El Nino wirbelt Rohstoff-Märkte durcheinander
Alle zwei bis sieben Jahre taucht El Nino auf. Das sind extreme Wetter-Veränderungen in Nord- und Südamerika, Indien, Südostasien und Australien. Dabei verändern sich Temperatur und Niederschläge – sprich: in Regionen wie Indien wird es deutlich trockener bis hin zu erntevernichtenden und lebensgefährdenden Dürren. In Südamerika wird es hingegen nasser als gewöhnlich. Sind steigende Preise die logische Folge?
Ob Weizen, Reis und Baumwolle oder gar Öl und Industrie-Metalle – die Auswirkungen von El Nino sind vielfältig. Und langanhaltend. El Nino dauert im Schnitt zwölf Monate. Die Folgen wirken viel länger nach.
Beispiel Argentinien: Bereits jetzt ist das Land dürregeplagt und die Weizenpflanzen wachsen schlechter als gewöhnlich. Die Landwirte dort hoffen, dass demnächst Regenfälle – wie kürzlich in Australien – Besserung bringen. „Ansonsten dürfte der Weizenpreis in den kommenden Monaten durch die Dürren in wichtigen Exportländern tendenziell eher wieder steigen“, kommentierte Rohstoff-Experte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Schon jetzt ist klar: Australiens Weizenernte wird geringer ausfallen als im Vorjahr. Und folglich auch weniger exportieren. Ein Viertel des australischen Weizens geht üblicherweise nach China. Aber auch Vietnam, Südkorea, die Philippinen und Thailand importieren viel.
El Nino – es ist nicht nur das Wetter
Der Weizenpreis wird jedoch nicht nur vom Wetter beeinflusst, sondern nicht zuletzt auch von den Auswirkungen des aufgekündigten Getreide-Abkommens durch Russland mit der Ukraine. Vor allem Russland, Kanada oder die USA liefern viel Weizen. So sank der Weizenpreis im Oktober laut FAO Food Price Index um 1,9 Prozent. Insgesamt sanken weltweit die Lebensmittelpreise auf ein Zwei-Jahrestief, zeigt der FAO Food Price Index.
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Anders bei Reis. Im Sommer war er so teuer wie seit 15 Jahren nicht mehr. Zu wenig Wasser sorgte die Bauern in Indien als einen der größten Reis-Erzeuger. Indien schränkte daraufhin seine Exporte ein und erhob Zölle auf einige Reissorten. So wollte Indien die heimische Versorgung sicherstellen und die Preise auf dem Binnenmarkt im Zaum halten. Die Weltmarktpreise hatten kurz darauf wieder nachgegeben, zumindest etwas. Von den Export-Beschränkungen Indiens wiederum profitiert Thailand und exportiert nun selbst 20 Prozent mehr.
Nicht immer ist El Nino schuld
Doch nicht immer ist El Nino für Preisanstiege verantwortlich. Zucker wurde nämlich vor allem wegen gestiegener Ölpreise teurer, auch wenn auf den ersten Blick ein Zusammenhang schwer zu erkennen ist – doch es gibt ihn:: Zucker-Bauern in Brasilien als einem der weltgrößten Exporteure haben nämlich einen Teil ihrer Ernte zu Bioethanol verarbeiten lassen. Dieses Bioethanol wird auch nach Deutschland und in die EU exportiert, wo hohe Zuckerzölle das weiße Gold aus Brasilien meist außen vor lassen. Dennoch – es wurde weniger Zuckerrohr zu Zucker verarbeitet. Das Ergebnis: Zucker ist 50 Prozent teuer auf Jahressicht– auch wenn im Oktober die Preise zum Vormonat leicht nachgaben.
Die Aussichten für die Baumwoll-Ernte sind hingegen durchwachsen, erklärt Carsten Fritsch: In Australien könnten die jüngsten Regenfälle geholfen haben. Der wenige Monsunregen in Indien wird aber womöglich die Ernte auf dem Subkontinent schmälern…
El Nino wirkt auch positiv
Einige positive Preis-Effekt durch El Nino wären allerdings auch zu erwarten. Ist das Wetterphänomen stark ausgeprägt, dürfte der Winter in Teilen der USA mild ausfallen. „Dies wiederum drückt auf den Öl- und Gaspreis, da Haushalte weniger Öl und Gas verbrauchen, um ihre Gebäude zu heizen“, kommentiert die Commerzbank. Allerdings würden viele weitere Faktoren Einfluss auf die Öl- und Gaspreise nehmen wie etwa die Kriege in der Ukraine und in Israel.
Analystin Thu Lan Nguyen weist auf Kupfer hin, das vor allem in Chile, Peru und Australien gefördert wird und dessen Preis erheblich von El Niño beeinflusst werden könnte: „In der Vergangenheit führte El Niño dazu, dass aufgrund starker Regenfälle in Chile und Peru die Minenproduktion teilweise aufgrund von Erdrutschen und Überschwemmungen temporär eingestellt werden musste und der Transport beeinträchtigt wurde. Aufgrund dessen lässt sich ein Anstieg im Kupferpreis erwarten.“
Andernorts – nämlich trockeneren Regionen wie Australien oder Südostasien – wird die Förderung von Metallen wie Nickel sogar eher positiv beeinflusst, weil weder Überschwemmungen noch Stürme die Produktion lahmlegen. „Hier lässt sich jedoch keine nennenswerte Preisänderung aufgrund von El Niño erwarten“, erklärt die Expertin.
All das hat aber auch mittelbare Auswirkungen hier zu Lande: Preiserhöhungen und Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln wie Reis haben bereits die Verbraucher stutzig gemacht. In anderen Regionen wie etwa in Afrika werden hingegen Lebensmittel so knapp, dass noch mehr Hungersnot um sich greift und in der Folge noch mehr Menschen aus der Region fliehen.
Auch in der Wirtschaft sind die Folgen von El Nino vielfach spürbar. So treiben Naturkatastrophen die Schäden für Versicherer in die Höhe. Erst kürzlich hatte das US-amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration’s Climate Prediction Center vor einer außergewöhnlich schadenstarken Hurrikansaison in der Atlantik-Region gewarnt und dies vor allem mit der Fortsetzung von El Nino begründet. Und der Klimawandel verstärkt El Nino zusätzlich. Betroffen sind davon auch die Versicherer.
Der Schaden, den Naturkatastrophen anrichten, ist immens. Vor allem müssen auch die Schäden für die Wirtschaft in den Folgejahren eingerechnet werden. Wissenschaftler des Dartmouth College im New Hamsphire haben das getan: Danach liege der ökonomische Verlust für die fünf nach El Nino bei Billionen: Sie ermittelten wirtschaftliche Verluste nach El Nino 1997/98 von 5,7 Billionen US-Dollar im Verhältnis zu einer Zeit ohne das Wetter-Phänomen. Die Forscher schätzen, dass allein der Nino 2023 die Weltwirtschaft bis 2029 bis zu 3 Billionen Dollar belasten könnte. Für 2020 bis 2099 ermittelten die Wissenschaftler einen weltweiten Verlust von 84 Billionen US-Dollar.
„Wir können mit Sicherheit sagen, dass Gesellschaften und Volkswirtschaften nicht einfach einen Schlag einstecken und sich wieder erholen“, berichten die Forscher Christopher Callahan und Justin Mankin. Vielmehr würden ihre Daten darauf hindeuten, dass ein Abschwung nach El Niño bis zu 14 Jahre dauern kann, wenn nicht länger.
„In den Tropen und an Orten, die die Auswirkungen von El Niño zu spüren bekommen, kommt es zu einem anhaltenden Phänomen, bei dem sich das Wachstum um mindestens fünf Jahre verzögert“, sagte er. „Die Gesamtkosten dieser Ereignisse wurde noch nie vollständig beziffert – man muss das gesamte verlangsamte Wachstum in der Zukunft addieren, nicht nur zum Zeitpunkt des Ereignisses“. Ende des Jahres soll El Nino seinen Höhepunkt erreichen und bis April weitergehen, so meteorologische Vorhersagen. Die Folgen sind schon jetzt immens.