17. Februar 2011

Diskussionen über Aktiv versus passiv

Seit der erste Indexfonds in den siebziger Jahren lanciert wurde, beschäftigt das Thema „aktiv“ versus „passiv“ immer wieder Investoren und Wirtschaftspresse. Durch die hohe Akzeptanz der passiven Produkte befürchtet die Fondsindustrie, dass ihr eine immer größere Konkurrenz langsam, aber sicher das Wasser abgräbt. Gerade von dieser Seite wird deshalb immer wieder versucht, angebliche Schwachstellen oder Nachteile der passiven Anlagestrategien aufzudecken. ETF-Experte Alex Hinder, Hinder Asset Management AG, Zürich, beleuchtet die Debatte.

In einer US-Studie wurde kürzlich die etwas abstruse Befürchtung geäußert, passiv verwaltete ETFs könnten die Stabilität der Finanzmärkte bedrohen, da diese Fonds unter Umständen zu einem sogenannten „Short Squeeze“, also einem panikartigen Kursanstieg beitragen könnten. Aber auch als Ursache für den „Flash-Crash“ vom Frühling 2010 wurden unter anderem ETFs genannt. Wie jedoch eine kürzlich publizierte Studie der US-Börsenaufsicht zeigte, waren computergetriebene Verkaufsaufträge eines großen Investors der Hauptauslöser. Indexfonds waren also wie andere Wertpapiere Opfer und nicht Verursacher des plötzlichen Markteinbruches. Im Folgenden möchten wir nun die wichtigsten Einwände der Gegner passiver Anlagestrategien beleuchten:

1. Argument: Seitwärtsmärkte

„Der aktive Manager hat in längeren Seitwärtsmärkten, wie wir sie seit dem Jahr 2000 beobachten, viel mehr Möglichkeiten, Marktchancen auszunutzen, als der passive Manager. Er kann sowohl in Aufwärts- als auch in Abwärtsphasen Opportunitäten aktiv nutzen.“ Die Statistik der letzten Jahre zeigt, dass auch während dieser Seitwärtsmärkte die aktiven Manager nicht überzeugen konnten. Obwohl heute oft behauptet wird, die katastrophale Finanzkrise von 2008 sei voraussehbar gewesen, schnitten die aktiven Manager auch 2008 in der Mehrheit unterdurchschnittlich ab. Während der anschließenden Erholung der Aktienmärkte ab März 2009 verschlechterte sich die Leistung sogar wieder – zeitweise übertrafen nur noch 30 Prozent der aktiven Manager den Index. Grafik 1 zeigt den sogenannten Outperformance-Index für europäische Aktienfonds, also den Prozentsatz der Fonds, die über zwölf Monate eine bessere Performance aufweisen als ihre Benchmark. Der Index wird seit Ende 2004 berechnet. Man erkennt deutlich, dass die aktiven Fonds stets unterdurchschnittlich abschnitten – unabhängig von der Marktrichtung. Es sind jeweils nur sehr kurze Phasen, in welchen mehr als 50 Prozent der Fonds besser als ihre Messlatte abschneiden. Der Prozentsatz hat in den letzten sechs Jahren noch nie die Marke von 60 Prozent erreicht! Meist liegt er zwischen 30 und 40 Prozent. Dies bedeutet, dass nur jeder dritte aktive Manager über zwölf Monate den Index übertrifft. Ein weiteres Problem der aktiven Fonds wird dabei nicht berücksichtigt: Es sind nicht immer die gleichen Fonds, die überdurchschnittlich abschneiden! Die Ranglisten der Fonds wechseln sehr häufig.

Oft sind die Gewinner von heute die Verlierer von morgen und umgekehrt. Bei Indexfonds besteht dieses Problem nicht, diese liegen immer nahe beim Index. Der Outperformance-Index basiert lediglich auf den Resultaten der letzten 12 Monate. Bekanntlich nimmt die Anzahl der überdurchschnittlichen Fonds bei einem längeren Analysehorizont stetig ab: Würde man die Performance über die letzten 24 oder 36 Monate vergleichen, wären die Prozentsätze nochmals deutlich tiefer. Viele „Verliererfonds“ werden dann vom Markt genommen und verschwinden ganz aus den Statistiken. Warum sind aktive Manager in Seitwärtsmärkten nicht erfolgreicher? Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass die Jahresrenditen deutlich tiefer liegen als in einem starken Bullenmarkt und sich damit die hohen Kosten der aktiven Fonds stärker negativ auswirken. Kosten von 2 Prozent bei einer Jahresperformance von 3 bis 8 Prozent fallen in einem solchen Umfeld natürlich stark ins Gewicht. Die Kostenproblematik wird unter Punkt 4 nochmals diskutiert.

2. Argument: Indizes enthalten auch „schlechte“ Wertpapiere

„Beim passiven Indexieren ist man gezwungen, auch die „schlechten“ Wertpapiere im Index zu kaufen. Ein aktiver Manager kann diese meiden und nur die „besten“ Wertpapiere auswählen.“ Falls dieses Argument zutreffen würde, dann wäre Stockpicking eigentlich ein Kinderspiel. Wie jedoch Grafik 1 gezeigt hat, haben selbst professionelle Anleger Mühe, über längere Zeit systematisch den Index zu übertreffen. In der Praxis ist es extrem schwierig, die „guten“ Aktien von den sogenannten „schlechten“ zu unterscheiden. Der Markt ist sicherlich nicht absolut effizient, aber doch sehr schnell in der Verarbeitung von Unternehmensnachrichten: Ungünstige oder vorteilhafte Unternehmensnachrichten werden heute blitzschnell in den Kursen berücksichtigt. Häufig stellt man im Nachhinein fest, dass gerade die sogenannten „erstklassigen“ Werte nur eine unterdurchschnittliche Performance aufweisen, während die „schlechten“ Titel viel besser abschneiden. Außerdem ist das Stockpicking mit erheblichen Informationsund Transaktionskosten verbunden, die immer zuerst aufgeholt werden müssen.

3. Argument: Aktive Strategien sind erfolgversprechender in „unterentwickelten“ Märkten

„Indexstrategien mögen wohl vielversprechend in großen, effizienten Märkten sein. Auf weniger entwickelten bzw. weniger effizienten Märkten wie beispielsweise Schwellenländer oder Small Caps können aktive Manager einen Mehrwert generieren.“ Dieses Argument hört man immer wieder, denn es tönt recht plausibel. Allerdings wird auch hier davon ausgegangen, dass der Portfoliomanager die Aktien besser bewerten kann als dies der Markt vermag und die höheren Transaktionskosten aufholen kann. Ob die Fondsmanager besser sind als ihr Vergleichsindex, ist auch hier letztlich eine empirische Frage. Grafik 2 zeigt den Outperformance-Index für Schwellenländer- Fonds seit Ende 2004. Das empirische Bild fällt leider noch enttäuschender aus als bei europäischen Aktien (vgl. Grafik 1): die 50-Prozent- Hürde scheint unüberwindbar hoch zu liegen.

4. Argument: Passive Strategien haben immer eine Underperformance

„Passive Strategien sind nicht gratis und weisen ebenfalls Kosten auf und «garantieren» damit faktisch eine Unterperformance gegenüber dem Vergleichsindex.“ Es ist sicherlich richtig, dass auch Indexfonds nicht gratis sind und besonders ETFs für exotischere Märkte Verwaltungskosten von über 0,5 Prozent aufweisen. Diese betragen aber trotzdem nur einen Bruchteil der Kosten von aktiven Fonds. Es ist deshalb für den Investor sehr wichtig, möglichst kostengünstige Indexfonds zu kaufen, damit der Performanceverlust klein bleibt. Bei kostengünstigen Indexfonds ist die Abweichung auch langfristig minimal. Ein sehr eindrückliches Beispiel ist die Performance des größten Indexfonds der Welt, des ETFs auf den S&P 500-Index von State Street. Die Minderperformance gegenüber dem Index seit der Auflegung im Januar 1993 bis Ende November 2010 beträgt pro Jahr 0,12 Prozent. Über den gesamten Zeitraum stieg der Index um 7,77 Prozent p. a., der Indexfonds um 7,65 Prozent p. a. Bereits diese marginale Kostenabweichung führt jedoch dazu, dass der Fonds von 100 Prozent auf 272,6 Prozent gestiegen ist, der Index jedoch auf 280,45 Prozent – also ein Unterschied von knapp 8 Prozent. Bei einer Investition von 100.000 US-Dollar führte also der Kostenunterschied von 0,12 Prozent p. a. nach knapp 18 Jahren zu einem Vermögensunterschied von 7.850 USDollar. Hätte jedoch der Kostenunterschied zwischen dem Index und dem Fonds 1,5 Prozent betragen, so hätte die Differenz mehr als 50.000 US-Dollar betragen.

5. Argument: Gewichtung nach Marktkapitalisierung bei Aktienmärkten

„Da die Indizes auf marktkapitalisierter Basis berechnet werden, kann bei einer jahrelang sehr guten Performance ein einzelner Sektor eine ausserordentlich hohe Gewichtung erreichen. Beispiele dafür sind der Anteil der Technologieaktien während des Technologiebooms in den Jahren 1997 – 2000 oder der Anteil Japans am Weltaktienindex Ende der achtziger Jahre. Dies führt zu einer prozyklischen Anlagestrategie.“ Zu diesem Argument zuerst noch eine Erklärung: Streng genommen investiert ein Anleger bei einem kapitalisierungsgewichteten Aktienindex nicht in eine sogenannte „passive“ Strategie, sondern es ist eigentlich eine Momentum-Strategie. Je erfolgreicher ein Unternehmen in der Vergangenheit war, desto größer ist sein heutiges Gewicht im Index und umgekehrt. Dies kann dazu führen, dass einzelne Unternehmen in den Indizes ein überdurchschnittliches Gewicht erhalten und andere aus dem Index eliminiert werden. Wissenschaftliche Studien haben aber gezeigt, dass Momentum-Strategien längerfristig eine sehr erfolgreiche Anlagestrategie darstellen! Vielleicht fällt es auch deshalb vielen aktiven Managern so schwer, den Index zu übertreffen! Ein aktuelles Beispiel dafür ist China mit einem Anteil von 10,5 Prozent im MSCI Emerging Markets Index. Vor wenigen Jahren lag der Anteil Chinas noch unter 5 Prozent. Mit der zunehmenden Bedeutung Chinas in der Weltwirtschaft wird die Gewichtung im Index weiter zunehmen. Ist dies nun schlecht? Japan, das Ende der achtziger Jahre ein Gewicht von über 30 Prozent im Weltaktienindex besaß, weist heute noch einen Anteil von 10 Prozent aus.

Diese Beispiele zeigen, dass ein kapitalisierungsgewichteter Index eigentlich gar kein „passives“ Anlageinstrument darstellt, sondern sich sehr dynamisch im Laufe der Jahre ständig den ökonomischen Gegebenheiten anpaßt. Allerdings ist es möglich, dass bei sehr extremen Bewegungen einer Unternehmung, eines Sektors oder eines Landes der Index nicht mehr ausgeglichen ist und teilweise problematische Ungleichgewichte entstehen können. Dieses Argument ist vermutlich der fundierteste Einwand gegen passives Investieren. Allerdings ist es eher ein Problem der Indexkonstruktion als ein Problem der passiven Anlagestrategie. Denn auch die aktiven Manager, die sich an einer Benchmark orientieren, sind mit diesem Problem konfrontiert. Diese Schwachstelle des passiven Indexierens hat man schon seit längerem erkannt und versucht, entsprechende Alternativen zu entwickeln. So existieren beispielsweise bei den Ländern sogenannte BSP-gewichtete Indizes. Eine andere Stoßrichtung verwendet Indizes, die sich an fundamentalen Gewichtungsfaktoren orientieren. Die bekanntesten Indizes dafür sind die RAFI-Indizes, für die bereits eine Reihe von Aktien-ETFs existiert.

Eine weitere Möglichkeit, das Gewichtungsproblem zu lösen, sind gleichgewichtete Indizes. Bei gleichgewichteten Indizes erhält jede Aktie das genau gleiche Gewicht. Empirische Untersuchungen haben bereits vor vielen Jahren gezeigt, dass diese Indizes längerfristig eine bessere Performance aufweisen als die traditionellen kapitalisierungsgewichteten. Der Grund liegt u. a. darin, dass diese Indizes klein- und mittelkapitalisierte Aktien überdurchschnittlich stark gewichten, also einen sogenannten „Small-Cap-Bias“ aufweisen. Die Index- Firma MSCI hat kürzlich in einer Studie gezeigt, dass gleichgewichtete Indizes in den letzten zwölf Jahren die marktkapitalisierungsgewichteten deutlich übertroffen haben. Das Hauptproblem dieser Indizes ist (leider) die sehr aufwendige und damit kostenintensive Umsetzung eines solchen Index, da die Aktiengewichte aller im Index enthaltenen Titel laufend angepasst werden müssen.

Zusammenfassung

Indexfonds haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Während aktive Fonds seit 2008 ständig mit Netto- Geldabfl üssen zu kämpfen haben, hat das Volumen der passiven Fonds deutlich zugenommen. Allerdings werden noch immer über 90 Prozent der Anlagegelder aktiv verwaltet. In den letzten Jahren hat sich aber die Akzeptanz der passiven Strategien massiv erhöht. So wird heute selbst von aktiven Managern der sogenannte Core-Satellite- Ansatz empfohlen – mit einem passiven Kernportfolio und „aktiven“ Satelliten- Fonds. Von aktiver Seite werden die verschiedensten Argumente ins Feld geführt, die angebliche Schwachstellen einer passiven Indexstrategie aufdecken sollen. Die Diskussion hat jedoch gezeigt, dass die meisten Vorbehalte einer genaueren Analyse nicht standhalten. Letztlich wird aber die Debatte auf der Performanceseite entschieden.

Dort ist das Ergebnis klar: Die überwiegende Anzahl der aktiven Fonds kann ihre passiven Konkurrenten nicht übertreffen.Allerdings weist auch der Indexansatz einige Schwächen auf. Ein Teil der Probleme des passiven Investierens hat mehr mit der Indexselektion zu tun als mit der passiven Anlagestrategie. Eine der wichtigsten Entscheidungen bei Indexstrategien ist deshalb die Wahl des „richtigen“ Index. Es ist deshalb sehr wichtig, dass man die Zusammensetzung und die Charakteristika des Index kennt. Wählt man einen falsch konstruierten Index, einen nicht umsetzbaren Index usw., so ist das sicherlich kein Problem der passiven Indexfonds.