André Kostolany
Der Börsenphilosoph
Ursprünglich auf den Spuren eines Kunstkritikers wandelnd, entwickelte sich Kostolany schnell zu einem der renommiertesten Finanzexperten des 20. Jahrhunderts. Mit seiner einzigartigen Philosophie und den berühmten vier Gs – Geduld, Geld, Gedanken und Glück – prägte er die Kunst des erfolgreichen Investierens.
Kostolanys kluge Börsenweisheiten, wie „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an“, sind zeitlose Ratschläge, die Anlegerinnen und Anleger weltweit inspirieren.
Anfänge des Kostolany
André Bertholomew Kostolany, geboren 1906 in Ungarn als jüngster Sohn einer wohlhabenden Industriefamilie, wünschte sich schon in jungen Jahren, später einmal dem Beruf des Kunstkritikers oder Musikers nachzugehen, weshalb er nach seiner schulischen Ausbildung zunächst ein Studium der Philosophie und Kunstgeschichte absolvierte. Schnell jedoch entwickelte er sich, entgegen seiner anfänglichen Wünsche, zu einem der bekanntesten Börsen- und Finanzexperten.
Im Anschluss an sein Studium schloss er auf Bitten seiner Eltern Mitte der 1920er Jahre eine Lehre bei dem französischen Börsenmakler Adrien Perquel ab. Das dort gesammelte Wissen („Die Kursentwicklung hängt allein davon ab, ob mehr Dummköpfe als Papiere da sind oder mehr Papiere als Dummköpfe!“) bildete schließlich die Grundlage für seine psychologisch orientierte Handelsstrategie, die er erstmals Ende der 1920er Jahre auf russische Aktien erfolgreich anwandte.
Im Zuge des Zweiten Weltkriegs floh er nach Amerika und fungierte dort bis zum Jahre 1950 als Generaldirektor, Präsident und Hauptaktionär der G. Ballai and Cie Financing Company. Nach erfolglosen Bewerbungen an der Wall Street kehrte Kostolany am Ende des Krieges nach Paris zurück.
Bis in die heutige Zeit ist sein Erfolg im Handel mit deutschen Auslandsanleihen in Nachkriegszeiten unvergessen. Damals kaufte er Anleihen in Paris zu einem Preis von 250 Franc das Stück, um sie einige Jahre später zu einem Preis von 35.000 Franc wieder zu verkaufen. Im Jahre 1957 erschien sein erstes Buch, auf welches noch elf weitere folgen sollten. Zudem verfasste er zahlreiche Kolumnen, die ihn vor allem in Deutschland und Frankreich als „Börsenguru“ bekannt werden ließen. Bis zu seinem Tode am 14. September 1999 blieb die Börse seine große Leidenschaft und so sollte er auch mit seiner Prognose des Platzens der heute als Dotcom-Blase bekannten Übertreibung an den internationalen Finanzmärkten Anfang des 21. Jahrhunderts Recht behalten.
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Kostolanys Philosophie der vier Gs
Auf Geduld beruht eine seiner zentralen Forderungen für ein erfolgreiches Engagement an der Börse. Ihm zufolge kauft und verkauft die Masse häufig zum falschen Zeitpunkt. Fehlende Geduld auf steigende Kurse zu warten bzw. bei steigenden Kursen auszusteigen, sind häufig Eigenschaften, die ein profitables Engagement verhindern.
Eine weitere Säule von Kostolanys Philosophie findet sich in der Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitals. So muss zunächst ausreichend Geld vorhanden sein, um neues Kapital erwirtschaften zu können. Sein Zitat: „Wer viel Geld hat, kann spekulieren, wer wenig Geld hat, darf nicht spekulieren, wer kein Geld hat, muss spekulieren“, vermittelt die Notwendigkeit eines gewissen Grundkapitalstocks des Anlegers, um erfolgreich handeln zu können.
Der Anleger sollte neben Geduld und Geld auch über eine gewisse Vorstellungskraft verfügen. Die Säule Gedanken erinnert den Anleger daran, dass er sich immer bewusst sein muss, warum und was er gerade handelt. Kostolany setzte sich stets sehr intensiv mit dem jeweiligen Investment auseinander und tätigte es nur, wenn er es vollständig verstanden hatte. Er wägte stets den Wunsch nach Rendite im Verhältnis zum erträglichen Risiko ab, nachdem er zuvor, durch intensive Analyse, eine Kurssteigerung für realistisch erachtete.
Neben den ersten drei Säulen ist auch das Glück von elementarer Bedeutung in Kostolanys Handelsansatz und stärkt vor allem das Selbstvertrauen der Anlegerinnen und Anleger. Das Ausbleiben von Glück in der Anlage führt schnell zu Verlust von Fantasie und Geduld, wodurch eine Handelsstrategie nach Kostolany aufgrund des Verlustes von zwei der vier Säulen unmöglich wird.
Kostolanys Weisheiten
Kostolanys Weisheiten werden noch immer in Form von Zitaten aufgegriffen. So umschrieb er seine Investmentphilosophie mit der Formel 2+2=5–1, mit der er den Grundpfeiler Geduld untermauerte, denn häufig tritt das gewünschte Endresultat nur über Umwege ein. Sein berühmtes Zitat:
,,Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich“
, wird häufig als eine starke Befürwortung Kostolanys der Buy-and-Hold-Strategie verstanden.
Allerdings wies Kostolany Anlegerinnen und Anleger insbesondere darauf hin, nicht der Hysterie der Massen zu verfallen und Titel zu günstig abzustoßen. Angeblich entstand dieser Handlungsansatz aus Kostolanys Erlebnis mit seinem Onkel, der, nachdem ein kreditfinanziertes Aktiengeschäft nicht aufgegangen war, einen Nervenzusammenbruch erlitt und ins Koma versetzt wurde. Nach circa vier bis sechs Wochen wurde sein Onkel geweckt – die Kurse hatten sich inzwischen erholt und der finanzielle Verlust des Onkels reduziert.
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Das Ei des Kostolanys
Kostolanys Strategie war schwerpunktmäßig antizyklisch ausgelegt und bediente sich Elementen aus der Behavioral Finance, noch bevor diese als eigenständige Wissenschaft bekannt war. Seine Strategie wird in dem „Ei des Kostolanys“ zusammengefasst. Für ihn besteht jeder Handelszyklus aus drei Phasen: die Phase der Korrektur, die Phase des Stimmungsumschwungs und die der Übertreibung.
Kaufen sollte man bereits in der Übertreibungsphase der Abwärtsbewegung, vor allem wenn hohe Umsätze auf panische Verkäufe hindeuten. Kostolany stockt diese Position in der ersten Phase der Aufwärtsbewegung weiter auf. Die Position sollte während der letzten Haussephase mit hohen Umsätzen aufgelöst werden, spätestens jedoch in der ersten Baissephase mit niedrigen Umsätzen. In den Phasen der Stimmungsschwankungen kommt die oft betonte Geduld zu tragen. Kostolany empfiehlt Anlegerinnen und Anlegern, in diesen Phasen nicht zu handeln und abzuwarten. Dort kommen im übertragenen Sinne die Schlaftabletten zum Einsatz. Ein Wiedereinstieg sollte erfolgen, wenn selbst negative Nachrichten die Kurse nicht weiter belasten und Papiere guter Unternehmen günstig zu erwerben sind.
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