2. Oktober 2017

Investmentfondsbranche nachhaltig im Tiefschlaf

Thomas Wüst untersucht Fonds auf nachhaltige Aktien

„Wie hoch ist der Aktienanteil in Ihrem Fonds von Unternehmen, die derzeit in Sustainability-Indexkonzepten enthalten sind?“ Mit dieser einfach klingenden Anfrage habe ich mich kürzlich an ausgewählte Fondsgesellschaften aktiv gemanagter, klassischer Aktienfonds gewandt. Das Ergebnis wie viele auf Nachhaltigkeit setzten, war ernüchternd.

Kein einziger der befragten Manager klassischer Aktienfonds war sich darüber bewusst, wie hoch der Anteil von Unternehmen in seinem Fonds ist, die Nachhaltigkeitskriterien von Sustainability-Indexkonzepten erfüllen. Dabei wäre diese Information schon aus Eigeninteresse des Fondsmanagers von Bedeutung, und zwar in mehrfacher Hinsicht:

Nachhaltigkeit wird immer wichtiger!

Diverse Studien belegen, dass Nachhaltigkeitskriterien bei institutionellen Investoren eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Studie des CFA Institute aus 2017 bestätigt, dass 73 Prozent der befragten Großanleger Nachhaltigkeitskriterien in den kommenden Jahren eine höhere Bedeutung beimessen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine aktuelle Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment, in der 64 Prozent der Befragten Nachhaltigkeitskriterien fest in ihrem Investmentprozess verankert haben. Als einer der berühmtesten und größten Vertreter dieser Zunft setzt der staatliche Pensionsfonds des Königreichs Norwegen bei der Geldanlage auf ethische, soziale und ökologische Regeln. Insofern ist es ein nicht zu unterschätzendes Qualitätsmerkmal, ob ein Unternehmen Nachhaltigkeitskriterien erfüllt oder nicht.

So kann die Abstinenz institutioneller Investoren von einer Aktie eines Unternehmens, das derartige Sustainability-Kriterien nicht erfüllt, zu einem Bewertungsabschlag führen, den Fondsmanager bei der Titelselektion mindestens berücksichtigen sollten. Umgekehrt kann sich bei Aktien, die als „Best-In-Class“-Favorit einer Branche gelten, ein entsprechender Bewertungsaufschlag einstellen, der ebenfalls diskontiert werden muss.

Andererseits könnten gerade Aktien von Unternehmen, die diverse Nachhaltigkeitskriterien derzeit noch nicht erfüllen, gerade wegen eines Bewertungsabschlags ein interessantes Investment werden, wenn sich das Management des Unternehmens dazu aufmacht, künftig nachhaltiger zu wirtschaften. Hierfür könnten Fondsmanager mit ihrem Einfluss auf Hauptversammlungen und in den Meetings mit dem Management entsprechenden Druck aufbauen. Denn wenn eine Aktie in einen Sustainability-Index aufgenommen wird, erschließt sie sich eine neue Käufergruppe.

Dies wäre übrigens auch ein konstruktives Argument, weshalb man als Investor klassische Aktienfonds vor speziell ausgerichteten Sustainability-Fonds bevorzugen kann – zumindest dann, wenn die Fondsmanager besagten Druck auf die Firmen ausüben.

Sicherlich sind die verschiedenen Sustainability-Indexkonzepte am Markt sehr unterschiedlich aufgebaut. Hier kann man sich trefflich darüber streiten, ob ein „Best-In-Class“-Ansatz oder harte Ausschlusskriterien einzelner Branchen der richtige Weg sind. Unabhängig davon gibt es jedoch ökonomische Gründe, sich darüber Gedanken zu machen, ob ein Unternehmen als nachhaltig eingestuft wird oder nicht. So kann es eben auch ein komparativer Wettbewerbsvorteil sein, inwieweit ein Unternehmen dazu in der Lage ist, mit begrenzten Ressourcen effizient umzugehen.

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Bei den Leitindizes DAX und DJ EuroStoxx50 gibt es bereits Transparenz: Anleger, die in diesen Aktienindizes engagiert sind, sind aktuell mit ca. 87 (DAX) bzw. 89 Prozent (DJ EuroStoxx50) ihres Kapitals in Unternehmen investiert, die in Sustainability-Indizes enthalten sind. Diese Transparenz, die aktuell durchaus ein Argument für ein passiv gemanagtes ETF-Investment sein kann, sollten Fondsmanager von aktiv gemanagten klassischen Aktienfonds ihren Anlegern doch auch bieten können.

Es wäre nun aber sicherlich falsch, auf Basis meiner gemachten Erfahrungen der gesamten Fondsbranche in Deutschland ein schlechtes Zeugnis bezüglich der Nachhaltigkeit auszustellen. So war meine Stichprobe keinesfalls repräsentativ und viele Fondsgesellschaften unterwerfen ihre Produkte bereits externen Ratings, wie dem Morningstar Sustainability Rating. Auch verschreiben sich immer mehr Fondsgesellschaften ethischen Grundsätzen wie den UN-Prinzipien für verantwortungsvolles Investment (UNPRI), die militärische Investments – etwa Streubombenhersteller – generell ausschließen.

Zudem arbeiten Fondsgesellschaften bei der Aktienanalyse verstärkt mit speziellen Ratingagenturen wie oekom Research oder Sustainalytics zusammen, oder haben sogar eigene Abteilungen dafür geschaffen. Da wäre es doch nun nur ein kleiner Schritt, für mehr Transparenz im Hinblick auf die Assets under Sustainability auf Ebene klassischer Aktienfonds zu sorgen. Ich zumindest würde mich darüber freuen!

Thomas Wüst, Geschäftsführer, valorvest Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG, Stuttgart