17. Oktober 2022
Comeback der Populisten? So schaden sie dem Freihandel

Comeback der Populisten? So schaden sie dem Freihandel

Für Populisten, egal ob von rechts oder links, sind Krisenjahre gute Jahre. Seit einigen Jahren sind sie wieder auf dem Vormarsch und gewinnen Wahlen. Auch in Deutschland sitzen Populisten mittlerweile in den Parlamenten.

Wenn populistische Wirklichkeitsverweigerung allerdings auf die Wirklichkeit trifft, kann das ganze Länder ruinieren. Dabei sind die Populisten aller Länder geeint im Kampf gegen die Globalisierung. Im globalen Freihandel liegt der gemeinsame Gegner.

Dabei war es mit David Ricardo sogar ein britischer Wirtschaftswissenschaftler, der bereits vor über 300 Jahren die Vorteile des Freihandels aufzeigte. Zugegeben ist Ricardo‘s Theorie der komparativen Kosten nicht so leicht verständlich. Der Nobelpreisträger Paul Samuelson bezeichnete es als ein Theorem, das selbst intelligenten Menschen nicht immer auf Anhieb einleuchtet.

Die vom Autodidakten und erfolgreichen Börsenhändler David Ricardo (* 1772, † 1823) entwickelte Theorie besagt, dass sich jedes Land auf Produktion und Export derjenigen Güter spezialisieren sollte, die es mit dem kleinsten absoluten Kostennachteil (relativer komparativer Kostenvorteil) produzieren kann. Seine Theorie gilt vielen als Grundlage des Freihandels. Im Kern besagt die Theorie, dass ein Land auch dann erfolgreich am internationalen Handel teilnehmen kann, wenn es bei allen Produkten Kostennachteile gegenüber anderen Ländern hat. Umgekehrt lohnt es sich auch für Länder, die alle Produkte billiger herstellen können als andere, Handel mit den weniger wettbewerbsfähigen Ländern aufzunehmen und sich zu spezialisieren.

Ein Beispiel

Er erklärte seine Theorie am Beispiel des Handels mit Wein und Tuch zwischen Portugal und England. Angenommen, zwischen beiden Ländern gibt es keine Arbeitsteilung und keinen Handel. Dann stellen beide Länder beide Produkte her. England benötigt für die Produktion von 1000 Rollen Tuch 100 Arbeiter und für die Herstellung von 1000 Fässern Wein 120 Arbeiter. Portugal dagegen kommt mit 90 Arbeitern für 1000 Rollen Tuch und 80 Arbeitern für 1000 Fässer Wein aus. Insgesamt produzieren beide Länder zusammen 2000 Rollen Tuch und 2000 Fässer Wein.

Obwohl die Portugiesen bei Wein und Tuch jeweils einen absoluten Kostenvorteil (weniger benötigte Arbeitskräfte) haben, lohnt es sich für sie, sich auf die Produktion von Wein zu spezialisieren und den Briten die Herstellung von Tuch zu überlassen, das sie dann von dort importieren. Der Grund: Die Arbeitskräfte können in der portugiesischen Weinproduktion produktiver (kostengünstiger) eingesetzt werden als in der Tuchproduktion. Umgekehrt benötigt England für die Tuchproduktion weniger Arbeiter (100) als für die Weinproduktion (120).

Konzentration auf die komparativen Vorteile

Wenn sich Portugal auf seine komparativen Vorteile beim Wein konzentriert und die Tuchproduktion aufgibt, können die 90 Arbeiter aus der Tuchproduktion ins Weinsegment wechseln. Sind sie dort ebenso produktiv wie die schon eingesetzten Arbeiter, die pro Kopf 12,5 Fässer produzieren (1000 Fässer geteilt durch 80 Arbeiter), so können sie 1125 Fässer Wein zusätzlich produzieren. Insgesamt stellt Portugal dadurch 2125 Fässer Wein her und damit 125 mehr als beide Länder zuvor zusammen erzeugt haben. In England dagegen werden die aus der Weinproduktion ausscheidenden 120 Arbeiter in der Tuchproduktion eingesetzt. Bei gleicher Produktivität wie die dort schon arbeitenden Beschäftigten, die 10 Rollen je Kopf erzeugen (1000 Rollen geteilt durch 100 Arbeiter) können sie 1200 Rollen Tuch zusätzlich herstellen. England produziert somit 2200 Rollen Tuch, 200 mehr als beide Länder zuvor zusammen.

Indem sich jedes Land auf das Gut spezialisiert, das es relativ zu anderen Gütern im eigenen Land kostengünstiger herstellen kann, lenkt es seine Arbeitskräfte in die produktivste Verwendung. Der Handel mit dem anderen Land sichert dann die Versorgung mit dem selbst nicht mehr produzierten Gut. Auf diese Weise können auch Länder an der internationalen Arbeitsteilung teilnehmen, die in der Produktion aller Güter absolute Kostennachteile gegenüber anderen Ländern haben.

Tipp: Jeden Mittwoch relevante Infos! Melde dich hier kostenlos für unseren wöchentlichen extraETF-Newsletter an.

Handel schafft eine Win-win-Situation

Handel ist kein Nullsummenspiel, bei dem die Einen gewinnen, was die Anderen verlieren, sondern schafft eine Win-win-Situation. Denn am Ende kennt der Freihandel jedoch nur Gewinner. Das heißt aber nicht, dass er zwischenzeitlich keine Verlierer produziert. Ricardo setzt voraus das Arbeitskräfte, die in der Branche mit komparativen Nachteilen entlassen werden, sofort einen Job in dem Sektor mit komparativen Vorteilen finden und dort ebenso produktiv sind wie die vorhandenen Arbeiter. Dies setzt eine sehr mobile und flexible Arbeitswelt voraus.

Populisten glauben, dass man die eigene Wirtschaft durch Abschottung stärkt. Wohlstand schafft man aber durch Produktivität und Innovation. Beides entsteht durch Wettbewerb. Um Konkurrenz zu fördern, müssen Handelshürden abgerissen und nicht aufgebaut werden. Die Populisten in Großbritannien haben sich vor einigen Jahren für einen eigenen Weg entschieden und die Handelsschranken wieder hochgezogen. Die Volkswirtschaft zahlt dafür gerade den Preis.

Über den Autor: Markus Richert

Markus Richert ist CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln