Gefahr für Neobroker – so wehrt sich Trade Republic gegen mögliches EU-Verbot
Die EU beschäftigt sich mit einem möglichen Verbot des Geschäftsmodells der Neobroker. Der kostenlose Handel von Aktien und ETFs steht auf dem Spiel. Wir erklären, was dahinter steckt – und wie sich Trade Republic dagegen zur Wehr setzt!
Vor wenigen Monaten habe ich für das Extra-Magazin (Ausgabe 04/2021), welches zu extraETF gehört, ein Interview mit Christian Hecker von Trade Republic geführt. Die Headline lautete damals: „Trade Republic bleibt auf Jahrzehnte kostenfrei.“ Dies hatte der Gründer des Berliner Neobrokers auf meine Frage geantwortet, ob die Kostenfreiheit im Wertpapierhandel möglicherweise irgendwann wieder zurückgefahren werde – ähnlich wie es viele Banken aktuell mit der Kostenfreiheit von Girokonten handhaben.
Girokonten waren in den 2000er Jahren ein Produkt, das insbesondere Direktbanken wie die Comdirect oder die ING zur Kundenakquise einsetzten und damit tatsächlich Millionen von Neukunden gewannen. Heute allerdings wird das Rad zurückgedreht. Konfrontiert mit diesem Umstand in Bezug auf kostenlosen Wertpapierhandel, sagte Hecker wörtlich: „Ich kann ganz klar versprechen: Wir bleiben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten kostenfrei.“
Darum sind Neobroker kostenfrei
Doch mittlerweile gibt es Entwicklungen politischer Natur, die diesem Versprechen einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Denn wie bereits vor einigen Tagen bekannt wurde, beschäftigt sich die EU derzeit mit möglichen Plänen für ein Verbot des Geschäftsmodells, das es Neobrokern wie Trade Republic oder Scalable Capital überhaupt ermöglicht, ihren Kunden kostenfreien Wertpapierhandel anzubieten.
Dazu ein kleiner Exkurs, wie das Geschäft der Neobroker funktioniert. Das Geschäftsmodell nennt sich „Payment for Orderflow“ (POF). Im Fall von Trade Republic heißt das, dass Kunden aktuell ausschließlich Transaktionen über LS Exchange und als Backup über Tradegate abschließen können. Handeln über die Börse Frankfurt oder die Börse Stuttgart? Nicht möglich. Zum Vergleich: Die Comdirect bietet den Handel über Xetra, die Börse Frankfurt, die Börse Stuttgart, Gettex, LS Exchange und Tradegate an.
Die Verengung des Angebots der Börsenplätze ist das Erfolgsrezept der Neobroker. Denn so kann man sicherstellen, dass man als Broker eine sehr gute Verhandlungsbasis für die Ausgestaltung der Rückvergütungsvereinbarungen erhält. Bedeutet: Der Börsenplatzbetreiber zahlt den Neobrokern sogenannte Abwicklungskostenzuschüsse, oder einfacher gesagt: Provisionen, dass der Broker die Kunden zum Börsenplatz weiterleitet. Dies nennt sich Payment for Orderflow.
Verbotspläne der EU
An diesem Modell wurde bereits vielfach Kritik geübt. Die Vorwürfe lauten: Neobroker verleiteten ihre Kunden zum Zocken – und würden ihnen dabei sogar schlechtere Konditionen bieten. Denn dadurch, dass die Kunden nur über einen oder zwei Handelsplätze Aktien und andere Wertpapiere ordern können, bestünde die Gefahr, dass die Kunden unbemerkt, schlechtere Konditionen erhalten, als wenn sie aus allen verfügbaren Handelsplätzen ihre Käufe und Verkäufe platzieren könnten. Daher beschäftigt sich die EU laut der Nachrichtenagentur Bloomberg seit einiger Zeit mit einem möglichen Verbot des Payment for Orderflow.
Doch ist das Modell wirklich nachteilig für Kunden? Wir hatten für das Extra-Magazin (Ausgabe 06/2020) bereits eine kleine Untersuchung durchgeführt. Zu bestimmten Uhrzeiten und verteilt über mehrere Stichtage haben wir für bestimmte Wertpapiere geprüft, ob Kunden wirklich schlechtere Kurse über die Handelsplätze bei den Neobrokern bekommen. Dazu haben wir unsere Logins, die wir bei mehreren Direktbanken und Neobrokern haben, genutzt und die Kurse verglichen. Das Ergebnis: Wir konnten in einer (zugegebenermaßen kleinen Stichprobe) keine nachteilige Kursstellung bei den Neobrokern feststellen.
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Studie von Trade Republic
Trade Republic kommt in einer eigens in Auftrag gegebenen Studie, die von der der WHU Otto Beisheim School of Management und der University of Southern Denmark durchgeführt wurde, zu einem ähnlichen Ergebnis. Wörtlich heißt es in der Studie: „Die Ausführungspreise bei Trade Republic sind im Durchschnitt besser als auf Xetra und nur in seltenen Fällen schlechter. (…) Aus dieser Kostenanalyse schließen wir, dass Payment for Orderflow den Privatanlegern letztlich nicht schadet. Im Gegenteil: Die Kunden profitieren von diesem neuen Handelsmodell.“
Die Kurse bei LS Exchange seien sogar in 21,1 Prozent der Fälle besser gewesen, in 78,05 Prozent gleich und nur in 0,85 Prozent schlechter als bei einer Ausführung über Xetra. Der Preisvorteil durch engere Spreads, die Differenz zwischen dem Kauf- und Verkaufskurs, lag demnach im Schnitt bei 0,52 Euro je gehandelten 1000 Euro. Allerdings schränkt die Studie ein, dass es weiterer Untersuchungen bedürfe, um festzustellen, wie die niedrigeren Kosten die Handelsaktivität der Anleger beeinflussen und welche Auswirkungen damit für die Renditen der Anleger verbunden sind.
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Wie geht es weiter?
Wichtig zu erwähnen ist noch, dass auch andere Banken und Broker Rückvergütungen von Handelsplätzen erhalten. Dies macht im Gesamtkontext jedoch nur einen Bruchteil des Geschäftsmodells aus, während die Neobroker sehr stark vom Payment for Orderflow abhängig sind. Aktuell unterliegen die Neobroker jedoch bereits strengen Auflagen. Sie müssen beispielsweise die Rückvergütungen gegenüber ihren Kunden offenlegen. Ob es also tatsächlich zu einem kompletten EU-Verbot kommt, ist aktuell fraglich. Gut möglich, dass ein solches Verbot massiven Unmut von Kunden nach sich zieht.
Die EU wäre also gut beraten, hier Vorsicht und Augenmaß walten zu lassen.
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