23. April 2022

Thomas Wiedenmann (Amundi): „Mit Klima-ETFs kann man wirklich etwas bewirken“

Nachhaltige Geldanlage ist mitten im Mainstream angekommen. Trotzdem ist das Feld für viele immer noch undurchsichtig und nebulös. ETF-Experte Thomas Wiedenmann von Amundi bringt Licht ins Dunkel. Hier erfährst du, wie sich Klima-ETFs von klassischen ESG-ETFs konkret unterscheiden.

Herr Wiedenmann, laut einer Umfrage von Forsa möchten mehr als 60 Prozent der deutschen Anleger nachhaltig investieren. Gleichzeitig wissen viele nicht, wie sie am besten vorgehen sollen. Was ist aus Ihrer Sicht ein sinnvoller Ansatz, um sich dem Thema zu nähern?  

Es ist richtig, dass wir derzeit eine große Rotation von ETFs auf klassische hin zu nachhaltigen Produkten bezie- hungsweise ESG-Indizes sehen. Letz- tes Jahr entfiel in Europa mehr als die Hälfte der ETF-Neugelder auf ESG-Produkte. Bei Amundi waren es sogar 80 Prozent der Flows, die in unsere ESG- ETFs investiert wurden. Für das Jahr 2021 können wir sagen, dass sich der Trend hin zu ESG weiter verfestigt hat. Richtig ist auch, dass viele Anleger nach Orientierung bei der Auswahl des passenden ESG-ETFs suchen. Dies liegt vor allem daran, dass das Thema Nachhaltigkeit stark durch individuelle Werte geprägt ist und es somit keine Universallösungen gibt. Für den einen ist der Klimaschutz das Maß der Dinge, für den anderen ist es ein messbarer Nutzen für die Gesellschaft und für einen Dritten vielleicht eine gezielte Investition in Zukunftstechnologien, mit denen wir nachhaltiger und besser leben können.

Amundi hat insgesamt fünf Bausteine für nachhaltiges Investieren definiert. Können Sie uns einen kurzen Überblick geben, um welche Bausteine es sich konkret handelt?

Grün gibt es in vielen Schattierungen, von hell- bis dunkelgrün. Das gilt auch bei der Geldanlage. Einige Anleger möchten lieber nah am „traditionellen“ Index investieren. Andere wünschen sich, dass die ESG-Messlatte höher ge- legt wird und dass anspruchsvollere Standards in puncto Umwelt, Soziales und Unternehmensführung gesetzt werden. Entsprechend bietet Amundi nachhaltige ETFs in fünf Produktlinien an. Erstens sogenannte Universal-ESG-ETFs, die dank gewisser Ausschlüsse, wie Kraftwerkskohle und Tabak, ein besseres ESG-Rating haben, sonst aber ähnlich marktbreit wie der Standardindex investieren. Einen Schritt weiter gehen zweitens unsere ESG-Leaders-ETFs, die einen Best-in-Class-Ansatz verfolgen.

Was heißt das genau?

Dabei qualifizieren sich pro Branche nur die Unternehmen mit den besten ESG-Bewertungen für den Index. Ergänzend kommen weitergehende Ausschlusskriterien zum Tragen wodurch rund 50 Prozent der Titel des Standardindex ausgeschlossen wer- den. Noch anspruchsvoller sind drittens unsere SRI-ESG-ETFs, die neben einem Best-in-Class-Ansatz strenge Ausschlusskriterien anwenden und beispielsweise nicht in Rüstungsunternehmen oder in Firmen investieren, die mit Kraftwerkskohle, Tabak, Alkohol ihr Geld verdienen oder fragwürdige Arbeitsbedingungen dulden. Ergebnis ist hier, dass nur 25 Prozent der Titel aus dem Standardindex investierbar sind. Und dann gibt es noch zwei Produktlinien zu Klima-ETFs.

 Was ist denn der Unterschied zwischen einem ESG-ETF und einem Klima-ETF? Und für welchen Anleger eignet sich welches Produkt?

Für wen sich ein Klima- und für wen sich ein ESG-ETF eignet, ist eine persönliche Frage. Möchte man gezielt den CO2-Fußabdruck seines Portfolios senken oder möchte man ein breites Spektrum an Nachhaltigkeitsfragen berücksichtigen? Fest steht jedoch, dass der Klimawandel sowohl in der Politik als auch bei vielen Anlegern schnell an Bedeutung gewonnen hat. Dies zeigt sich auch daran, dass die EU im Rahmen des Aktionsplans für ein nachhaltiges Finanzwesen Standards zu Klimaindizes – die PAB und die CTB – formuliert hat.

Was verbirgt sich denn hinter den Kürzeln CTB und PAB? Und was hat es mit dem sogenannten Impact-Investing auf sich?

 Es gibt zwei Klimaindex-Standards, nämlich die Climate Transition Benchmarks (CTB) und die strengeren Parisabgestimmten Benchmarks (PAB). Beide Indexgattungen sollen helfen, das Ziel des Pariser Klimaabkommens – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C oder unter 2°C gegen- über dem vorindustriellen Niveau – zu erreichen. Den Richtlinien zufolge sollen die Indizes unter anderem eine Reduktion der Kohlenstoffintensität um 30 Prozent beziehungsweise um 50 Prozent im Vergleich zum Standardindex sowie weitere jährliche Senkungen um sieben Prozent erreichen. Amundi hat als einer der ersten Vermögensverwalter entsprechende Klima-ETFs an den Markt gebracht. Was Anleger unserer Erfahrung nach besonders schätzen, ist, dass man mit den Klima-ETFs einen echten Impact, also eine messbare Wirkung, anvisieren kann.

Welche Klima-ETFs bietet Amundi an? Können Sie beispielhaft einmal einen ETF dazu vorstellen?

Insgesamt bietet Amundi derzeit acht Klima-ETFs an, und zwar sieben Aktien- und einen Renten-Klima-ETF. Hervorheben kann man unter anderem den Amundi MSCI World Climate Paris Aligned PAB UCITS ETF (WKN: A2P6TP). Der ETF richtet sich an Anleger, die Klimarisiken vermindern und gleichzeitig weitere unerwünschte Aktivitäten in Bezug auf Kohle, Öl, Erdgas und Stromerzeugung ausschließen möchten. Als erster Klima-ETF mit Ös- terreichischem Umweltzeichen, das auch in Deutschland als strenges Qualitätssiegel gilt, erfüllt der ETF sehr anspruchsvolle Nachhaltigkeitskriterien.

Der Best-In-Class-Ansatz wird oftmals kritisiert. Tenor: Es können dennoch „schmutzige Branchen“ in den ETFs landen. Teilen Sie diese Kritik?

Es ist eine Tatsache, dass einige Branchen größeren Herausforderungen in Sachen ESG ausgesetzt sind als andere. Die Energiewirtschaft, die Chemiebranche oder die Logistik sind Beispiele hierfür. Als Anleger könnte man einerseits sagen, dass man nur in Unternehmen investiert, die bereits heute vorbildlich sind. Ein anderer Weg ist, über alle Branchen hinweg Anreize für mehr Nachhaltigkeit zu setzen. Denn wenn gerade belastete Branchen Fort- schritte machen, ist der Gesamteffekt weitaus größer, als wenn ein bereits gut aufgestelltes Unternehmen noch ein kleines bisschen besser wird.

 Finden diese Verbesserungen in den kontroversen Sektoren denn statt?

Wir sehen, dass unter den Firmen durchaus ein Wettbewerb entbrannt ist, wer die größten ESG-Fortschritte für sich verbuchen kann. Im ESG-Rating-Vergleich will erfahrungsgemäß niemand die rote Laterne halten. Insofern haben Best-in-Class-Ansätze im Grundsatz ihre Berechtigung. Amundi geht dabei aber immer einen Schritt weiter und bietet keine reinen Best-in-Class-Ansätze an, sondern schließt immer auch besonders kontroverse Branchen und Sektoren aus.

Tipp: Hier erfährst du alles, was du über das Investieren in Nachhaltigkeits-ETFs wissen musst.

Wie unterscheidet sich denn konkret ein ESG-ETF von einem SRI-ETF?

ESG ist die englische Abkürzung für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung) und SRI steht für Socially Responsible Investments. Beide Begriffe werden allgemein für nachhaltiges Investieren genutzt und lassen sich nicht immer trennscharf voneinander unter- scheiden. Ein Unterschied ist, dass ESG-Strategien ESG-Kriterien zur Beurteilung für die Nachhaltigkeit der entsprechen- den Wertpapiere heranziehen. SRI-ETFs sind vielen Anlegern hierzulande ein Be- griff, weil der bekannte Indexanbieter MSCI SRI-Indizes anbietet. Die Abstufung der MSCI-Nachhaltigkeits-Indizes von hell- nach dunkelgrün lautet dabei: Universal, Leaders und SRI. MSCI SRI-Indizes sind die anspruchsvollsten MSCI Nachhaltigkeits-Indizes.

Als ETF-Anbieter verwaltet Amundi nicht nur Milliarden, sondern kann auch auf den Hauptversammlungen der Unternehmen über wichtige Beschlüsse abstimmen. Können sich ETF-Anleger, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, darauf verlassen, dass Amundi in ihrem Sinne abstimmt?

Wie eine Auswertung von Share-Action aus dem Jahr 2020 belegt, hat Amundi für 91 Prozent der wichtigsten klimapolitischen Aktionärsanträge und für 88 Prozent der sozialpolitischen Anträge gestimmt. Damit nimmt Amundi den ersten Platz unter den großen europäischen ETF-Anbietern ein. Nachhaltigkeit ist einer unserer Strategiepfeiler, und seit Ende des vergangenen Jahres weisen alle unsere aktiv gemanagten Publikumsfonds ein besseres ESG-Rating auf als ihre Benchmarks. Wir engagieren uns außer- dem global bei zahlreichen Nachhaltigkeitsinitiativen und verwalten heute mehr als 800 Milliarden Euro in nachhaltigen Investments. Auf Hauptversammlungen stimmen wir konsequent auch bei Unter- nehmen ab, bei denen wir über ETFs engagiert sind. Insofern wird ESG auch 2022 ein zentraler Eckpunkt bei neuen Aktien- und Renten-ETFs sein.

Fazit

Amundi hat sich als ETF-Anbieter ins- besondere in zwei Bereichen in der Spitzengruppe der Anbieter etabliert. Einmal im Bereich niedriger Produktkosten, zum anderen als Anbieter einer sehr großen Produktpalette von nachhaltigen ETFs. Wie Thomas Wiedenmann im Interview darlegt, können Anleger hier aus einem sehr großen Produktuniversum schöpfen.