Elliot Hentov (State Street Global Advisors): "Das Wachstumsmodell in China hat Probleme"
Immobilienkrise, Reformstau, schwächeres Wachstum – was ist los mit China? Elliot Hentov, Leiter des Policy Research bei State Street Global Advisors, gibt Antworten.
Herr Hentov, soll die Wirtschaft in China weiterhin stark wachsen, schlagen Sie zwei Modelle vor: Umfassende Strukturreformen oder das Exportüberschussmodell zu fördern. Wie kommen Sie zu dieser Annahme?
Das bestehende Wachstumsmodell hat eindeutig Probleme. Die starke Abhängigkeit von Investitionen als BIP-Wachstumsmotor (in Form von Infrastruktur- und Immobilieninvestitionen) ist nicht mehr tragfähig.
Die grundlegenden makroökonomischen Prinzipien legen nahe, dass entweder der Konsum oder die Nettoexporte dies ausgleichen. Für den Konsum braucht man einen strukturell höheren Anteil des Einkommens der Haushalte oder höhere Steuerausgaben – beides erfordert massive Reformen. Andernfalls bleibt nur der Außenhandel.
Der hohe Investitionsanteil ist Ausdruck der hohen nationalen Ersparnisse. In vielerlei Hinsicht „sparen“ die chinesischen Haushalte zu viel, da sie einen geringeren Anteil des Volkseinkommens erhalten und die öffentlichen Dienstleistungen (z. B. Gesundheitsversorgung, Renten, Bildung) unzureichend sind, was bedeutet, dass sie für diese Zwecke mehr sparen müssen. Eine Änderung der Steuerausgaben, um den Sparzwang zu verringern, wäre also eine der vielen notwendigen Strukturreformen.
Welche Wachstumsraten sehen Sie, wenn die chinesische Regierung die Strukturreformen nicht angeht?
Kurzfristig sehen wir immer noch ein Wachstum in der Nähe von fünf Prozent, das sich bis 2024 weitgehend auf diesem Niveau halten wird. Danach könnte das Wachstum jedoch auf drei Prozent sinken, wenn der Status quo bestehen bleibt und der geringere Investitionsanteil durch nichts ersetzt wird.
Für den Immobilienmarkt kommen die Forderungen nach Reformen wohl etwas zu spät. Was hat sich dort im Immobiliensektor abgespielt?
Alle Reformen zielen nun darauf ab, den Sektor zu stabilisieren, nicht ihn wiederzubeleben. Langfristig machen wir uns keine Sorgen über ein Überangebot an Wohnungen, aber wir glauben, dass es Jahre dauern wird, bis die Ungleichgewichte beseitigt sind. Mit anderen Worten: Der Immobiliensektor wird in den kommenden Jahren keinen Wachstumsbeitrag leisten. Er offenbart auch strukturelle Probleme, zum Beispiel die Beschränkungen für chinesische Investoren, ihre Portfolios zu diversifizieren. Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften haben die chinesischen Haushalte den höchsten Anteil ihres Vermögens in Immobilien gebunden. Ein weiteres Problem ist die Abhängigkeit der lokalen Regierungen von der Erzielung von Einnahmen zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen, für die sie in hohem Maße auf Grundstücksverkäufe an Bauträger als Einkommensquelle angewiesen sind.
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Welche Auswirkungen sehen Sie in Bezug auf Anleiherenditen und den Aktienmarkt?
Die Auswirkungen auf die Anleihemärkte sind klar: Die Renditen werden in den kommenden Jahren wahrscheinlich nicht wesentlich steigen. Die Aktienmärkte zeigen ein gemischtes Bild: Einige Sektoren sind nach wie vor Gewinner des industriellen Wandels, während andere mit geopolitischem und innenpolitischem Gegenwind zu kämpfen haben.
Der chinesische Aktienmarkt unterteilt sich in verschiedene Rubriken (A-, B- und H-Aktien). Können Sie bitte kurz die Unterschiede erläutern?
A-Aktien sind Wertpapiere von Unternehmen mit Sitz auf dem chinesischen Festland, die an den Börsen von Shanghai oder Shenzhen gehandelt werden und auf Renminbi (chinesischer Yuan) lauten. A-Aktien können nur von Personen mit Wohnsitz in der Volksrepublik China (VRC), oder über „Qualified Foreign Institutional Investor“ (QFII), die „Renminbi Qualified Foreign Institutional Investor“ (RQFII) Regelung oder Stock Connect-Programme gehandelt werden.
Tipp: Hier findest du sämtliche ETFs auf den chinesischen Aktienmarkt. Übertreibe es allerdings nicht und setze auf weltweite Streuung. |
B-Aktien sind Wertpapiere von Unternehmen mit Sitz in Festland-China, die entweder an der Börse von Shanghai oder Shenzhen gehandelt werden. Sie werden an der Shanghai Stock Exchange in US-Dollar und an der Shenzhen Stock Exchange in Hongkong-Dollar gehandelt. Sie können von internationalen Anlegern und auch von in der Volksrepublik China ansässigen Personen mit entsprechenden Fremdwährungskonten gehandelt werden.
H-Aktien sind Wertpapiere von Unternehmen mit Sitz in Festland-China, die an der Börse von Hongkong gehandelt werden. Sie werden in Hongkong-Dollar gehandelt. Wie bei anderen Wertpapieren, die an der Hongkonger Börse gehandelt werden, gibt es keine Beschränkungen für die Personen, die mit H-Aktien handeln dürfen.
Welche dieser Aktiengattungen ist für private ETF-Anleger am geeignetsten und warum?
Alle (A-, B-, H-Aktien) können für den Aufbau eines Engagements in chinesischen Aktien verwendet werden, aber die A-Aktien sind der größte Markt nach Anzahl der Unternehmen und Marktkapitalisierung. Die MSCI-Standardindizes umfassen alle chinesischen Aktiengattungen, aber H- und B-Aktien werden vollständig einbezogen. A-Aktien sind jedoch auf 20 Prozent der Marktkapitalisierung begrenzt, da diese nur für qualifizierte ausländische Anleger oder über das Stock Connect-Programm erhältlich sind. MSCI hat sich dafür entschieden, das Engagement zu begrenzen, da der Handel mit diesen Aktien zusätzlichen Anforderungen unterliegt. Die breit angelegten Aktienindizes für Schwellenländer, wie der MSCI EM Equity, weisen ein Engagement in chinesischen Aktien von etwa 30 Prozent auf. Diese Indizes bieten eine breite Diversifizierung in China und andere Schwellenländermärkte, und es sind viele ETFs verfügbar, wie unser SPDR MSCI Emerging Markets UCITS ETF (WKN: A1JJTE).