2. April 2022
So lange musst du in Deutschland für eine Eigentumswohnung arbeiten

Eigenheim: Lohnt sich der Kauf einer Immobilie noch?

Wer eine Immobilie in einer Großstadt besitzt, kann sich über die extremen Preisanstiege der letzten Jahre freuen. Doch die Frage, die sich aktuell immer mehr Menschen in Deutschland stellen, lautet: Jetzt noch kaufen oder ist der Zug längst abgefahren? 

Zwischen 2016 und 2021 stieg der Wert von Wohnimmobilien deutlich. Eigentümer, die 2016 eine typische Bestands-Eigentumswohnung in Berlin erworben haben, konnten sie im dritten Quartal 2021 im Durchschnitt für 84 Prozent mehr anbieten. Das geht aus Zahlen des „WohnBarometers“ von Immobilienscout24 hervor. Demnach können Eigentümer bei einem Verkauf einer 80 Quadratmeter großen Eigentumswohnung mit mittlerer Lage und mittlerer Ausstattung als Preis heute 170.880 Euro mehr als vor fünf Jahren ansetzen.

Berlin ist natürlich ein extremes Beispiel. Wie sieht es andernorts aus? In Köln erlebten nach der Erhebung von Immobilienscout24 Bestandswohnungen zum Kauf im gleichen Zeitraum einen Wertzuwachs von 66 Prozent und damit den zweithöchsten Anstieg der fünf größten deutschen Städte. Allerdings liegen die durchschnittlichen Angebotspreise für die Referenzwohnung in der Domstadt aktuell im Durchschnitt noch bei unter 4.200 Euro pro Quadratmeter und sind damit gegenüber Berlin, Frankfurt am Main und München noch am erschwinglichsten.

In Frankfurt am Main verzeichneten Bestandswohnungen gegenüber dem dritten Quartal 2016 einen Wertzuwachs von 64 Prozent. Hamburg folgt mit 54 Prozent und einem Preiszuwachs von 145.760 Euro.

Bei „nur“ 43 Prozent lag der Zuwachs in München. Doch in der bereits sehr teuren Isarmetropole lagen die Angebotspreise für eine 80 Quadratmeter große Bestandseigentumswohnung 2016 bereits bei rund 5.430 Euro pro Quadratmeter und damit im Vergleich der fünf größten deutschen Metropolen am höchsten.

Soll ich 2022 noch eine Immobilie kaufen?

Die Preisanstiege in deutschen Metropolregionen sind seit Jahren phänomenal, teilweise sogar stärker als bei dem einen oder anderen ETF. Doch kann das noch so weitergehen? Thomas Brummer meint: Ja, warum nicht? In seinem Kommentar zeigt er, weshalb er in absehbarer Zukunft mit weiter steigenden Immobilienpreisen in deutschen Großstädten rechnet.

Timo Baudzus ist hier skeptischer eingestellt. In Immobilien würde er im Jahr 2022 nicht mehr investieren, viel zu heiß gelaufen. Lies auf den folgenden beiden Seiten, was jetzt für und gegen einen Immobilienkauf spricht.

Pro Immobilie: Kaufe ruhig deine Immobilie (Text Thomas Brummer)

Die Preise für Immobilien gehen in deutschen Großstädten durch die Decke. Macht nichts, wohnen musst du eh und ein Preisverfall ist auch nicht abzusehen. Wenn du dich mit dem Gedanken trägst, dir ein Eigenheim anzuschaffen, so ist auch 2022 ein gutes Jahr dafür.

Die Immobilie ist weit mehr als eine Geldanlage. Im Unterschied zur Aktie kannst du in ihr leben. Und ein Dach über dem Kopf braucht jeder. Die Alternative kann nur die Miete sein. Doch auch hier bist du nicht vor weiteren Steigerungen geschützt. Im Gegenteil: Nicht selten erhöhen Vermieter die Miete, spätestens bei einem Umzug wird es meist teurer. Steigende Immobilienpreise können nur Eigentümer kalt lassen. Sieht man sich die in der Einleitung erwähnten Preissteigerungen an, ist es selbstverständlich, dass Freunde der eigenen vier Wände ins Grübeln kommen.

Ob wir uns in einer Immobilienblase befinden oder ob die Preise für Immobilien stabil bleiben, beschäftigt nicht nur angehende Immobilienkäufer, sondern auch viele Experten, darunter auch solche vom Institut für Wirtschaftsforschung in Köln oder vom Institute Kiel Economics. Der Grundtenor lautet: Seit 2010 steigen die Preise für Wohneigentum stetig. Dieser Aufwärtstrend setzt sich sogar seit der Corona-Pandemie weiter fort – trotz des Rückgangs bei der Wirtschaftsleistung. Somit zeigt sich der Immobilienmarkt selbst von den Auswirkungen der Pandemie unbeeindruckt. Alles in allem ergibt sich in Deutschland keine Immobilienpreisblase.

Deutsche Preise nicht zu hoch

Klar ist: Immobilien sind weiterhin alternativlos. Klar, die Zinsen werden auf absehbare Zeit im Keller bleiben, wieso also nicht ein Eigenheim finanzieren? Und im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland im Mittelfeld. Die Preise für Häuser und Grundstücke gelten sogar als eher niedrig, verglichen mit unseren relativ hohen Jahreseinkommen. Frag hier einmal in Paris, London oder Rom nach. Und wer heute zu 1,2 Prozent finanziert, kann sich eben auch mehr leisten als vor 20 Jahren mit sechs Prozent.

Viele Kritiker wenden nun ein: Ich warte, bis es die ersten Bauherren mit ihrer Finanzierung aufs Kreuz legt, und mache dann ein super Geschäft. Das ist als flächendeckendes Phänomen eher unwahrscheinlich. Denn Finanzierungen werden in Deutschland sicherheitsorientiert vergeben. Insbesondere verlangen die Kreditinstitute ein Mindestmaß an Eigenkapital. Ein wesentlicher Anker für die große Stabilität ist daher, dass hier- zulande bereits vor dem Immobilienkauf eifrig gespart wird – unter anderem mittlerweile auch mit ETFs.

Tipp: ETF-Empfehlungslisten – hier findest du die besten ETFs zu allen wichtigen Anlageklassen.

Achte auf eine hohe Tilgung

Wer eine Immobilie kaufen möchte, um selbst dort einzuziehen, sollte sich nicht allzu sehr sorgen. Schließlich kostet Mieten auch Geld. In Ballungsräumen deutet nichts auf plötzlich fallende Preise. Und selbst wenn diese mal kurzfristig fallen sollten, Wohnraum ist ein knappes Gut und wird auch wieder steigen. Sämtliche Marktbeobachter sehen kein Ende des Immobilienpreisanstiegs in Großstädten. Natürlich erzählt sich die Geschichte anders, wenn man ein ländliches Häuschen in einer strukturschwachen Region betrachtet. Doch da sind die Preise auch wahrlich nicht astronomisch. Und wer weiß: Vielleicht erhält der ländliche Raum ja in Zukunft wieder mehr Attraktivität, wenn das Arbeiten von Daheim zur Norm wird.

In jedem Fall solltest du aber bei der Baufinanzierung genau hinsehen. Hier ist ein Vergleich der Konditionen unbedingt nötig. Nutze dafür Vergleichsportale. Häufig versuchen Banken, dir eine niedrige Tilgung aufzuschwatzen. Sie wollen ihren Schuldner ewig binden und so langfristig eine stete Einnahme haben. Schaue also, dass du eine möglichst hohe Tilgung wählst, und achte auch auf die Möglichkeit der gebührenfreien Sondertilgung. So ist dein Eigenheim schnell auch wirklich deines.

Tipp: Du möchtest vorsorgen? Hier gelangst du zum neuen Vorsorgerechner von extraETF.com.

Contra Immobilie: Verkalkuliere dich bitte nicht (Text Timo Baudzus)

Die Preise für Immobilien sind flächendeckend absurd hoch. Darüber können auch nicht die niedrigen Zinsen hinwegtäuschen. Auch wenn du die erste Phase der Finanzierung unbeschadet überstehst: Die Stunde der Wahrheit schlägt später. Ein konkretes Rechenbeispiel!

Neulich war ich mit meiner Partnerin in Regensburg, circa 120 Kilometer von unserem Wohnort München entfernt. Bei unserem Stadtbummel fielen uns diverse Bauprojekte ins Auge. Ich habe weiter recherchiert und bin auf einige interessante Angebote gestoßen. Zum Beispiel auf eine im Bau befindliche Wohnung, die uns gut gefallen hat. 4 Zimmer, 150 Quadratmeter, gehobener Standard. Kostenpunkt: 850.000 Euro! Das Schlimme ist: Der Münchner Immobilienmarkt hat uns dermaßen verdorben, dass wir dies im ersten Moment sogar als recht günstig erachteten.

Doch nähert man sich langsam der Kalkulation, ergibt sich schnell ein ganz anderes Bild. Sagen wir, wir würden eine gewisse Summe Eigenkapital mitbringen und müssten lediglich 600.000 Euro finanzieren. Für eine Zinsbindung von 15 Jahren ist ein effektiver Sollzinssatz von 1,2 Prozent aktuell sicherlich machbar. Damit wir – wie mein Kollege Thomas Brummer in seiner Argumentation zu Recht angemerkt hat – nicht zu wenig tilgen, würden wir einen Tilgungssatz von 1,5 Prozent veranschlagen. Die Höhe der monatlichen Rate wäre für uns definitiv darstellbar und unproblematisch.

Hohe Restschuld nach Zinsbindung

Wenn man sich jedoch das langfristige Konstrukt anschaut, kommen mir doch erhebliche Zweifel. Denn das Ergebnis nach 15 Jahren Finanzierung bedeutet, dass wir lediglich knapp 148.000 Euro getilgt hätten. 95.000 Euro Sollzinsen hätten wir an die Bank gezahlt. Es verbliebe eine Restschuld von 452.000 Euro. Das ist immer noch ein ordentlicher Batzen.

Nehmen wir aber an, dass wir in der Lage wären, 50.000 Euro Sondertilgung zu leisten. Somit müssten wir nur 400.000 Euro neu finanzieren. Ich kann dir freilich nicht sagen, wie sich die Zinsen bis dahin entwickelt haben. Doch aktuell deutet sich zumindest vage an, dass die Zinsen nicht immer so tief bleiben wie in den vergangenen 10 Jahren. Gut möglich, dass die vergangene Dekade in puncto Zinsen eine Sondersituation war.

Aber gehen wir einfach davon aus, dass die Zinsen nur moderat steigen und wir die 400.000 Euro zu einem immer noch verhältnismäßig günstigen Zinssatz von 3 Prozent effektiv finanzieren könnten – und zwar für weitere 15 Jahre. Wir könnten übrigens auch etwas mehr tilgen. Sagen wir, 2,5 Prozent wären realistisch. Damit würde sich die monatliche Rate zwar im Gegensatz zur ersten Zinsbindung um 500 Euro monatlich erhöhen, aber mit Gehaltssteigerungen bis dahin wäre dies keine utopisch hohe Rate.

Immobilien: Die Preise müssen runter

Doch das Ergebnis nach der zweiten Zinsbindung sieht wie folgt aus. 210.000 blieben dann immer noch übrig. Wir müssten dann also nach 30 Jahren immer noch eine extrem hohe Restschuld tilgen. Leider wäre ich dann jedoch bereits im fortgeschrittenen Rentenalter. Und dazu habe ich die Phase der zweiten Zinsbindung bereits mit einem verhältnismäßig niedrigen Zinssatz gerechnet. Ziehen die Zinsen stärker an, dann bleiben nach 30 Jahren deutlich mehr als 210.000 Euro Restschuld übrig. Es geht also in die dritte Runde mit der Finanzierung.

Ergo: Die Immobilienpreise in Deutschland sind aktuell schlichtweg zu hoch. Deshalb muss noch mehr gebaut werden, damit das Angebot steigt und die Preise auf breiter Front sinken. Lass dich nicht blenden von den ultraniedrigen Zinsen. Gut möglich, dass viele nach der ersten Zinsbindung eine böse Überraschung erleben.