Noch höhere Zinsen – kommt die Rezession?
Die geldpolitischen Katzen sind aus dem Sack: Die US-Notenbank FED hat zum elften Mal die Leitzinsen erhöht. Die Zinsen sind damit so hoch wie zuletzt 2001. Die EZB folgte mit Zinsschritt Nummer neun auf das Niveau von 2008, der Finanzkrise. Befeuern sie die Rezession?
Kaum sind die jüngsten Zinsentscheidungen in den USA und Europa gefallen, zeigen die Daten in der deutschen Wirtschaft einmal mehr, wie Zinserhöhungen wirtschaftlich wirken. Im Klartext: Im zweiten Quartal ist Deutschlands Wirtschaft nicht gewachsen. Sie trat auf der Stelle. Das heißt: Keine Rezession, also keine Phase, in der die Wirtschaft schrumpft. Doch die Lage ist ernst: Im ersten Jahresviertel war die Wirtschaftsleistung gesunken, im vierten Quartal auch. Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht keinen Grund für eine „German Angst“. Doch der Internationale Währungsfonds warnt: Unsere Wirtschaft wird dieses Jahr in die Rezession abgleiten. 0,3 Prozent Minus befürchten sie.
Zinsen und Wirtschaft: Deutschland steht unter den großen Volkswirtschaften am schwächsten da
Damit sind die IWF-Experten noch pessimistischer als im Frühjahr. Schlimmer noch: Unter allen großen Volkswirtschaften dürfte Deutschland in diesem Jahr am schlechtesten abschneiden. Deutschland war der einzige G7-Staat, für den der IWF seine Prognosen nicht angehoben hat. Sogar Russlands Wirtschaft dürfte besser abschneiden. Auch im Brexitland Großbritannien dürfte die Wirtschaft zulegen. Die Weltwirtschaft sowieso. Auch die USA.
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Dabei haben doch aber gerade die USA die Zinsen am öftesten erhöht. Wie passt das zusammen? Zinsen sind doch Gift für die Konjunktur? So weit so wahr. Doch die Rezession in den USA, die noch mehr Zinserhöhungen gestemmt haben als die EZB für den Euroraum, kommt und kommt nicht. Gerade ist die größte Volkswirtschaft der Welt erneut um 2,4 Prozent gewachsen. Das war mehr als erwartet und auch noch eine Schippe mehr als im Vorquartal mit 2,0 Prozent.
Konsumklima in den USA
Der Konsum als wichtige Stütze der US-Wirtschaft? Stabil. Die Anlageinvestitionen als wichtiger Faktor für künftiges Wachstum? Gestiegen. Der Arbeitsmarkt? Intakt. Die Inflation? Auf Sinkkurs.
„Die FED geht nun wohl davon aus, dass es lediglich eine Konjunkturdelle – und keine Rezession – benötigt, um die Inflation weiter Richtung Zweiprozentziel zu drücken“, kommentiert Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirting der KfW. „Damit könnte die US-Wirtschaft it einem blauen Auge aus diesem Zinszyklus kommen.“
Die Expertin vertritt keineswegs eine Mindermeinung. Sie weißt darauf hin, dass die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe spürbar schlechter geworden ist und der Arbeitsmarkt abkühlt.Und das sehen auch immer mehr Experten so. „Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Auswirkungen der massiven Zinserhöhungen noch nicht vollständig zu spüren sind“, berichten Christoph Balz und Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. Sobald dies der Fall sei, dürfte die Wirtschaft dort leicht schrumpfen. „Es sieht allerdings zunehmend danach aus, dass sich der Termin dafür ins nächste Jahr verschieben könnte.“
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Aufgeschoben ist also nicht aufgehoben. Anders hierzulande. Die EZB hat geliefert wie erwartet. Zinserhöhung Nummer neun. Und das könnte womöglich erst einmal die letzte sein: Auf der Sitzung im September werde neu gedacht – je nach Datenlage. Die Inflation ist zugegeben noch zu hoch – aber auf dem richtigen Weg nach unten. Und nun?
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Das deutsche Bruttoinlandsprodukt habe auch im zweiten Quartal enttäuscht, monieren Volkswirte. „Die Probleme kommen von allen Seiten: Die Inflation hat die Konsumnachfrage ausgezehrt, der Export leidet unter einer globalen Investitionsgüteschwäche und die Industrie zusätzlich unter hohen Energiepreisen“, kritisiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Der Wind blase der deutschen Wirtschaft mitten ins Gesicht. „Eine Stabilisierung deutet sich erst Richtung 2024 an, wenn die Konsumnachfrage durch die hohen Lohnabschlüsse wieder gestärkt wird.“
Nun ist das BIP nicht die alleinseligmachende Kennziffer, aber sie ist ein wichtiger Indikator. Warum? Weil sie Teil der Basis ist, auf der politische Entscheidungen fallen. Weil sie eine internationale Vergleichsgröße ist. Weil es gut zu messen ist. Aber das BIP ist nur ein Puzzle-Stück. Rückläufige Investitionen, eine sinkende Industrieproduktion, Fachkräftemangel. All das zeigt das BIP nicht. Immerhin, die Inflation ist auf dem Weg nach unten. Und das ist ja das Ziel all der Zinssenkungen. Und wenn die Inflation weiter sinkt, kann die Wirtschaft ihre Schwäche wieder ausgleichen: Für 2024 ist denn auch der IWF wieder optimistischer: Statt bisher 1,1 Prozent erwartet er, dass die Deutschlands Konjunktur dann um 1,3 Prozent anzieht.