
"Viele Menschen wissen oft nicht, wie sie Geld anlegen sollen"
ETF-Emittent VanEck wird 70. Europa-Chef Martijn Rozemuller erklärt, warum Themen-ETFs Sinn machen, wie er Trends entdeckt und warum es keinen VanEck-Welt-ETF gibt.
70 Jahre VanEck und 30 Milliarden Dollar Assets under Management (AuM) sind beeindruckende Zahlen. Bei den AuM handelt es sich um eine Verzehnfachung binnen fünf Jahren. Was ist das Geheimnis des VanEck-Erfolgs?
Martijn Rozemuller: Einzigartige Produkte und ein starkes Team sind der Schlüssel zu unserem Erfolg. Seit 70 Jahren prägt Innovationskraft unseren Ansatz, wir beobachten die Welt, um Chancen und Risiken früh zu erkennen und Anlagelösungen mit echtem Mehrwert zu entwickeln. Ebenso wichtig ist unsere langfristige Konsequenz: Wir haben über viele Jahre an unserem Ansatz festgehalten und so nachhaltigen Erfolg aufgebaut. Natürlich gehört auch ein wenig Glück dazu, zur richtigen Zeit im richtigen Markt aktiv zu sein. Unser Wachstum profitiert von der positiven Marktentwicklung, doch wir konnten uns deutlich über dem Branchendurchschnitt positionieren. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist unsere Nähe zu den Kunden. Wir hören genau zu und setzen ihre Wünsche um, wie etwa beim Defense ETF, der teilweise auf Kundenanfragen zurückgeht.
Welchen Anteil am verwalteten Vermögen bzw. am VanEck-Erfolg nehmen Privatinvestoren ein?
Rozemuller: Privatanleger spielen für uns eine zentrale Rolle (auch wenn ihr Anteil schwer exakt zu beziffern ist, da wir keine direkten Einblicke in unsere Investoren erhalten). Wir schätzen, dass rund die Hälfte unseres verwalteten Vermögens von Privatanlegern stammt, was deutlich über dem Branchendurchschnitt liegt. Das ist für uns ein positives Signal, weil es zeigt, dass wir nah am Markt sind und wir besonders in Europa auch immer mehr Menschen eigenverantwortlich zum Investieren motivieren können. Mir ist es deutlich lieber, wenn eine Million Privatanleger den Kapitalmarkt Schritt für Schritt für sich entdecken, als wenn nur einige wenige Profis mit großen Summen agieren.
| Tipp: Du bist auf der Suche nach einem Themen-ETF? In der ETF-Suche auf extraETF.com wirst Du sicher fündig. |
Wie sieht es denn bei den Profis aus? Aus welchen Bereichen stammen Ihre institutionellen Kunden?
Rozemuller: Was reine institutionelle Kunden angeht, sind derzeit Versicherungen, Pensionsfonds und Stiftungen bei uns investiert. Wenn man die Definition auf professionelle Kunden erweitert, so haben wir eine große Zahl von Kunden aus den Bereichen Asset Management und diskretionäres Portfolio Management bei Banken.
Ihrer Meinung nach sind ETFs mit einem Fondsvermögen von weniger als 50 Millionen US-Dollar unprofitabel. Von 27 in Deutschland handelbaren VanEck-ETFs fallen sieben Portfolios unter diese Grenze. Ist das problematisch und wann müssen sich Anleger Sorgen machen, dass sie diese Portfolios schließen?
Rozemuller: Es stimmt, dass viele Strategien erst ab etwa 50 Millionen US-Dollar wirtschaftlich tragfähig sind. Diese Schwelle ist aber kein Ausschlusskriterium. Entscheidend ist für uns, ob wir weiterhin an die langfristige Investmentthese des Produkts glauben. Viele Themen, die auf strukturellen Entwicklungen basieren, brauchen oft Zeit, um sich zu entfalten. Ein gutes Beispiel ist unsere Weltraum-Strategie: Das Fondsvolumen lag nach dem Launch lange unter 20 Millionen US-Dollar, ein Wettbewerber stellte ein vergleichbares Produkt sogar ein. Wir sind überzeugt geblieben – heute verwaltet der ETF über 500 Millionen US-Dollar. Natürlich kann es trotzdem bei uns eine Strategie geben, bei der sich die Investmentthese im Laufe der Jahre wandelt.
Eine Studie der Ohio State University kommt zu dem Schluss, dass viele Themen-ETFs in den ersten fünf Jahren keine positive Rendite erwirtschaften. Hand aufs Herz: Welchen Mehrwert liefern Themen-ETFs?
Rozemuller: Themen-ETFs sind eine Ergänzung und eine Möglichkeit, an strukturellen Entwicklungen teilzunehmen, die über Jahre laufen. Das funktioniert nur mit Geduld. Wer ständig den „schnellen Gewinn“ sucht, wird ungeduldig. Aber wer Themen als Bausteine im langfristigen Portfolio versteht, kann davon profitieren, auch emotional, weil man bewusst an Zukunftstrends teilnimmt. Dabei ist die Diversifikation entscheidend: Wir machen unsere Kunden immer darauf aufmerksam, dass thematisches Investieren am besten funktioniert, wenn man über mehrere Themen diversifiziert und nicht nur ein einziges auswählt. Außerdem sollte der thematische Anteil eines Portfolios eher kleiner sein und durch einen größeren Kernanteil ergänzt werden.
Themen-ETFs sollen vor allem Trendthemen erkennen und investierbar machen. Woran erkennen Sie Trendthemen? Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit für ein Trend ein ETF gelauncht wird?
Rozemuller: Das ist wohl die wichtigste und zugleich schwierigste Frage bei Themen-ETFs und der Punkt, an dem sich verantwortungsbewusste Anbieter von Trendreitern unterscheiden. Wir bei VanEck wollen keinen Hype treffen, sondern strukturelle Entwicklungen früh erkennen, also Megatrends, die Wirtschaft und Gesellschaft über Jahre prägen. Wir prüfen genau, ob ein Thema auf nachhaltigen Wachstumskräften basiert, etwa auf technologischer Innovation, demografischem Wandel oder geopolitischen Veränderungen. Dafür kombinieren wir internes Research mit makroökonomischen Analysen und der Expertise spezialisierter Indexpartner. Entscheidend ist unser Pure-Play-Ansatz, den wir bestmöglich umsetzen. In den Index kommen nur Unternehmen, die mindestens 50 Prozent ihres Umsatzes im jeweiligen Themenfeld erwirtschaften. So stellen wir sicher, dass der Fonds das Thema wirklich abbildet, fokussiert, nachvollziehbar und ohne Verwässerung.
Häufig heißt es, Themen-ETFs sollten besser als Depot-Beimischung genutzt werden und nicht als Ankerinvestment. Wie sehen Sie das? Wie sollten Privatanleger Themen-ETFs im Portfolio einsetzen?
Rozemuller: Ich würde sie klar als Ergänzung sehen. Wer einen Welt-ETF als Basis hat, sollte ihn für mindestens 60 Prozent des Portfolios nutzen. 30 bis 40 Prozent in Themen-ETFs halte ich aber für vertretbar – je nach Risikobereitschaft. Wichtig ist, mehrere Ideen zu verfolgen und nicht nur ein einziges Thema zu spielen.
Wäre es nicht klug, einen VanEck Welt-ETF anzubieten, damit man als ETF-Haus die komplette Produktpalette anbieten kann und VanEck als One-Stop-Shop-Anbieter positioniert?
Rozemuller: Wir verstehen uns als Spezialist, der Dinge bewusst anders denkt – das gilt auch bei unserem Welt ETF. Dieser bietet Investoren bereits eine Alternative zum klassischen Welt-ETF: Er verfolgt einen gleichgewichteten Ansatz und reduziert damit Konzentrationsrisiken – sowohl auf Einzelwertebene als auch geografisch, durch eine Begrenzung auf maximal 40 Prozent pro Region. Damit können wir ein globales Exposure anbieten, das zugleich breiter diversifiziert ist. Wer unsere Produktphilosophie teilt, kann VanEck durchaus als One-Stop-Shop betrachten, auch wenn wir wissen, dass Anleger bei ETF-Anbietern ebenfalls diversifizieren.
Stammen die Ideen für Produktinnovationen hauptsächlich aus dem VanEck-Team selbst oder kommen Kunden auf Sie zu, die ein spezielles ETF-Thema umgesetzt haben möchten?
Rozemuller: Von beiden Seiten. Wir haben ein Team, das Trends und Investierbarkeit analysiert, aber wir hören auch auf unsere Kunden. Wenn wir sehen, dass Nachfrage und wirtschaftlicher Sinn zusammenpassen, entsteht oft etwas Neues. So war es auch beim Defense ETF, der teilweise auf zahlreiche Kundenanfragen zurückgeht und zeigt, wie wichtig Kundennähe für unsere Innovationskraft ist.
Wie es aussieht spielen Multi-Asset-Strategien bei VanEck-Kunden weniger eine Rolle. Agieren Anleger eher autonom (Self-Directed) und stellen ihr Portfolio lieber selbst zusammen oder worin sehen Sie den Grund für diese Entwicklung?
Rozemuller: Das stimmt, der Anteil unserer Multi-Asset-ETFs liegt mit rund 90 Millionen Euro bei unter einem Prozent unseres gesamten verwalteten Vermögens. Ich persönlich habe diese Strategien in den Niederlanden eingeführt und halte sie nach wie vor für sinnvoll, da sie Anlegern einen einfachen, regelbasierten Zugang zu verschiedenen Anlageklassen bieten. Im Laufe der Jahre hat sich aber gezeigt, dass Anleger unterschiedlich an das Thema herangehen. Während die einen ihr Portfolio selbst gestalten und Freude daran haben, sich mit Finanzmärkten zu beschäftigen, fehlt anderen das Wissen oder die Sicherheit, selbst aktiv zu werden. Sie suchen häufig den Rat von Beratern oder bleiben ganz passiv. Hier sehe ich noch großes Potenzial in der Finanzbildung: Alle sollten verstehen, dass einfache, breit diversifizierte Strategien langfristig sehr effektiv sein können.
Unter anderem die OECD attestiert deutschen Privatanlegern fehlende finanzielle Bildung. Welche Initiativen ergreift VanEck, um Privatinvestoren zu unterstützen und wie nehmen Sie den Stand der finanziellen Bildung bei Privatinvestoren in unterschiedlichen Märkten wahr?
Rozemuller: Das sehen wir genauso. Finanzbildung ist ein zentrales Thema, gerade in Deutschland. Viele Menschen sparen regelmäßig, wissen aber oft nicht genau, wie sie ihr Geld langfristig sinnvoll investieren können. Deshalb haben wir schon vor einigen Jahren die VanEck ETF Academy auf unserer Website eingerichtet. Dort vermitteln wir Basiswissen zur Geldanlage, zur Funktionsweise von ETFs, zur Portfoliozusammenstellung und zur Bedeutung von Diversifikation. Anleger sollen verstehen, wie Märkte funktionieren und wie man ETFs richtig einsetzt. Darüber hinaus bieten wir einen monatlichen ETF-Newsletter, der aktuelle Research-Beiträge zu Investmentthemen, Marktanalysen und Entwicklungen im Goldmarkt enthält. So möchten wir Privatanleger kontinuierlich informieren und ihnen helfen, den Kapitalmarkt besser einzuordnen.
Wie sehen Sie die Entwicklung von VanEck kurz- bis mittelfristig? Welche Meilensteine wollen Sie erreichen? Wie wird sich die Produktpalette verändern/erweitern?
Rozemuller: Unser Fokus wird in den kommenden Jahren darauf liegen, unsere geografische Präsenz in Europa weiter auszubauen. Es gibt noch viele Länder, in denen ETFs bislang nicht so etabliert sind wie beispielsweise in Deutschland, und wir sehen klare Anzeichen dafür, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Wir möchten diese Entwicklung aktiv mitgestalten und dazu beitragen, dass immer mehr Anleger Zugang zu ETFs erhalten. Gleichzeitig werden wir weiterhin neue Produkte entwickeln, die unseren Kunden echten Mehrwert bieten. Ich rechne damit, dass wir 2026 zwei bis drei neue Ideen auf den Markt bringen werden.