12. November 2024
Ist die Zukunft der Geldanlage demokratischer?

Ist die Zukunft der Geldanlage demokratischer?

In Zusammenhang mit Geldanlage hören wir immer, dass diese demokratischer werden. Was bedeutet das und was ist dran?

„Das klassische Sparen mit Sparschwein oder Sparbuch ist gerade für junge Leute nicht mehr attraktiv“, sagt Ferat Öztürk, Leiter des digitalen Vertriebs der EMEA-Region bei DWS Xtrackers. Das ist ohnehin Sparen von gestern. Die Zukunft der Geldanlage dürfte sehr viel digitaler und letztlich auch demokratischer werden. Doch bevor wir loslegen, sollten wir klären, was Demokratie mit der Geldanlage zu tun hat.

Die Demokratisierung der Geldanlage

Nein, das hat nichts mit dem anstehenden Wahlkampf zur Bundestagswahl zu tun. Mit „Demokratisierung der Geldanlage“ ist gemeint, Bürgern einen direkten und effizienten Zugang zum Kapitalmarkt zu geben. Ein ganz wichtiger Eckpfeiler, der die Demokratisierung vorangetrieben hat, sind ETFs. Gratulation, du bist also schon in der richtigen Spur.

Vor der ETF-Einführung musste sich Anleger mit teuren klassischen Fonds begnügen, die oft auch noch intransparent waren und meist den Markt nicht schlagen konnten. Für Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank und Gründer von Quirion, ist die Demokratisierung der Geldanlage bedingungslose Orientierung am Kundenbedarf. „Und der spricht eine klare Sprache: Der Konsum und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen muss heute vor allem eines sein: einfach“, sagt Schmidt. Es sei noch nie so einfach wie heute gewesen sein, Geld gut anzulegen und Vermögen aufzubauen, denn in den letzten Jahren habe sich eine echte Demokratisierung der Geldanlage vollzogen. „Sie brauchen heute nicht erst ein Vermögen, um es gut anlegen zu können“, meint Schmidt. Man denke hier etwa die ganzen digitalen Vermögensverwalter.

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Künstliche Intelligenz bei der Geldanlage

Chatbots oder das Erstellen eines passenden Portfolios über den Fragebogen. Das ist bei vielen Robo-Adivsors längst Standard. Das dürfte aber erst der Anfang sein, wenn es um den Einsatz von KI in der Finanzbranche geht. In der Finanzbranche könnte sich in den nächsten Jahren einiges ändern. Denn nach Einschätzungen des IT-Beratungshauses Accenture lassen sich 39 Prozent der Arbeitszeit bei Finanzdienstleistern zukünftig durch KI-Systeme automatisieren. Zudem könnte bei weiteren 34 Prozent KI unterstützend zum Einsatz kommen, sodass lediglich 27 Prozent der Arbeitszeit verbleibt, die nicht von der KI betroffen ist. Finanzberater sollten die KI als Partner sehen. „Wer digitale Werkzeuge souverän einsetzt, kann aus der KI-Revolution sogar gestärkt hervorgehen“, sagt Michael Patzelt, Vertriebsleiter im deutschsprachigen Raum bei Moventum.

Wie macht sich die KI bei der Geldanlage?

ChatGPT erleichtert vielen schon heute den Alltag. Doch lässt sich das auch auf die Geldanlage übertragen? Schließlich könnte die KI die Demokratisierung der Geldanlage auf das nächste Level heben.

Laut einer Befragung der Unternehmensberatung EY gaben bereits Ende 2023 sogar 99 Prozent der Führungskräfte bei Finanzhäusern an, dass sie generative KI einsetzen bzw. noch einsetzen wollen. Denn klar ist: Algorithmen sind im Auswerten riesiger Datenmengen dem Menschen überlegen. „Sie können etwa Risiken an den Finanzmärkten schneller und präziser quantifizieren. Beim standardisierten Abfragen der individuellen Risikotragfähigkeit, um die passende Struktur für ein Anlageportfolio zu ermitteln, machen sie weniger Fehler“, so Patzelt. Technologie liefere zuverlässig eine belastbare Grundlage für Finanzentscheidungen. Aber sie beseitige weder alle Unsicherheiten noch könne sie die Unwägbarkeiten einer Lebenssituation vollständig erfassen.

Daraus abzuleiten, Entscheidungen zur finanziellen Absicherung und Vermögensplanung könnten künftig vollständig automatisiert erfolgen, ist laut Patzelt allerdings ein Trugschluss. So lässt etwa auch ein Robo-Advisor Fragen offen, wenn er Verlustwahrscheinlichkeiten mit der Risikoneigung eines Anlegers abgleicht und – gefüttert mit unzähligen historischen Datenpunkten – den zu dessen Zielen und zum individuellen Anlagehorizont passenden Mix von Anlageklassen vorschlägt.

KI liefert Entscheidungsgrundlage

Gerade hier könnten Berater im Gespräch auf Augenhöhe ihre Stärken ausspielen. Ein technologiegestützter Anlagevorschlag ist in diesem Szenario die Gesprächsgrundlage. Der Berater bringt diese mit der Persönlichkeit des Kunden einschließlich dessen emotionaler Verfassung zusammen. „Das führt zu Ergebnissen, die nicht nur objektiv zu den Zielen eines Anlegers passen, sondern mit denen sich dieser auch sicher fühlt“, so Patzelt. Kunden mit Beratungsbedarf dürften jedoch vorerst weiterhin auf diese Dienstleistung setzen. Die KI wäre dann für das Rationale zuständig, der Berater für das Emotionale.

Geldanlage komplett in KI-Hände?

Wenn wir ins Flugzeug steigen, ist es für uns ganz selbstverständlich, dass hier die meiste Zeit der Autopilot am Steuer ist. Aber bei der Geldanlage? In der Analyse kommen KI-Systeme schon seit einigen Jahren zum Einsatz, was wiederum die Portfoliosteuerung beeinflusst hat. Nach der Beobachtung des Research-Instituts Flossbach von Storch vertrauen diverse Hedgefonds und Handelshäuser bei kurzfristig ausgerichteten Transaktionen auf Machine Learning, einer Unterform der KI. Meist erfolge dies jedoch nur in einem sehr begrenzten Umfang bezogen auf Zeitspanne und eingesetztes Kapital profitabel.

Durch den übermäßigen kurzfristigen Einsatz von Machine Learning Systemen an Kapitalmärkten könne es sogar zu systemischen Risiken kommen, wie Philipp Immenkötter, Senior Research Analyst bei Flossbach von Storch, aufgezeigt. In der langfristigen Portfoliosteuerung würden KI-Systeme gerne beworben, der Nachweis eines langfristig wirtschaftlich nachhaltigem Erfolgs bleibe bislang aus. Warten wir einfach mal gespannt ab, wie sich die KI-Systeme machen. Zumal natürlich noch ein Aspekt bei einem hohen KI-Grad hinzukommt: Wenn irgendwann einmal fast jeder die Vorteile der KI-Analyse abschöpfen möchte, könnten sich die Renditen nivellieren. Oder anders gesagt: Wenn jeder einen Vorteil hat, hat am Ende niemand einen Vorteil. Doch demokratischer – im Sinne, von einem einfach, günstigen und nutzerfreundlichen Zugang zum Kapitalmarkt – dürfte die Zukunft allemal werden.