J.P. Morgan AM: Eine Rezession macht noch keinen Bärenmarkt
Die expansive Fiskalpolitik verhindert die Rezession, aber befeuert die Inflation. Anleihen bieten wieder mehr Stabilität, Aktien bleiben lohnenswert.
Wie wird nach einem überraschend robusten Jahr der Jahresausklang für Wirtschaft und Kapitalmärkte ausfallen? Nach Einschätzung von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, drohen die Gefahren für das wirtschaftliche Wachstum in den nächsten Monaten zuzunehmen. Gerade wenn im Zuge der höheren Leitzinsen die Finanzierungskosten für Unternehmen und Privathaushalte steigen, und gleichzeitig vor allem in den USA die Überschussersparnisse zur Neige gehen, könnten die Absatz- und Gewinnaussichten für Unternehmen schwieriger werden, so der Experte bei der Vorstellung des Guide to the Markets für das vierte Quartal 2023. Dies könnte sich auch auf die Kapitalmärkte auswirken. Noch sieht Ökonom Galler den Aktienmarkt aber gut gewappnet. „Die Bewertungen außerhalb der US-Technologiewerte sind moderat günstig, weshalb die Aktienmärkte mit Gewinnrückgängen von bis zu zehn Prozent gut leben könnten. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte lehrt uns, dass moderate Gewinnrückgänge nicht automatisch in einen Bärenmarkt münden“, führt Galler aus.
Rezession? Expansive Fiskalpolitik stützt das Wachstum
Die expansive Fiskalpolitik in den USA sieht Tilmann Galler als entscheidende Komponente an, die auf das künftige Wirtschaftswachstum einwirkt. „Große Konjunkturprogramme sowie kräftige inflationsbedingte Erhöhungen bei Sozialhilfe und Gesundheitsausgaben haben der US-Wirtschaft 2023 einen Wachstumsschub gegeben. Doch ein Haushaltsdefizit von aktuell 7,5 Prozent kann nicht von Dauer sein, insbesondere im Umfeld hoher Zinsen. Eine zukünftig weniger expansive Fiskalpolitik wird entsprechend einen geringeren Wachstumsschub für die Konjunktur bedeuten“, erklärt Galler.
Aus Sicht von Tilmann Galler dürfte das Zinsniveau auf längere Sicht hoch bleiben. „Die Markterwartungen sind, dass die Zinsen acht bis neun Monate auf dem hohen Niveau verharren könnten. In der Eurozone ist dies für etwa sechs Monaten eingepreist, was allerdings etwas optimistisch sein könnte“, erklärt der Kapitalmarktexperte. Die Zentralbanken dürften so lange restriktiv bleiben, bis vor allem das Lohnwachstum deutlich geringer ausfällt. Denn hohe Lohnabschlüsse geben der Inflation neuen Schub, gerade in den USA, wo der Arbeitsmarkt sehr eng ist. Die Zahl der offenen Stellen ist zuletzt wieder angestiegen.
Daneben trete das Thema Energie als inflationstreibender Faktor wieder stärker in den Vordergrund. „Der Ölpreis ist vom Sommer bis jetzt um fast 30 Prozent angestiegen, da die OPEC beschlossen hat, die Fördermengen zu kürzen. Die Zeit der rückläufigen Inflationsraten durch Energie geht damit langsam zu Ende“, sagt Galler.
Asien im Umbruch – chinesischer Aktienmarkt enttäuscht
Die Wirtschaft in Asien sieht Tilmann Galler vor einem Umbruch. „China ist die Enttäuschung des Jahres. Nach dem schnellen Ende der Zero-COVID-Politik war die Erwartung, dass die Überschussersparnisse in den Konsum geleitet werden. Doch das ist bisher nur partiell zu sehen gewesen. Ursache ist vor allem die Immobilienkrise, durch die viele Menschen in China betroffen sind“, sagt Galler. In China seien die Auswirkungen auf den Markt der Wohnimmobilien deshalb so stark, weil es große Überkapazitäten aufgrund des Baubooms in den letzten zehn Jahren gebe. Daher käme es nicht nur zu einer größeren Korrektur der Immobilienpreise, sondern auch zu einem starken Einbruch in der Investitionstätigkeit.
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Tilmann Galler glaubt nicht, dass der chinesische Staat mit einem großen Konjunkturpaket dagegenhalten werde, um das Wachstumsziel von fünf Prozent zu erreichen. „Den Entscheidungsträgern ist bewusst, dass noch mehr Leverage das System weiter destabilisiert. Die unterstützenden Maßnahmen kommen daher eher aus der Geldpolitik“, stellt Galler fest. Dazu zählt etwa das Senken der Leitzinsen, um die Finanzierungskosten zu verringern. Entscheidend sei nun, das Vertrauen im Privatsektor wiederherzustellen, durch eine verlässlichere Regulierung und Wirtschaftspolitik. Dann könnte auch der chinesische Aktienmarkt von einer fallenden Sparquote und dem Abbau der Überschussersparnisse profitieren.
Anleihen bieten wieder mehr Stabilität, Aktien weiterhin lohnenswert
Mit Blick auf die Anlageklassen können vor allem Anleihen wieder ihre Funktion als Portfolio-Stabilisator erfüllen. Die Realrenditen globaler Staatsanleihen sind wieder auf einem Niveau, das es zuletzt vor vierzehn Jahren gab. „Wenn wir davon ausgehen, dass wir auf eine moderate Rezession zusteuern, dann ist man auch im Investment-Grade-Bereich weiterhin gut aufgehoben“, erklärt Tilmann Galler. Vorsichtiger sollte man seines Erachtens im High-Yield-Bereich sein. Schwellenländeranleihen würden partiell noch Chancen bieten.
Doch auch Aktien sind nach Ansicht von Marktexperte Galler weiterhin lohnenswert. Es komme allerdings darauf an, Qualität und Defensive zu stärken. „Mit Ausnahme der US-Techwerte sind die US-Aktienmärkte nicht sonderlich teuer bewertet“, stellt er fest. Die Tech-Werte wurden zuletzt vor allem durch die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) getrieben.
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Dadurch haben die sieben größten Tech-Aktien inzwischen wieder einen Anteil im S&P 500 der deutlich höher ist als in der Dotcom-Phase. Galler hält die Entwicklung allerdings für teilweise gerechtfertigt, da einige Werte zukünftig sehr stark profitieren dürften. Dennoch rät er zu einer ausgewogenen Strategie. Potenzial sieht Galler vor allem außerhalb der Mega-Caps und im Dividendenbereich, wo die KGVs relativ günstig und die Ausschüttungsquoten nach wie vor niedrig sind. Die Dividenden sollten deshalb auch bei einer moderaten Rezession gut unterstützt sein. So bietet das Segment aus Sicht von Galler weiterhin einige Chancen.
Einige Risiken sieht Galler allerdings beim Thema Gewinnrevisionen: „Gewinnerwartungen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich dürften zu optimistisch sein. Es könnte höhere Gewinnrevisionen im Zuge der nachlassenden Konjunktur geben, was wiederum zu einer höheren Volatilität an den Aktienmärkten führen kann.“ Die Gefahr eines Bärenmarktes hält der Ökonom allerdings für aktuell nicht allzu groß. „In den 90er Jahren gab es während der Rezession einen Gewinnrückgang der Unternehmen von zehn Prozent, was aber nicht gereicht hat, um einen Bärenmarkt auszulösen“, sagt Galler. Er sieht ungemütliche Zeiten für den Aktienmarkt erst bei einem Vordringen der Gewinnrevisionen in den Bereich von 20 Prozent kommen. Dies sei aber nicht das Kernszenario von J.P. Morgan Asset Management. Daher setze man auf eine Resilienz bei Aktien. Von einer höheren Volatilität sollten Makro-Hedgefonds-Strategien profitieren können.