRENA)

 

Produktion von Wasserstoff in Deutschland

Nicht nur die erneuerbaren Energien gewinnen in Hinblick auf die Stromerzeugung in Deutschland an Bedeutung, sondern auch Wasserstoff als Energieträger. In einzelnen Bereichen besitzt die Bundesrepublik im europäischen Vergleich bereits heute eine führende Position. Mit einer Produktionskapazität in Höhe von 2,09 Mio. Tonnen belegt Deutschland vor den Niederlanden, Polen und Italien deutlich den ersten Platz. Die Elektrolysekapazität zur Herstellung von Wasserstoff ist hierzulande mit 57 Megawatt ebenfalls als hoch zu bewerten. Des Weiteren lag die Anzahl an Wasserstofftankstellen in Deutschland in 2021 bei 92 Stück. Dies kann zwar bei weitem noch nicht als umfassendes Netzwerk bezeichnet werden, jedoch besaßen alle anderen Länder Europas zum damaligen Zeitpunkt zusammen lediglich 44 Wasserstofftankstellen.

Jährliche Wasserstoff-Produktionskapazitäten europäischer Länder per 2020. (Quelle: Hydrogen Europe)
Jährliche Wasserstoff-Produktionskapazitäten europäischer Länder per 2020. (Quelle: Hydrogen Europe)

 

Der Blick auf die Entwicklung des in Deutschland produzierten Wasserstoffs ist allerdings ernüchternd. Zwischen 2008 und 2022 schwankte die Menge ohne eindeutigen Trend zwischen 4,27 Mrd. Kubikmeter und 5,24 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Dies könnte sich zukünftig allerdings ändern, denn insbesondere die Herstellung und Verbreitung von grünem Wasserstoff wird politisch seit dem Jahr 2020 verstärkt gefördert, wie im nachfolgenden Abschnitt thematisiert werden wird.

Produktion von Wasserstoff in Deutschland (Quelle: DESTATIS)
Produktion von Wasserstoff in Deutschland (Quelle: DESTATIS)

 

Die Nationale Wasserstoffstrategie

„Investitionen in Wasserstoff sind eine Investition in unsere Zukunft. In Klimaschutz, in qualifizierte Arbeitsplätze und die Energieversorgungssicherheit.“ Dieses Zitat tätigte der aktuelle Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Rahmen einer Bekanntgabe im Juli dieses Jahres zur Fortschreibung der nationalen Wasserstoffstrategie. Diese wurde bereits seit 10. Juni 2020 verabschiedet und soll ein Zielbild für die Wasserstoffnutzung im Jahr 2023 in Deutschland zeichnen, denn die Versorgung mit nachhaltigem Wasserstoff sei für das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 sehr wichtig. Hierfür wurden insgesamt 38 Maßnahmen festgelegt, welche sich in kurz-, mittel- sowie langfristige untergliedern lassen und unter anderem die regulativen Voraussetzungen sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen betreffen.

Im Kontext der erwähnte Fortschreibung vor wenigen Monaten wurden darüber hinaus vier zusätzliche Handlungsfelder benannt:

1. Ausreichende Verfügbarkeit von Wasserstoff:

  • bis 2030 soll die Elektrolysekapazität auf zehn Gigawatt ansteigen, was 30,00 % bis 50,00 % des deutschen Wasserstoffbedarfs decken würde
  • um die daraus resultierende Lücke zu schließen, soll der Import von Wasserstoff durch eine Importstrategie gefördert werden

2. H2-Infrastruktur

  • bis 2032 soll ein über 11.000 Kilometer langes Wasserstoff-Kernnetz erbaut werden, welches alle großen Einspeisen von Wasserstoff mit den Verbrauchern verbindet
  • zudem soll das noch unzureichende Tankstellennetz ausgebaut werden

3. Etablierung von H2-Anwendungen

  • die Bundesregierung unterstützt zahlreiche Projekte zur Forschung an der effizienten Nutzung von Wasserstoffanwendungen
  •  in Bezug auf die Anwendung im Verkehrsbereich wird die Produktion von eFuels gefördert

4. Gute Rahmenbedingungen

  • eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren soll durchgesetzt werden
  • weitere Maßnahmen werden fortlaufend untersucht

Wichtig zu erwähnen ist, dass die nationale Wasserstoffstrategie darauf abzielt, insbesondere die Verbreitung von grünem Wasserstoff zu fördern, denn nur dieser ist aufgrund seiner Herstellung auf Basis erneuerbarer Energien auf Dauer nachhaltig, meint zumindest die Bundesregierung. Bis grüner Wasserstoff flächendeckend zur Verfügung steht, sollen jedoch auch andere Farben verwendet werden.

Einzelinvestments mit Pure-Plays

Zunächst wollen wir uns einige Aktien ansehen, welche unter die Kategorie der Pure-Plays fallen – also Unternehmen, deren operativen Geschäfte sich ausschließlich rund um das Thema Wasserstoff bewegen.

Plug Power

Mit Umsatzerlösen in Höhe von 879,84 Mio. USD in den letzten vier Quartalen ist Plug Power aus den USA der größte und wohl bekannteste der vorliegenden Player. Das Unternehmen befasst sich mit dem Aufbau eines umfassenden Ökosystems für grünen Wasserstoff und will sämtliche Bereiche der Wertschöpfungskette abdecken. Einnahmen werden dementsprechend durch den Verkauf von Brennstoffzellen, den Verkauf von Wasserstoff oder eigene Wasserstofftankstellen generiert. Hervorzuheben ist allerdings, dass Plug Power bisher noch nicht in der Lage war, profitabel zu wirtschaften. Hier geht es zu einer Einzelbetrachtung

Ballard Power

Die Geschäftsmodelle von Plug Power und seinem kanadischen Mitbewerber, Ballard Power, sind sich grundsätzlich ähnlich, denn auch dieser befasst sich mit der Produktion und dem Vertrieb von Brennstoffzellen. Der Schwerpunkt von Ballard Power liegt auf dem Markt für schwere Nutzfahrzeuge wie Schiffe, Busse oder Lkw. In Hinblick auf die Profitabilität des Unternehmens lässt sich das gleiche Fazit wie bei seinem US-amerikanischen Pendant ziehen: Bisher konnten noch nie positive Ergebnisse erwirtschaftet werden. Zudem schwankten die Umsätze zumindest in der Vergangenheit deutlich stärker.

Nel

Die Gründung von Nel, was für Norsk Elektrolyse steht, geht auf das Jahr 1927 zurück, was das norwegische Unternehmen zum ältesten der vorgestellten Pure-Plays macht. Wenngleich der überwiegende Anteil der Umsätze mit 77,26 % auf den Verkauf von Elektrolyseuren entfällt, will auch Nel die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Verkauf (bspw. an Wasserstofftankstellen) abdecken.

Thyssenkrupp Nucera

Das Tochterunternehmen des deutschen Industriekonzerns Thyssenkrupp ist erst seit Juli dieses Jahres börsennotiert und besitzt unter den vorgestellten Pure-Plays folglich die jüngste Historie am Kapitalmarkt. Thyssenkrupp Nucera befasst sich mit Lösungen rund um den Bau und die Inbetriebnahme von Elektrolyse-Anlagen sowie der Erbringung von Dienstleistungen für bestehende Anlagen. Genau wie Plug Power, Ballard Power und Nel stehen dem Unternehmen aktuellen Analystenschätzungen zufolge mehrere Jahre eines dynamischen Wachstums bevor. Die Erlöse könnten sich demnach bis 2026 auf 1,49 Mrd. EUR vervierfachen. Zudem ist es Thyssenkrupp Nucera bereits gelungen, Gewinne zu erwirtschaften.

Die Industriegasehersteller

In Bezug auf das Wasserstoffgeschäft existiert eine weitere „Kategorie“ an Unternehmen, welche keineswegs zu vernachlässigen ist: Hersteller von Industriegasen wie Sauerstoff, Stickstoff, Helium, Argon, Kohlendioxid. Wie der Name bereits vermuten lässt, spielen diese in den Produktionsprozessen vieler Unternehmen der Industrie eine unabdingbare Rolle. Wie der folgenden Abbildung zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Branche um ein Oligopol, denn die vier größten Player erreichen einen kumulierten Marktanteil von ca. 81,00 %. Die Geschäftsmodelle von Linde aus Irland, Air Liquide aus Frankreich, Air Products aus den USA und Nippon Sanso aus Japan basieren auf der Zerlegung von Luft und weiteren Gasen in ihre jeweiligen Bestandteile, welche im Rahmen von langfristigen Abnahmeverträgen an zahlreiche Kunden vertrieben werden. Die großen Industriegashersteller erwirtschaften einen Teil ihrer Umsätze durch den Verkauf von Wasserstoff, wodurch sich auch bei ihnen Wachstumsfantasien ergeben. Durch die Substanz der Unternehmen sowie der Diversifikation des Geschäftsmodells sind diese anders als Plug Power und Co. nicht vom weiteren Wachstum der Wasserstoffwirtschaft abhängig und stellen somit eine etwas konservativere Möglichkeit dar, in dieses Thema zu investieren. 

Marktanteile von Industriegase-Herstellern. (Quelle: DB, Bloomberg)
Marktanteile von Industriegase-Herstellern. (Quelle: DB, Bloomberg)

 

Da sich die Geschäftsmodelle der vier größten Player stark überschneiden, werden diese im Folgenden nur oberflächlich anhand der wichtigsten Kennzahlen vorgestellt, da eine genauere Betrachtung den Rahmen an dieser Stelle überschreiten würde. Hier geht es zu einer Einzelbetrachtung. 

Breiter in den Markt mit Wasserstoff-ETFs

Wer sich mit Einzelaktien nicht wohl fühlt und Investitionen in ETFs bevorzugt, wird auch in diesem Bereich fündig. Auf extraETF.de werden derzeit fünf Themen-ETFs gelistet, welche sich auf Unternehmen fokussieren, die zumindest teilweise mit der Herstellung oder Nutzung von Wasserstoff in Verbindung stehen. Dass es sich hierbei um sehr junge Investmentlösungen handelt, wird mit Blick auf das Fondsalter deutlich: Keiner der in Deutschland handelbaren ETFs existiert seit mehr als drei Jahren. Dies spiegelt sich auch in der Größe der verfügbaren Fonds wider: Das mit Abstand höchste Volumen kann der L&G Hydrogen Economy UCITS ETF (WKN: A2QMAL) mit 417,65 Mio. EUR vorweisen. Auf dem abgeschlagenen zweiten Platz folgt der VanEck Hydrogen Economy UCITS ETF (WKN: A2QMWR), dessen Volumen sich auf lediglich 84,54 Mio. EUR beläuft. In die Investmentvehikel von BNP Paribas, Global X und Invesco haben Anleger bisher nur 16,77 Mio. EUR, 4,02 Mio. EUR bzw. 2,06 Mio. EUR investiert.

Aufgrund der bedeutend höheren Fondsvolumen widmet sich der Artikel um Folgenden den Lösungen von L&G und VanEck. Beide ETFs wurden im Frühjahr 2021 aufgelegt – ironischerweise fast zum absoluten Höhepunkt des letzten „Wasserstoff-Hypes“ an der Börse, weshalb mit jeweils mehr als -50,00 % starke Verluste zu Buche stehen. Beide ETFs setzen auf die vollständige, physische Replikation der zugrundeliegenden Indizes und veranschlagen eine Gesamtkostenquote (TER) in Höhe von 0,49 % bzw. 0,55 %. Ausschüttungen an die Fondsinhaber werden nicht vorgenommen, anfallende Gewinne werden also thesauriert. In dieser Hinsicht sind sich die ETFs also ähnlich.

Da allerdings verschiedene Indizes abgebildet werden, bestehen in Hinblick auf die enthaltenen Aktien erhebliche Unterschiede. Die Anzahl an Positionen ist mit 27 bei L&G und 26 bei VanEck noch sehr ähnlich. Jedoch beläuft sich der kumulierte Anteil der zehn größten Positionen bei VanEck auf sage und schreibe 79,58 % – im Fall von L&G sind es 54,40 %. Zudem besitzen die konservativeren Industriegashersteller bei letzterem ETF eine deutlich höhere Gewichtung, was sich auch in einer etwas niedrigeren Volatilität widerspiegelt.

In Bezug auf Themen-ETFs im Wasserstoff-Bereich lässt sich festhalten, dass hierzulande eine sehr begrenze Auswahl an Investmentlösungen besteht, welche sich deutlich voneinander unterscheiden, zumal alle fünf handelbaren ETFs auf unterschiedlichen Indizes basieren. Während die Fonds von BNP Paribas und Invesco eine verhältnismäßig hohe Diversifikation bieten, kann L&G (und in geringerem Umfang auch VanEck) mit einem weitaus größeren Fondsvolumen punkten. Ein klarer „Sieger“ kann demnach nicht festgelegt werden. Welcher ETF für interessierte Anleger die beste Wahl ist, bedarf wie so oft an der Börse also einer individuellen Entscheidung. Abbildung: Performancevergleich?

Fazit: Genauer Blick lohnt sich

Neben Solar- und Windenergie sowie sonstigen nachhaltigen Technologien wird grüner Wasserstoff häufig als Energieträger der Zukunft beschrieben. In Anbetracht des möglichen Wachstumspotenzials im Rahmen einer Wasserstoffwirtschaft erscheint eine Investition in diesen Bereich nicht uninteressant. Das Interesse der Börsianer für Unternehmen, welche sich mit der Herstellung oder Nutzung von Wasserstoff befassen, schwankt jedoch äußerst stark. Immer wieder kommt es zu vorübergehenden Hypes, welche insbesondere bei Pure-Plays zu hohen Kursrenditen führen. Allerdings gehen Investitionen in entsprechende Unternehmen mit nicht zu vernachlässigenden Risiken einher, denn Ballard Power, Plug Power und Co. waren in ihrer bisherigen Unternehmenshistorie noch nie profitabel. In Phasen abnehmenden Interesses verzeichnen diese Aktien daher horrende Verluste und sind nicht für unerfahrene oder risikoempfindliche Anleger geeignet.

Anders verhält es sich bei den vorgestellten Herstellern von Industriegasen. Linde, Air Liquide, Air Products und Nippon Sanso besitzen diversifizierte Geschäftsmodelle und können aufgrund von langjährigen Abnahmeverträgen eine recht stabile Umsatz- und Gewinnentwicklung vorweisen, was sich auch in der langfristig attraktiven Entwicklung der Aktienkurse und Dividendenausschüttungen widerspiegelt. Da diese Unternehmen einen Teil ihrer Umsätze durch die Herstellung und den Verkauf von Wasserstoff erzielen, stellen sie eine etwas risikoärmere Möglichkeit dar, in dieses Thema zu investieren. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in den Kursen der Industriegashersteller bereits eine gewisse Erwartungshaltung bezüglich der zukünftigen Entwicklung eingepreist ist – die Aktien notieren nahe ihres Allzeithochs.

Zu guter letzt können natürlich auch die vorgestellten ETFs als Investmentvehikel genutzt werden. Aufgrund der vergleichsweise hohen Konzentration der größten Positionen und der nicht unerheblichen Volatilität sollten diese je nach Risikotoleranz nur als Beimischung eines diversifizierten Portfolios verwendet werden.  

Über den Autor Jan Fuhrmann

Jan Fuhrmann ist Mitbegründer des Aktien-Discords „Wir lieben Aktien“.