Die US-Infrastruktur befindet sich in der Krise: Wie geht es weiter?
Die US-Infrastruktur präsentiert sich heute in schwacher Verfassung. Bieten sich in dieser Situation nun Chancen für Anleger?
Der Einsturz der vierspurigen Autobahnbrücke „Francis Scott Key Bridge“ in der US-Stadt Baltimore am 26. März forderte mehrere Menschenleben und beeinträchtigt den Schiffsverkehr des für die Automobilwirtschaft bedeutenden Hafens der Stadt bis heute. Das Unglück versinnbildlicht darüber hinaus die bröckelnde amerikanische Infrastruktur und löste eine landesweite Diskussion über Widerstandsfähigkeit und Sicherheit des strukturellen Rückgrats der weltgrößten Volkswirtschaft aus. Wenngleich ein solcher Vorfall – der Einsturz einer bedeutenden Brücke nach einer Kollision mit einem Schiff – Seltenheitscharakter hat, so ist er hier doch Alarmsignal der weitreichenden Vernachlässigung der Infrastruktur, der die öffentliche Sicherheit, die wirtschaftliche Stabilität und den Wohlstand der Vereinigten Staaten gefährdet.
US-Infrastruktur: Gefahr für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
Das Infrastrukturnetz der USA, um die Welt das Land einst beneidet hat, befindet sich heute in einem prekären Zustand. Diesen bewertete die American Society of Civil Engineers (ASCE) schon in ihrem Bericht des Jahres 2021 mit einem ernüchternden „C-“ und schätzte die Investitionslücke für das laufende Jahrzehnt auf fast 2,6 Billionen Dollar. Wird diese nicht geschlossen, würden den USA bis 2039 ein wirtschaftlicher Verlust von ganzen 10 Billionen Dollar drohen – ein entscheidendes Problem, das Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit auf Jahre hinaus beeinträchtigen könnte.
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Die aus den öffentlichen Mitteln des Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) 2021 bereitgestellten 40 Milliarden Dollar für Brückenreparaturen und insgesamt 1,2 Billionen Dollar für verschiedene Infrastrukturverbesserungen bedeuten zweifellos einen großen Fortschritt – doch angesichts von geschätzten 320 Milliarden Dollar allein für die Modernisierung der amerikanischen Brücken sind diese Mittel nur ein Tropfen auf den heißen Stein (Quelle: Transportation.gov).
US-Infrastruktur: Gefahr für essentielle Versorgungsnetze
Die dringend notwendige Sanierung der Infrastruktur ist nicht auf zerfallende Brücken und Straßen beschränkt, sondern erstreckt sich auf auch auf die Verbesserung von Wassersystemen, Stromnetzen und Internetzugang, die den Bedürfnissen der Bevölkerung in beklagenswerter Weise nicht mehr gerecht werden. So schätzt die US-Umweltschutzbehörde EPA, dass die Verbesserung von Trinkwasserversorgung und die Abwassersystemen in den nächsten zehn Jahren Investitionen in Höhe von mindestens 744 Milliarden Dollar erfordern. Daneben haben weiterhin Millionen von Amerikanern in ländlichen und einkommensschwachen Gemeinden keinen zuverlässigen, schnellen Internetzugang. Diesem Defizit steht die Verpflichtung der Regierung durch den IIJA gegenüber, bis 2030 eine Summe von 45 Milliarden Dollar in die Breitbandinfrastruktur zu investieren.
Hemmnis im globalen Wettbewerb
Im internationalen Vergleich liegen die Vereinigten Staaten bei Qualität und Investitionen in die Infrastruktur hinter ihren Konkurrenten zurück. So sind die Personenzüge in den USA im Durchschnitt nur halb so schnell wie die Hochgeschwindigkeitszüge in Europa. Im Bereich der Flughäfen sieht es nicht viel besser aus: Nur ein einziger US-Flughäfen gehört zu den fünfzig besten der Welt. Dieser Mangel in der Qualität der Infrastruktur hat weitreichende Folgen, denn er beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität der Amerikaner, sondern auch den Wettbewerbsvorteil des Landes auf globaler Ebene.
Der ehrgeizige Umfang des IIJA ist die eine Seite der Medaille, die tatsächliche Umsetzung die entscheidende andere. Seit seinem zweijährigen Bestehen flossen bereits 306 Milliarden Dollar in die Staatskassen und Direktinvestitionsprojekte. Da jedoch der Wettbewerb bei der Vergabe von Zuschüssen stetig zunimmt, ist eine sorgfältige Priorisierung von Projekten, die einen langfristigen Nutzen erbringen, unerlässlich (Quelle: Brookings).
Beschleunigung nachhaltiger Entwicklung durch öffentlich-private Partnerschaften
Bei der Erneuerung der amerikanischen Infrastruktur können öffentlich-private Partnerschaften (public-private partnerships, PPP) und das Engagement für eine nachhaltige Entwicklung nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese setzen Innovationen und Kapital aus dem privaten Sektor frei und beschleunigen Projekte, die andernfalls in der Planungsphase stecken bleiben würden. Durch diese Zusammenarbeit können Spitzentechnologien und Effizienzsteigerungen eingeführt werden, die eine solide Antwort auf das derzeitige Infrastrukturdefizit darstellen.
Nachhaltigkeit ist der Eckpfeiler künftiger Infrastrukturprojekte, der die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel stärkt und einen gerechten Zugang zu verbesserten Dienstleistungen gewährleistet. Die Vorfahrt für umweltfreundliche Energien, einen effizienten öffentlichen Verkehr und eine intelligente Wasserwirtschaft repariert nicht nur das Alte, sondern schlägt einen neuen Weg ein, der Ökologie und soziale Bedürfnisse respektiert.
Damit läutet der Infrastructure Investment and Jobs Act eine neue Ära der Infrastrukturentwicklung ein – eine Ära, die sowohl den privaten Einfallsreichtum als auch das öffentliche Engagement für Nachhaltigkeit nutzt. Dieser ausgewogene Ansatz verspricht nicht nur, die physischen Strukturen des Landes zu reparieren, sondern sie zudem in belastbare, integrative Netze umzubauen, die die Vereinigten Staaten in eine nachhaltige Zukunft führen und einen globalen Standard für die Infrastrukturentwicklung setzen.
US-Infrastruktur: Diese Unternehmen profitieren
Die USA stehen mit ihrem dringenden Bedarf an einer umfassenden Erneuerung der Infrastruktur nicht allein da. Die 2,6 Billionen Dollar-Investitionslücke bietet eine große Chance für Unternehmen aus verschiedenen Sektoren, vom Bau- und Transportwesen bis hin zu Technologie- und Versorgungsunternehmen. So bietet beispielsweise Ormat Technologies, ein maßgeblicher Anbieter geothermischer Energie, eine nachhaltige Lösung für die steigende Nachfrage nach erneuerbaren Energiequellen. SBA Communications und Crown Castle Inc. sind mit ihren umfangreichen Portfolios an Kommunikationstürmen von zentraler Bedeutung
für die Verbesserung der digitalen Infrastruktur des Landes und gewährleisten eine breitere und zuverlässigere Internetabdeckung. American Water Works wiederum ist ein hervorragendes Beispiel für Investitionen in die Wasserinfrastruktur, eine wichtige, aber oft übersehene Komponente der Infrastruktur der USA. Diese Gesellschaften stehen beispielhaft für die vielfältigen Investitionsmöglichkeiten für Anleger, die einen Beitrag zur lebenswichtigen Finanzierung der US-Infrastruktur leisten und zudem den Weg für eine nachhaltigere und technologisch fortschrittlichere Zukunft ebnen wollen.
Thematisch passendes Investment
Ein Investitionsmöglichkeit bietet der Rize Global Sustainable Infrastructure UCITS ETF (WKN: A3ENM8).
Über den Autor Rahul Bhushan
Rahul Bhushan, Global Head of Index bei ARK Invest Europe