7. Dezember 2023
Carsten Mumm: "Im Frühjahr 2024 ist der Zinsgipfel erreicht"

Carsten Mumm: "Im Frühjahr 2024 ist der Zinsgipfel erreicht"

Wahlen in den USA und die Diskussionen über einen möglichen Zinsgipfel. Ein Gespräch mit Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel.

Herr Mumm, in den kommenden Monaten werden sich die Blicke Richtung USA richten. Inwiefern dürfte der US-Wahlkampf die Aktienmärke bewegen?

Im US-Wahlkampf wird es natürlich zunächst vor allem um innenpolitische Dinge gehen. Gerade das Thema, wie die USA mit ihrem Haushaltsdefizit und generell mit der Verschuldung umgehen werden, wird interessant. Insgesamt sind die USA nach wie vor ein tief gespaltenes Land. Daneben wird es sehr stark auch um außenpolitische Themen gehen, also die Unterstützung der Ukraine oder die Art und Weise, wie mit China umgegangen wird.

Sie spielen auf Biden und Xi Jinping an.

Ich denke, Biden und Xi Jinping haben bei ihrem Treffen durchaus einen Fortschritt erzielt, was die Beziehungen der beiden Länder stärken sollte. Die Gesprächsbereitschaft scheint auf beiden Seiten da zu sein. Das würde ich unter einem möglichen Präsidenten Trump gefährdet sehen. Aber ich denke, dass zunächst einmal der Wahlkampf auf die Börse selbst relativ wenig Einfluss haben wird. Viel entscheidender für die Aktienmärkte ist die Zinsentwicklung. Trotz der geopolitischen Entwicklungen sehe ich diese seit der Zinswende Mitte 2022 als wichtigsten Faktor für die Börsen an. Das mögliche Erreichen des Zinsgipfels nährt die Hoffnung der Aktionäre.

Carsten Mumm (links) im Gespräch mit extraETF-Redakteur Thomas Brummer.
Carsten Mumm (links) im Gespräch mit extraETF-Redakteur Thomas Brummer.

Sehen wir bald den Zinsgipfel?

Der Zinsgipfel deutet sich an – sowohl in den USA als auch in Europa. Die Zinsen am langen Ende sind zuletzt bereits deutlich gefallen und dürften weiter nachgeben. Mit Blick auf 2024 gehe ich auch von Zinssenkungen der Notenbanken aus. Die Diskussionen darüber werden wir in den USA und Europa schon in den kommenden Monaten erleben. Ich rechne mit einer ersten Leitzinssenkung in den USA im Frühjahr.

Wie kommen Sie zu dieser Annahme?

Ein Grund dafür ist, dass wir mittlerweile deutlich sinkende Inflationsraten gesehen haben. Die Teuerung wird weiter zurückgehen. Daneben dürften wir in den USA eine konjunkturelle Abkühlung sehen. Bereits der letzte Arbeitsmarktbericht war klar schwächer. Außerdem sind die Einkaufsmanagerindizes mau ausgefallen. Auch wenn die wirtschaftliche Dynamik in den USA immer noch robuster ist als in der Eurozone, bleibt eine kurze Rezession in den USA denkbar. Das wiederum würde der US-Notenbank (Fed) Räume ermöglichen, eine Leitzinssenkung im Frühjahr vorzunehmen. Ich halte es für realistisch, dass wir bis zu zwei weitere im Sommer sehen. Dann dürfte erstmal eine Pause eintreten, da man nicht allzu nah am US-Wahltermin im November aktiv werden will. Die Fed könnte somit in Vorleistung gehen.

Tipp: Im Rahmen des Treffens mit Carsten Mumm haben wir außerdem über die neue Weltordnung, die Rolle Deutschlands und Chancen für Anleger gesprochen. Diesen Teil des Interviews findest du ab Ende Januar in der Extra-Magazin-Ausgabe 2/2024. Schau also gleich zu unserem Shop.

Wie sieht es in Europa aus?

Wenn das eben beschriebene Szenario so eintritt, dann sehen wir in Europa eine zaghafte zyklische Belebung. Die Wachstumsdifferenz im Vergleich zu den USA dürfte sich somit verringern. Und falls die Fed die Zinsen vor der Europäischen Zentralbank (EZB) senken wird, dann nähert sich auch die Zinsdifferenz an. Der Euro sollte daher 2024 aufwerten. Der festere Euro wird dann dafür sorgen, dass die Importe in die Eurozone günstiger werden. Das dürfte zu Preisbasiseffekten etwa über die Energiepreise führen, was wiederum die Inflation senken würde. Auf den Punkt gebracht: Die EZB dürfte schon kurz nach der Fed die Zinsen reduzieren.