28. Mai 2024
Beratung: Welchen Stellenwert hat der persönliche Kontakt zum Berater?

Wie Broker die Bankenlandschaft von morgen prägen und Anleger profitieren

Banken ziehen sich aus dem Filialnetz zurück, Broker gewinnen Kunden und gestalten die Zukunft der Geldanlage – zum Vorteil der Anleger.

„Willkommenskultur“ und „Begegnungsstätte“ sind Begriffe, die Politikerinnen und Politikern gern in großen Reden verwenden. Sie klingen zunächst einmal toll – führen allerdings zu keinen messbaren Ergebnissen. Es bleibt bei wolkigen Wohlfühl-Wordings. Ob das der Grund ist, warum „Willkommenskultur“ und „Begegnungsstätte“ Eingang in den Sprachgebrauch eines Sparkassen-Vorstands gefunden haben, ist unklar.  Klar ist allerdings, dass die traditionellen Banken und Sparkassen etwas tun müssen, wenn sie im Kampf um Kunden nicht komplett abgehängt werden wollen. Neobroker und Direktbanken sind nämlich dabei, die Bankenlandschaft der Zukunft zu ihren Gunsten zu formen. Vor allem zum Vorteil von Kundinnen und Kunden. Was wurde bisher erreicht und wie sieht die Banken- und Finanzdienstleister-Landschaft der Zukunft aus? Alle Antworten findest du in diesem Text.

Banken: Erschreckender Branchentrend beim Filialnetz

Begegnungsstätten mit Willkommenskultur will der angesprochene Sparkassenvorstand aus seinen Filialen machen. Bis zum Abschluss der Modernisierungsarbeiten Ende 2024 wird die Sparkasse drei Millionen Euro investiert haben. Ob´s hilft? Zu Spitzenzeiten hatte das Institut 20 Filialen; heute sind es neun. Diese Entwicklung ist ein Pars pro toto. Jüngst gab die Bundesbank die jährlichen Zahlen zum Bankenstandort Deutschland heraus. Per Ende 2023 zählen die Bundesbanker 19.501 Filialen. Unter dem Strich sind es also 945 weniger als im Jahr zuvor. Das führt unweigerlich zu der Frage: Wozu noch Geld in das Filialnetz stecken, wenn in der Zukunft des Bankings offensichtlich kein Platz dafür vorgesehen ist? Gute Frage, doch die ist gar nicht so einfach zu beantworten.

Denn – wer hätte es gedacht – sehnen sich die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger nach persönlicher Bankberatung. Einer Betrachtung der Unternehmensberatung EY zufolge ist für 67 Prozent der befragten Frauen eine persönliche Beratung bei Finanzprodukten wichtig; bei den Männern liegt der Anteil bei 63 Prozent. Offensichtlich verfügen die Kreditinstitute also über einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber Online Brokern und Direktbanken: Es ist das Filialnetz und das Beraterteam. Doch wie beschrieben schrumpft es seit Jahren. Binnen einer Dekade haben sich die Zweigstellen von 36.196 auf jene 19.501 nahezu halbiert. Natürlich ist das Filialnetz und das zugehörige Personal ein großer Kostenblock. Doch offenbar sind dies für die Kundinnen und Kunden ausschlaggebende Argumente. So war man bei der Commerzbank recht überrascht, als sich im Rahmen des Sanierungskurses an den 400 verbliebenen Filialen Ende 2023 lange Schlangen bildeten.

Ist der Kunde uneinsichtig oder einfach clever?

„Wir müssen den Kunden zudem noch besser erklären, dass sie die meisten Anliegen, für die sie in die Filiale gehen, auch digital oder telefonisch über unser Beratungscenter erledigen können“, sagte Commerzbank CEO Manfred Knof im Handelsblatt: „Bis das zur Gewohnheit wird, kann es Jahre dauern, aber da müssen wir dranbleiben. Neue Filialen zu eröffnen wäre zu kurz gesprungen.“ Subtext: Kundinnen und Kunden sollen doch bitte das Online-Angebot nutzen, ob sie denn nun wollen oder nicht. An dieser Stelle zeigt sich die Misere, in der sich Filialbanken befinden. Einerseits wünschen sich Kundinnen und Kunden persönliche Beratung und schätzen den Filialbesuch auch für einfache Geschäftsvorfälle wie beispielsweise im Zahlungsverkehr. Andererseits wollen konventionelle Kreditinstitute die Kosten reduzieren und dünnen deshalb ihr Filialnetz aus. Dabei hoffen sie darauf, dass die Kundschaft in einigen Jahren vorwiegend digitale Services fürs Banking nutzen wird – wenn es dann nicht schon zu spät ist.

Denn wenn man sich den EY-Bericht weiter durchliest, wird klar, dass für Kundinnen und Kunden die persönliche Beratung zwar wichtig ist, aber Bankberaterinnen und -berater mittlerweile nicht mehr die erste Anlaufstelle sind. Tatsächlich informieren sich Männer mit einem Anteil von 39 Prozent vorzugsweise auf Online-Finanzseiten und Internetforen (34 Prozent). Oder sie sprechen mit Freunden und Familienmitgliedern (30 Prozent). Bankberaterinnen und -berater folgen erst auf Platz vier. Auch für Frauen führt der erste Weg nicht direkt zum Berater. Bei ihnen liegen „Friends & Family“ mit 42 Prozent weit vor persönlichen Ansprechpartnern bei der Bank (34 Prozent). Erschreckender ist noch das errodierende Vertrauen in die Finanzbranche: Gerade einmal 25 Prozent der Bundesbürger halten die Banken- und Versicherungsbranche für eher oder sehr vertrauenswürdig. Kundinnen und Kunden haben ihre Entscheidung längst getroffen.

Trade Republic nun mit Girokonto 

Seit etwa zehn Jahren gibt es die beiden großen Neobroker Scalable Capital (Gründungsjahr 2014) und Trade Republic (Gründungsjahr 2015). Sie stehen stellvertretend für eine neue Art der Geldanlage. Ihr Geschäft hat über die Jahre an Fahrt aufgenommen. Speziell während der Corona-Pandemie. Endlich hatten die Deutschen genug Zeit, sich einmal ausführlich mit der Geldanlage zu beschäftigen. Und das taten sie. Die Zahl der Aktionärinnen und Aktionäre ist im Jahr 2019 von 9,7 Millionen Personen auf 12,4 Millionen im Jahr 2020 gestiegen. Seither verfügt Deutschland stabil über mehr als zwölf Millionen Aktionärinnen und Aktionäre. Im Jahr 2023 waren es 12,3 Millionen Personen. Der Ansatz der Neobroker bestehend aus günstigem Angebot, einfach zu bedienenden Apps und Tools sowie Gamification (Anwendung spiel­typischer Elemente in einem spielfremden Kontext bezeichnet), sorgten und sorgen für leidenschaftliche Anlegerinnen und Anleger und die Basis für eine neue Aktienkultur.

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Seit dem Gründungsjahr hat Trade Republic auf diese Weise vier Millionen Kunden von den eigenen Services überzeugt (Scalable Capital per April 2024 mehr als eine Million). Zum Vergleich: Die Commerzbank verfügt als international agierende Bank über elf Millionen Privat- und Geschäftskunden. Was unterscheidet Neobroker/Online-Broker von den traditionellen Instituten? Sie bieten keine Bankdienstleistungen wie Zahlungsverkehr mit dem Girokonto oder ein klassisches Kreditgeschäft (Wertpapierkredite einmal ausgenommen) an. Noch nicht. Bis zum heutigen Dienstag (28. Mai) war das der Fall. Denn seit diesem Datum hat der Neobroker das geliefert, was er in unserem Video-Interview mit Julian Collin, Growth & General Manager International Markets von Trade Republic, bereits Anfang des Jahres avisiert hat: Das Girokonto. Dabei müssen die Berliner lediglich den Schalter umlegen. Denn die bisherigen Verrrechnungskonten der Kundinnen und Kunden werden nach und nach um Services erweitert, bis sie zu vollwertigen Girokonten werden – Verzinsung von derzeit vier Prozent inklusive. Dabei gilt die Verzinsung nun unbegrenzt statt bisher auf Guthaben bis 50.000 Euro. Was sich noch ändern wird, ist die IBAN. Künftig hat Trade Republic eine eigene Bankleitzahl. Nutzerinnen und Nutzer können dann Geld an Dirtte überweisen und in Echtzeit Geld zu ihrem Trade Republic Konto von Drittbanken ein- oder auszahlen. Bezahlen können Kontoinhaber über die zugehörige Bezahlkarte, die zuletzt so große Nachfrage erfuhr, dass eine Warteliste notwendig war. Das hat nun ein Ende: Jeder kann die Karte nun sofort bestellen und erhält sie zeitnah.

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Was hat sich für Kundinnen und Kunden verändert?

Für Banken ist das eine bittere Pille. Zahlungsverkehr ist ein riesiger Kostenblock. Trade Republic profitiert hier von Skaleneffekten aufgrund der hohen Kundenzahl und gibt diese dann weiter.  Galt in der Vergangenheit das Mantra: „Das Girokonto ist der Dreh- und Angelpunkt einer jeden Kundenbezihung zur Bank“, haben Broker diese Logik nun umgedreht: Erst Depot, dann Konto – jedenfalls zur Implementierung ihrer Strategie, mit der sie die Bankenwelt aufrollen. 

Häufig besteht das Girokonto bei einer klassischen Filialbank, das/ein Depot führt der Neobroker und mancher Anleger hält dann noch ein Wallet bei eine Kryptobörse. Für die Übersicht sorgen die wendigen Depot-Tracker, die mit hoher Datentiefe das Depot auf Klumpenrisiken analysieren, Dividendenzahlungen verfolgen und prognostizieren und die Gesamtentwicklung dezidiert darstellen.

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Für Anlegerinnen und Anleger hat sich binnen einer Dekade unheimlich viel verändert. Das schlägt sich einerseits bei den Gebühren nieder. Teils sind Ersparnisse von knapp 100 Prozent bei der Depotführung möglich, wie wir im unten angefügten Video ausgerechnet haben. Andererseits machen günstige ETFs die Geldanlage vergleichsweise einfach. Mit nur einem Produkt lässt sich bereits breit gestreut über Ländergrenzen und Anlageklassen hinweg investieren. Das ist in der Kombination ein großer Vorteil. 

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Fazit

Banken wird es immer geben. Sie sind das Herz-Kreislauf-System der Wirtschaft. Die Frage ist, wie genau ihr Geschäftsmodell künftig aussehen wird. Die fortschreitende Digitalisierung und die zunehmende finanzielle Bildung der Kundinnen und Kunden verlangen nach passenden Lösungen. Hier befinden sich die konventionellen Kreditinstitute in einem Dilemma. Denn einerseits gibt es Beratungsbedarf und den Wunsch der Kundinnen und Kunden die finanzielle Bildung auszubauen. Allerdings müssen Banken die Kosten in den Griff bekommen und sparen deshalb vor allem am Filialnetz, das mit seinem Personal häufig erste Anlaufstelle zur Kontaktaufnahme darstellt. Gegenüber den Online-Brokern wirken sie im Rückstand. Diesen ist es gelungen, Geldanlage zu einem coolen Lifestyle-Produkt zu machen und den Kundinnen und Kunden die Kontrolle über ihren Vermögensaufbau in deren Hände zu legen. Zwar konnten die Banken zuletzt wieder gute Zahlen ausweisen. Doch basierten diese hauptsächlich auf den gestiegenen Zinsen. Bleibt zu hoffen, dass den Vorständen bald neue Ideen zur Gewinnsteigerung kommen. Denn als die Zinsen in jüngerer Vergangenheit lange Zeit niedrig blieben, backte der Chef der Sparkasse Niederbayern-Mitte aus Protest gegen die lockere EZB-Politik Pizza. Das sorgte zwar für ein paar Lacher, doch ob das auf die Zukunftsfähigkeit des Instituts einzahlt, bleibt fraglich.