28. April 2014
Mittelstand

Wackelkandidaten erkennen und meiden

Bei der Auswahl von Unternehmensanleihen schneiden Privatanleger überdurchschnittlich schlecht ab. Dabei ließe sich die Zahl der Fehlgriffe stark verringern.

Seit Einführung der sogenannten Mittelstandssegmente an den Börsen in Stuttgart und Frankfurt ist jeder siebte der dort gehandelten Corporate Bonds ausgefallen. Hiervon sind insbesondere Privatanleger betroffen. Viele von ihnen orientieren sich beim Kauf von Unternehmensanleihen fast ausschließlich am Bekanntheitsgrad des Emittenten und an der Höhe der ausgelobten Kupons. Worauf es jedoch wirklich ankommt, ist die Qualität des Geschäftsmodells, die Fähigkeit zur Schuldentilgung bzw. Refinanzierung sowie die voraussichtliche Höhe der Konkursquote – und zwar in dieser Reihenfolge.

Ein funktionierendes Geschäftsmodell lässt sich insbesondere an stabilen operativen Erträgen und einem möglichst konstant hohen Cashflow erkennen. Sind diese beiden Bedingungen erfüllt, wird es in den allermeisten Fällen auch möglich sein, Zinsverpflichtungen zu erfüllen und fällige Anleihen zu refinanzieren.

Ottmar Wolf neu  
Ottmar Wolf  

Gerade bei Neuemissionen ist darauf zu achten, dass der Cashflow zur Abdeckung des nun deutlich höheren Kapitaldienstes ausreicht. Andernfalls sollte ein hoher Bestand an liquiden Mitteln vorhanden und der Verschuldungsgrad (Verhältnis Fremdkapital zu Eigenkapital) überschaubar sein. Ein negatives Eigenkapital ist dagegen als Warnsignal zu sehen, und sollte als Ausschlusskriterium betrachtet werden.

Gerade bei Anbietern von Mittelstandsanleihen, die sich mit ihrer Werbung an Privatanleger wenden, kommt dies aber in einigen Fällen vor. Nicht umsonst liegt die Ausfallquote dieser Schuldverschreibungen bei fast 15 Prozent und damit um das 10-Fache (!) höher als bei größeren Emittenten. Dies ist umso dramatischer, da wir uns in einem überaus guten wirtschaftlichen Umfeld bewegen, und aufgrund der kurzen Historie der Mittelstands- segmente bisher kaum ein Papier zurückgezahlt und damit refinanziert werden musste.

An diesem Punkt beginnen oft erst die eigentlichen Probleme. Potenziellen Käufern einer Anleihe sollte sich klar erschließen, wie der Bond am Ende der Laufzeit getilgt werden kann. Besonders wichtig ist dies, wenn eine einzige Schuldverschreibung die Passivseite der Bilanz dominiert. Macht die Anleihe dagegen nur einen geringen Teil der Bilanzsumme aus, und handelt es sich bei ihr zudem um die nächste größere Fälligkeit, sollte eine Tilgung unproblematisch sein. Dies gilt umso mehr, wenn im Falle eines Falles Konzernteile oder andere Assets verkauft werden könnten. Auch ein stabiler Ankeraktionär, der notfalls Eigenkapital nachschießen würde, trägt zur Vermögenssicherheit der Anleihegläubiger bei.

Gerade bei Wackelkandidaten, deren Kupons und Renditepotenziale auf Privatanleger besonders verführerisch wirken, muss sich der Gläubiger vor dem Kauf Gedanken machen, mit welcher Rückzahlungshöhe er im Konkursfall mindestens rechnen kann. Je nachdem, ob das Papier gesondert besichert ist, oder ob es im Rang hinter diversen anderen Forderungen steht, wie dies bei vielen Mittelstandsbonds der Fall ist, können die Befriedigungsquoten im mittleren oder sogar oberen zweistelligen Bereich liegen, genauso aber auch gegen null tendieren. Grundsätzlich ist eine derartige Abschätzung kompliziert, sodass sich weniger erfahrene Privatanleger auf Emittenten mit funktionierendem Geschäftsmodell und uneingeschränkt positiver Rückzahlungsprognose beschränken sollten.

Trotz aller Warnungen ist es nicht sinnvoll, ausschließlich auf Papiere bester Bonität zu setzen. Mit solchen Bonds ist bei dem aktuellen Zinsniveau kaum etwas zu verdienen. So lassen sich Defizite an der einen oder anderen Stelle durch entsprechend hohe Rendite- erwartungen, die selbst bei noch akzeptablen Anleihen in den zweistelligen Bereich reichen können, kompensieren. Zu derartigen Renditen kommt es in aller Regel allerdings erst während der Laufzeit im Sekundärmarkt. Für Investoren besteht deshalb gerade bei den Mittelstandsanleihen meist kein Grund, direkt bei der Neuemission dabei zu sein.