Die verschiedenen Arten der Inflation: So wird die Geldentwertung berechnet
Die stark ansteigende Inflation ist in aller Munde – und sie macht vielen Bürgerinnen und Bürgern Angst. Doch wie wird die Teuerungsrate eigentlich berechnet? Und gibt es womöglich mehrere Arten von Inflation?
Estland ist aktuell unrühmlicher EU-Spitzenreiter. Das kleine Land im Baltikum hatte im Juni mit einer Inflationsrate von 22 Prozent den höchsten Wert in der Union. Im Schnitt lag innerhalb der EU die Teuerungsrate per Juni bei 9,6 Prozent. Im Mai war sie noch bei 8,8 Prozent gelegen. Nicht grundsätzlich besser sieht es in Deutschland aus. 7,6 Prozent waren es im Juni – ein leichter Rückgang gegenüber dem Vormonat Mai, zu verdanken war dies allerdings vor allem dem 9-Euro-Ticket und der Spritpreisbremse und somit kein Indikator für eine grundsätzliche Verbesserung.
Inflation ist speziell in Deutschland ein Angstthema. Geldentwertung durch steigende Preise, fehlendes Angebot und letztlich Einschränkungen in der Lebensqualität sind derzeit spürbare Auswirkungen der lockeren Geldpolitik der vergangenen Jahre im Allgemeinen und des Kriegs in der Ukraine im Speziellen. Doch wie sorgen diese weltumspannenden Ereignisse dafür, dass am Ende das Päckchen Butter mehr als drei Euro kostet oder Speiseöl mittlerweile um mehr als 30 Prozent im Preis gestiegen ist? Wie wird die Inflation berechnet und woran wird sie gemessen?
So funktioniert der „Warenkorb“
Wie weiter oben schon angeklungen, erhebt das Statistische Bundesamt jeden Monat detaillierte Zahlen zur Preisentwicklung bestimmter Waren in Deutschland. Daraus ergibt sich wiederum der sogenannte Verbraucherpreisindex, dessen jährliche Veränderung auch als Inflationsrate bekannt ist. Dabei misst der Verbraucherpreisindex die durchschnittliche Entwicklung eines Warenkorbs. Etwa 650 verschiedene Dinge des mehr oder minder alltäglichen Gebrauchs sind hierin enthalten – von Brot und Fleisch über Bekleidung und Möbel bis hin zu Dienstleistungen von Hauspersonal, aber auch persönliche Gebrauchsgegenstände wie Kinderwägen oder Uhren. Wer sich für die komplette Zusammensetzung des aktuellen Warenkorbs interessiert, wird auf der Website des Statistischen Bundesamtes fündig. Die verschiedenen Güter werden anschließend in der Berechnung gewichtet: Wohnung, Wasser, Strom und Gas nehmen im Ranking einen höheren Stellenwert ein als beispielsweise Nahrungsmittel und Getränke. Letztere fallen aber stärker als die Kosten für Haustiere ins Gewicht und diese wiederum machen einen größeren Anteil als beispielsweise Glücksspiel aus. Die Ausgaben für Lebensmittel sind einer der größten Faktoren und nehmen somit auch mehr Einfluss auf den Verbraucherpreisindex.
Der Warenkorb muss kontinuierlich an die Lebensrealität der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger angepasst werden. Wird ein Produkt nicht mehr nachgefragt oder angeboten, muss es auch aus dem imaginären Warenkorb fliegen. Dabei wird die Gewichtung in einem Rhythmus von fünf Jahren auf Basis einer Haushaltsbefragung von 60.000 Teilnehmenden ermittelt. Berücksichtigt werden in dem Warenkorb auch qualitative Veränderungen von Produkten: Werden Smartphones beispielsweise leistungsfähiger, aber behalten ihren Preis, zählt das als Preissenkung. Auch Mengenänderungen werden eingerechnet: Reduziert ein Hersteller die Packungsgröße bei gleichbleibendem Preis, zählt dies als Preiserhöhung.
Die Schwächen des Warenkorbs
Egal, wie genau und zeitnah die Statistikerinnen und Statistiker den Warenkorb auch aktualisieren, es bleibt eben eine Durchschnittsbetrachtung. Dies ist zugleich der Kritikpunkt an der Betrachtung. Denn wie zutreffend ist der Durchschnitt? Die tatsächliche Verteilung der Konsumausgaben kann für bestimmte Bevölkerungsgruppen stark abweichen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit geben heutzutage Rentnerinnen und Rentner weniger Geld für Smartphones und Streamingdienste aus als für Medikamente. Dieses Verhältnis sieht bei 20-jährigen Jobstartern sicher anders aus. Ein weiterer Kritikpunkt besteht in der tatsächlichen Aktualität der Produkte, die sich im Warenkorb befinden. Zudem schwanken die Preise verschiedener Produktgruppen unterschiedlich stark. So kann bei Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entstehen, dass der statistische Warenkorb stark von der eigenen Einschätzung des Ausgabeverhaltens abweicht.
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79 Milliarden Euro vernichtet
Wie und durch welche Faktoren steigen nun die Preise? Prinzipiell basiert der Preis eines Guts schlicht und ergreifend auf Angebot und Nachfrage. Übersteigt die (gesamtwirtschaftliche) Güternachfrage das (gesamtwirtschaftliche) Güterangebot, das kurzfristig nicht erhöht werden kann, sind steigende Preise die Folge, die Inflation setzt ein. Die Preissteigerungen lösen die Frage nach höheren Löhnen aus, da Bürgerinnen und Bürger mehr für ihre bisherige Lebensführung bezahlen müssen. Wegen des höheren Einkommens steigt die Nachfrage nach Gütern an.
Die Inflation verteuert jedoch nicht nur die Produkte des täglichen Gebrauchs und Genusses. Sie frisst auch den Wert der Ersparnisse auf. Das bekommen Anlegerinnen und Anleger besonders schmerzhaft seit der Euro-Krise zu spüren. Die lockere Geldpolitik wesentlicher Notenbanken wie der Europäischen Zentralbank (EZB) schaffte de facto die Zinsen ab und vernichtete so Vermögen. Bei einer Inflationsrate von drei Prozent halbiert sich der Wert von unverzinstem Ersparten – also auf Girokonto und Tagesgeldkonten – binnen 24 Jahren.
Beträgt die Inflation fünf Prozent, ist die Kaufkraft bereits nach 14 Jahren um die Hälfte gesunken. Das ist besonders für die Bundesbürger bitter. Die Präferenz für Spar- und Tagesgelder ist hierzulande besonders ausgeprägt. Im Corona-Jahr 2020 steigerten die deutschen Sparerinnen und Sparer noch einmal ihre Sparquote von 10,9 Prozent auf 16,2 Prozent. Doch der fehlende Guthabenzins und die Inflation sorgten zwischen den Jahren 2017 und 2020 für einen Kaufkraftverlust von etwa 79 Milliarden Euro.
Die Vermögenspreisinflation
Eine dynamische Entwicklung erfahren auch die Vermögenspreise. Mehrere Entwicklungen begünstigen die hohen Preissteigerungen für Vermögenswerte. Da wäre einerseits die weiterhin expansive Geldpolitik der Zentralbanken und die fehlende Bereitschaft, die Zinsen bei steigender Inflation anzuheben. Die Angst vor der weiteren Geldentwertung ließ die Nachfrage nach Vermögensgütern wie Immobilien und Edelmetallen, aber auch nach anderen Sachwerten wie Kunst und Oldtimern stark steigen. „Zusätzlich haben Konjunkturmaßnahmen und andere fiskalische Hilfeleistungen weiterhin zu den steigenden Vermögenspreisen beigetragen“, erklärt Pablo Duarte, Senior Research Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute. Für das Jahr 2021 beträgt die Vermögenspreisinflation für private deutsche Haushalte 9,2 Prozent, wie das Institut berechnete.