Deutsche Auto-Hersteller zwischen Standort-Wahn und Elektro-Krampf
Die deutschen Auto-Hersteller verdienen nach wie vor gut. Aber mit Verbrennern. Sie haben immer noch mit der Elektro-Mobilität zu kämpfen. Aber die ist nicht das einzige Sorgenkind der Konzerne.
„Wir sind auf einer gefährlichen Rutschbahn nach unten“, hatte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie VDA, Hildegard Müller, kürzlich in einem Interview gesagt. Die Energiewende laufe in Deutschland zu schleppend, viele neue Gesetze überforderten Unternehmen und Bürger, die Materialversorgung sei absurd.
Diese Standortnachteile sind allerdings nicht die einzigen Probleme der Automobil-Industrie. Die Elektro-Mobilität scheint viele Hersteller zu überfordern. Modelle kommen schleppend auf den Markt, verursachen hohen Kosten und kommen bei den Kunden nicht gut genug an. Symptomatisch dafür ist China:
China: Unerbittlicher Wettbewerb im Auto-Segment
Vor allem auf dem weltgrößten Automarkt, in China, ist der Wettbewerb unerbittlich. Der heimische Hersteller BYD – Build your Dreams – verkaufte im ersten Halbjahr fast 30 Prozent mehr E-Autos als Vorreiter Tesla. Erst vor wenigen Monaten hatte BYD nach 40 Jahren VW die Marktführerschaft in China abgenommen. Jedes zweite E-Auto der Welt fährt im Reich der Mitte. Es ist der wichtigste Markt für Elektroautos.
VW steigt nun beim chinesischen Hersteller XPeng ein. Beide wollen gemeinsam zwei neue Mittelklasse-Modelle entwickeln, die 2026 in China auf den Markt kommen sollen. VW braucht diese Hilfe: Im ersten Halbjahr hat der deutsche Autokonzern in China nicht einmal 40.000 E-Autos verkauft, BYD eine halbe Million. Modelle, Ausstattungen und Preise von VW gehen am chinesischen Markt vorbei. Die Kunden dort kaufen immer mehr heimische Marken. Wachstum erreicht VW in China vor allem mit Verbrennern. Und deren Tage sind gezählt. Die deutsche Automobil-Industrie scheint aber zu hoffen, dass diese Tage noch fern sein möge.
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Mercedes schließt aber eine gemeinsame Plattform mit einem chinesischen Hersteller, wie VW jetzt entschieden hat, aus. Hohe Kosten und auch die Nachfrage in China machen auch Mercedes zu schaffen. Dennoch stehen im ersten Halbjahr höhere Umsätze und mehr Gewinn in der Bilanz, weil Mercedes vor allem für seine Luxus-Modelle deutlich höhere Preise durchsetzen konnte. Aber auch Mercedes verkauft weniger E-Autos als gedacht. Die Verbrenner machen auch hier noch den Löwenanteil aus. Und das wird vorerst so bleiben. Allein in China hat Mercedes rund drei Prozent Anteil an den Elektroauto-Verkäufen.
Selbst Porsche hat in China Schwierigkeiten mit Elektro
Selbst die VW-Tochter Porsche, der profitabelste Auto-Hersteller der Welt, hat im Elektro-Geschäft Schwierigkeiten. Der Taycan als bislang einziges Elektro-Auto von Porsche, wird in China im ersten Halbjahr weniger nachgefragt, während insgesamt acht Prozent mehr Autos ausgeliefert werden konnten. Einfacher wird es auch nicht dadurch, dass der SUV Macan noch nicht als Elektro-Version in China starten konnte. Software-Probleme. Es wird 2024, bis der Macan elektrisiert ist.
Indessen setzt auch BMW immer mehr auf Elektro-Autos, hat allein in den ersten sechs Monaten des Jahres mehr als drei Milliarden in Forschung und Entwicklung investiert. Die E-Auto-Quote der Münchener liegt bei knapp 13 Prozent. Dennoch zeigten die Halbjahreszahlen von BMW kürzlich: Das Geld wird mit Verbrennern verdient. Und das trotz oder gerade wegen höherer Preise bei diesen Antriebsvarianten.
Die Rabattschlacht greift um sich
Und während die deutschen Hersteller versuchen, ihre hohen Kosten für die Elektro-Mobilität in den Griff zu bekommen, bläst der Wind noch rauer. Es tobt eine heftige Rabattschlacht auf dem Markt für E-Autos. Im Juli wurden im Schnitt 14 Prozent Rabatt für Elektro-Autos gewährt. Selbstverständlich gibt es große Unterschiede zwischen Marken und Modellen. Doch die Preisschlacht ist nun auch in Europa und Deutschland angekommen. Angefacht von Tesla.
Trotzdem fahren in den USA, China und Europa mehr E-Autos als vor einem Jahr. Im ersten Halbjahr gut ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum, berichtete das Center of Automotive Management. Vier Millionen Stromer. Die meisten verkaufte Tesla (59 Prozent) gefolgt von BYD (plus 90 Prozent) Analysten fordern dennoch mehr günstige Elektro-Modelle, um die Trendwende weitreichend zu vollziehen. Dann würden die Hersteller ihre Kosten tragen können und die Verbraucher auch eher die Modelle kaufen.
Spuren auch an der Börse
Herausforderungen, die sich auch an den Aktienkursen ablesen lassen: Seit Jahresbeginn hat die VW-Aktie – von zwischenzeitlichen Hochs abgesehen – kaum hinzugewonnen. BMW sind um ein Fünftel gestiegen, Mercedes-Aktien immerhin um zwölf Prozent. Tesla hingegen hat sich allein in diesem Jahr bis dato nahezu im Kurs verdoppelt. Die chinesische BYD-Aktie legte um gut 30 Prozent zu, Nio um rund 50 Prozent. Auch die Analysten differenzieren zwischen den Herstellern stark.
Bei Mercedes sollten auch die kommenden Quartale gut laufen, schrieb Analyst Michael Punzet von der DZ Bank, weil vor allem die Nachfrage bei Luxus-Modellen hoch sei und die Auftragsbücher gut gefüllt seien. Auch für VW sei er mittelfristig optimistisch angesichts der Größenvorteile. Goldman schrieb Mercedes ein solides zweites Quartal zu. Bei BMW bemängelte JP Morgan – wie andere Experten auch – die niedriger als erwartete Marge im Autogeschäft. Aber insgesamt sei die Geschäftsentwicklung stark.
Wer hier investiert, muss sich der Risiken wohl bewusst sein. Eine breite Streuung ist dabei besonders ratsam. So sind der iShares Electric Vehicles & Driving Technology UCITS ETF (WKN: A2N9FP), der Lyxor MSCI Future Mobility ESG Filtered (DR) UCITS ETF (WKN: LYX0ZJ) und der Xtrackers Future Mobility UCITS ETF (WKN: A2N6LL) unter den größten und etablierten Produkten am Markt. Aber ein vorsichtiger Fahr- bzw. Investitionsstil ist hier sicher kein Schaden.