"Es ist wichtig, dass man sich rasch einen Überblick über das Erbe verschafft"
Hilfe, ich Erbe. Was sind die ersten Schritte? Wie gehe ich mit der Erbschaft um? Wie lange kann ich ausschlagen? Antworten von Tatjana Rosendorfer, Nachlassexpertin beim VZ Vermögenszentrum.
Nehmen wir an, ich habe erfahren, dass ich erben werde, wie ist dann das grundsätzliche Vorgehen? Was sind die ersten Schritte?
Das ist je nach Situation sehr unterschiedlich. Aber in vielen Fällen sind dies die nächsten Schritte: Falls es möglicherweise noch weitere Erben gibt, ist man als Erbe verpflichtet, das Nachlassgericht darüber zu informieren. Als nächstes muss man überlegen, ob man das Erbe überhaupt annehmen möchte: Wer auf sein Erbe verzichten möchte, muss dem Gericht spätestens sechs Wochen nach Kenntnis über das Erbe mitteilen, dass er die Erbschaft ausschlägt.
Sonst gilt sie automatisch als angenommen. Dann ist zu prüfen, ob ein Erbschein beantragt werden muss. Mit einem Erbschein weist man nach, dass einem die Erbschaft zusteht. Wenn es Immobilien im Nachlass gibt, ist ein Erbschein zwingend notwendig. Sind die Formalitäten mit dem Nachlassgericht geregelt, muss man sich um die Abwicklung des Nachlasses kümmern. Das bedeutet: Offene Rechnungen bezahlen, sich mit den anderen Erben auseinandersetzen und gegebenenfalls Vermächtnisse erfüllen. Bei größeren Nachlässen ist es häufig sinnvoll, Unterstützung durch Experten einzuholen.
Man hat also sechs Wochen Zeit, das Erbe auszuschlagen. Wann kann das sinnvoll sein?
Niemand ist verpflichtet, eine Erbschaft anzunehmen. Sind die Schulden des Erblassers zum Beispiel höher als das Vermögen, kann es sinnvoll sein, die Erbschaft auszuschlagen. Es kann auch persönliche Gründe geben, beispielsweise wenn man mit dem Erblasser nichts zu tun haben möchte. Der Erbe muss die Ausschlagung persönlich beim zuständigen Nachlassgericht erklären oder eine schriftliche Ausschlagungserklärung mit einer notariell beglaubigten Unterschrift einreichen.
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Achtung: Sechs Wochen sind schnell vergangen. Es ist also wichtig, dass man sich rasch einen Überblick über die Erbschaft verschafft, damit man sich innerhalb dieser Frist richtig entscheiden kann. Schlägt man die Erbschaft aus, dann geht sie automatisch auf den- oder diejenigen über, die von der gesetzlichen Erbfolge vorgesehen sind. Liegt ein Testament vor, geht die Erbschaft auf die darin bestimmten Ersatzerben über. Wenn also ein Erbe Kinder hat und die Erbschaft ausschlägt, dann können die Kinder Erben werden. Dies muss man bei der Ausschlagung unbedingt berücksichtigen. Selbstverständlich können auch die Kinder die Erbschaft ausschlagen. Sind sie noch minderjährig, können das die Eltern für sie tun.
Sie haben es bereits angesprochen: Häufig erbt man nicht alleine. Wie sollte man also vorgehen, wenn es mehrere Erben gibt und Uneinigkeit herrscht?
Erbengemeinschaften sind oft sehr streitanfällig. Denn in einer Erbengemeinschaft gehört das Nachlassvermögen allen gemeinsam. Lässt sich die Erbschaft leicht aufteilen, wie zum Beispiel Bankguthaben oder Wertpapierdepots, dann kann jeder mit seinem Anteil seine Wege gehen. Bei Immobilien ist das deutlich schwieriger. Das Problem ist, dass sich alle Erben einig darüber sein müssen, was geschieht – also ob eine Immobilie zum Beispiel verkauft oder vermietet wird.
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Was also tun, wenn Uneinigkeit herrscht? Dann sollte man trotzdem versuchen, zu einer Einigung zu kommen, indem man möglichst alle Interessen berücksichtigt. Gelingt dies nicht, empfiehlt es sich, einen Experten zu Rate ziehen. Sogenannte Erbrechtsmediatoren und Mediatorinnen können als unparteiische Fachpersonen gemeinsam mit allen Erben eine Lösung für die Auseinandersetzung der Erbschaft erarbeiten. Denn man sollte unbedingt verhindern, dass es zu einem Rechtsstreit kommt: Dieser Weg ist teuer, zeitaufwendig und zerschlägt viel Porzellan zwischen den Erben.
Gehen wir davon aus, dass sich die Parteien vernünftig einigen. Wie gehe ich dann mit der Erbschaft um, wenn ich x-hunderttausend Euro geerbt habe?
Zuerst muss man prüfen, ob man die gesamte Summe behalten darf oder ob davon noch Erbschaftsteuer zu bezahlen ist. Im nächsten Schritt sollte man sich überlegen, was man mit dem einmaligen Geldsegen tun möchte: Meist ist es sinnvoll, die Summe aufzuteilen: Ein Teil sollte in eine Reserve fließen, damit man immer Geld für Notfälle und unvorhergesehene Ausgaben auf der hohen Kante hat.
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Ein weiterer Teil kann vielleicht dazu dienen, eigene Schulden zu tilgen. Ist die Erbschaft groß genug, dann empfehle ich, sich auch mal einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen und sich etwas zu gönnen. Der Rest kann in die eigene Altersvorsorge investiert werden. Meist ist es sinnvoll, sich hier von unabhängigen Experten beraten zu lassen.
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Und abschließend gefragt: Welche typischen Fehler machen Erben am häufigsten – und wie lassen sie sich vermeiden?
Zunächst ist die Freude sicherlich erst einmal groß, wenn der Erbe annehmen kann, dass sich die Erbschaft für ihn lohnt. Gibt es aber Anzeichen, dass der Erblasser überschuldet war, sollte man Nachforschungen anstellen und eine Ausschlagung der Erbschaft in Betracht ziehen. Hierfür hat der Erbe aber nur sechs Wochen Zeit ab dem Zeitpunkt, zu dem er über die Erbschaft informiert wurde. Wer Vermögenswerte erbt muss berücksichtigen, dass er unter Umständen nicht alles für sich behalten kann.
Zum einen muss Erbschaftsteuer bezahlt werden, wenn steuerliche Freibeträge überschritten werden. Zum anderen kann es pflichtteilsberechtigte Personen geben, die ihren Anspruch anmelden und ausgezahlt werden müssen. Hat man gemeinsam mit anderen geerbt, findet man sich in einer Erbengemeinschaft wieder. Da ist es wichtig, dass sich die Erben zusammensetzen und die Erbschaft und die Auseinandersetzung des Erbes regeln.