"Sell in May and go away"
Eine ausgediente Börsenweisheit oder praktische Anlagestrategie?
Jedes Jahr, wenn der Mai naht, erinnern sich viele Anlegerinnen und Anleger an eine alte Börsenweisheit: "Sell in May and go away, but remember to come back in September."
Dieser Spruch, der empfiehlt Aktien im Mai (im Sommer) zu verkaufen und erst im Herbst wieder in den Markt einzusteigen, ist seit vielen Jahrzehnten im Umlauf und wird häufig diskutiert. Doch wie viel Wahrheit steckt in diesem Börsenspruch? Und ist diese in der heutigen global vernetzten Finanzwelt noch relevant?
Das Wichtigste in Kürze: Alles zu "Sell in May" im Überblick
Saisonale Börsenweisheit: Die Börsenregel Sell in May and go away empfiehlt, Aktien im Mai zu verkaufen und Investitionen bis September ruhen zu lassen, basierend auf der Annahme, dass höhere Renditen erzielt werden können, wenn man saisonale Schwankungen nutzt.
Historische Muster: Seit 1959 gibt es Untersuchungen, die andeuten, dass Aktienmärkte von November bis April bessere Renditen erzielen als von Mai bis Oktober. Diese saisonalen Muster haben zu der Annahme geführt, dass Investoren im Mai verkaufen und ihre Investitionen im Herbst wiederaufnehmen sollten, um potenziell schwächere Börsenmonate zu meiden.
Moderne Relevanz: Neuere Untersuchungen stellen die Effektivität dieser alten Börsenweisheit jedoch in Frage, da die Märkte sich weiterentwickeln und die historischen Muster nicht mehr so verlässlich erscheinen.
Risiken & Kritik: Ein starres Festhalten an dieser Regel kann insbesondere in dynamischen Marktumfeldern zu verpassten Gewinnmöglichkeiten führen, da unvorhersehbare Marktbewegungen und externe Einflüsse wie politische Ereignisse oder globale Krisen die Marktperformance stark beeinflussen können.
Einfach erklärt: Was bedeutet "Sell in May and go away"?
Die Börsenweisheit "Sell in May and go away" auch als "Halloween Indicator" bezeichnet, ist Grundlage einer Anlagestrategie, die darauf basiert, dass die Aktienmärkte in den Sommermonaten von Mai bis September tendenziell schlechtere Renditen erzielen als in den restlichen Monaten. Historisch gesehen zeigen viele Studien, dass die Aktienkurse in diesen Monaten stagnieren oder fallen, was Anlegerinnen und Anleger dazu veranlassen könnte, ihre Positionen im Mai zu verkaufen.
Der Zusatz "..and come back in September" rät dazu, die Anlagen im September wieder zu kaufen, da dieser Monat oft den Beginn einer positiveren Marktentwicklung bis zum Ende des Jahres markiert. Dieser Ratschlag basiert auf der Beobachtung saisonaler Muster, die aufgrund verschiedener Faktoren wie dem Geschäftsjahresende und saisonalen Konsummustern auftreten können.
Schon gewusst? Daher kommt die alte Börsenregel
"Sell in May and Go Away" hat ihre Ursprünge in England, genauer gesagt im Finanzviertel Londons. Der ursprüngliche Ausdruck lautete "Sell in May and go away, come back on St. Leger’s Day", wobei das genannte Ereignis ein Pferderennen ist.
Das St. Leger Stakes, das erstmals 1776 ausgetragen wurde, zählt zu den bekanntesten Pferderennen in England und ist der letzte Teil der britischen Triple Crown. Es findet jedes Jahr im September auf der Rennbahn in Doncaster, South Yorkshire, statt.
Ursprünglich empfahl das Sprichwort britischen Investoren, Aristokraten und Bankern, ihre Aktien im Mai zu verkaufen, die Sommermonate entspannt zu genießen, der Hitze Londons zu entfliehen und erst im Herbst nach dem St. Leger Stakes wieder in den Aktienmarkt einzusteigen.In den USA haben einige Anlegerinnen und Anleger eine ähnliche Strategie übernommen, indem sie es vermeiden, zwischen dem Memorial Day im Mai und dem Labor Day im September zu investieren.
Relevanz der Börsenweisheit
Über die Jahre haben zahlreiche Studien versucht, die Gültigkeit dieser Börsenregel zu überprüfen. Statistiken zeigen, dass es in der Tat Zeiten gab, in denen die Börsenrenditen zwischen Mai und September tendenziell niedriger ausfielen als in den anderen Monaten des Jahres. Eine Analyse des S&P 500 von 1950 bis heute zeigt jedoch ein gemischtes Bild, mit Jahren, in denen diese Regel zu gelten schien, und anderen, in denen sie es nicht tat.
Die Strategie "Sell in May and go away" hat auch durch zahlreiche bekannte Börseneinbrüche zwischen Mai und Oktober an Glaubwürdigkeit gewonnen, darunter der Schwarze Montag 1987, der Crash nach der Pleite von Lehman Brothers 2008 und die Korrektur im August 2011 nach der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit.
Interessanterweise scheint die Relevanz von "Sell in May" in den letzten Jahrzehnten abgenommen zu haben. Experten führen dies auf die zunehmende Globalisierung und die technologische Entwicklung zurück, die den Handel an den Finanzmärkten verändert haben. Heute sind die Märkte 24 Stunden am Tag und fast das ganze Jahr über aktiv, mit Akteuren aus verschiedenen Zeitzonen, was die alten saisonalen Muster überlagert.
Heute scheint diese Börsenregel jedoch wenig Aussagekraft zu besitzen. Hätten sich Anlegerinnen und Anleger im Jahr 2021 an diese Börsenweisheit gehalten, hätten sie eine niedrigere Rendite erwarten können.
Was sagen Statistiken zu "Sell in May and go away"?
Wir haben die Renditen eines Portfolios auf den S&P 500 analysiert, das der Strategie "Sell in May and go away" folgte, im Vergleich zu einer konventionellen Buy-and-Hold-Strategie. Langfristig erwies sich die Buy-and-Hold-Strategie als überlegen. Kurzfristige Leistungen waren jedoch inkonsistent.
10 Jahre | 20 Jahre | 50 Jahre | |
Buy and Hold | 10,4 % | 7,6 % | 7,2 % |
Sell in May and go away | 5,5 % | 5,6 % | 6,7 % |
Tatsächlich hat "Sell in May" in jüngerer Zeit eine unterdurchschnittliche Performance erbracht. In den letzten zehn Jahren waren die Renditen von Mai bis Oktober 80 Prozent der Zeit positiv, mit einer durchschnittlichen Rendite von fast 5 Prozent.
Viele Fehlinterpretationen bezüglich der "Sell in May and go away"-Strategie könnten auf Verhaltensverzerrungen beruhen. Die Verhaltensökonomie zeigt, dass Investoren negative Renditen stärker bewerten als positive und eher geneigt sind, sich an negative Ergebnisse zu erinnern. Seit 1950 traten etwa 60 Prozent der negativen Monatsrenditen, einschließlich Korrekturen von mehr als 10 Prozent, im Zeitraum von Mai bis Oktober auf, was die "Sell in May"-Strategie stützt.
Wenn wir uns die durchschnittliche Rendite des S&P 500 nach Monaten anschauen, sehen wir zwar, dass der Mai durchschnittlich ein schwacher Monat war - der Juli jedoch mit die höchste Rendite aufweist. Diese Daten scheinen die Börsenstrategie "Sell in May and go away" zu widerlegen, da sie nicht darauf hindeuten, dass die Monate Mai bis Oktober tendenziell schwächere Renditen aufweisen als die übrigen Monate des Jahres.
Denke aber immer daran, dass vergangene Wertentwicklungen keine Garantie für zukünftige Entwicklungen darstellen.
"Investing is like soap – the more you touch it, the smaller it gets."
Für Investoren mit einer langfristigen Perspektive ist es vorteilhaft, sich an dieses Zitat des Nobelpreisträgers Eugene Fama zu erinnern. Dieser Ratschlag betont den Wert einer geduldigen Buy-and-Hold-Investitionsstrategie und deutet darauf hin, dass häufiges Handeln die Anlagerenditen durch Transaktionskosten und Timing-Fehler am Markt verringern kann.
Warum hat "Sell in May" heute an Bedeutung verloren?
- Digitalisierung: Der Zugang zu den Finanzmärkten ist heute einfacher und kann jederzeit und überall erfolgen.
- Produktvielfalt: Eine größere Vielfalt an Anlageprodukten bietet Investoren zusätzliche Möglichkeiten, was die Effekte traditioneller saisonaler Muster mildert.
- Globalisierung: Veränderte globale Handelsdynamiken haben zu einem Paradigmenwechsel geführt.
In der modernen Börsenlandschaft scheint die "Sell in May"-Strategie an Relevanz zu verlieren. Die Digitalisierung und Globalisierung haben den Handel an den Finanzmärkten revolutioniert, wodurch saisonale Muster weniger vorhersagbar geworden sind. Zum Beispiel zeigte das Jahr 2021 eine starke Performance auch in den Sommermonaten, was die traditionelle Weisheit infrage stellt.
Viele Marktbeobachter und Finanzexperten kritisieren die "Sell in May"-Regel als zu simplistisch. Sie argumentieren, dass eine starre Befolgung dieser Regel Anlegerinnen und Anleger dazu verleiten könnte, Chancen auf Gewinne zu verpassen, insbesondere in Jahren, in denen der Markt während der Sommermonate gut abschneidet.
Alternative Strategien: Wie sollte ich heute anlegen?
Eins ist klar: Die einst als sicher geltende Börsenregel muss in der heutigen schnelllebigen und global vernetzten Finanzwelt neu bewertet werden. Anlegerinnen und Anleger sollten sich nicht allein auf saisonale Muster verlassen, sondern eine dynamische und datengestützte Anlagestrategie verfolgen.
Die Buy and Hold-Strategie erweist sich oft als sinnvoller im Vergleich zu saisonalen Handelsstrategien wie "Sell in May and go away". Historische Daten zeigen, dass eine kontinuierliche Investition über längere Zeiträume in der Regel zu einer höheren Rendite führt. Insbesondere im S&P 500 hat sich gezeigt, dass ein durchgängiges Halten von Anlagen signifikant bessere Ergebnisse erzielt als der Versuch, Marktzyklen zu timen. Dies liegt daran, dass Märkte langfristig dazu neigen, zu wachsen, und wichtige Gewinntage oft unerwartet kommen, was Investoren verpassen könnten, wenn sie nicht durchgehend investiert sind.
“Oktober: einer der besonders gefährlichen Monate für Börsenspekulationen. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Februar.” - Mark Twain
Dieses Zitat von Mark Twain zeigt, dass das Investieren am Aktienmarkt immer Risiken verbunden ist – Es macht keinen Unterschied, in welchem Monat man investiert, da langfristige Investitionen in der Regel die kurzfristigen Markt-Timing-Strategien übertreffen. Je länger das Geld angelegt bleibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit höherer Erträge, was langfristiges Investieren vorteilhafter macht als jegliche Markt-Timing-Strategien.
Hier findest du mehr Informationen zu Anlagestrategien mit ETFs:
Diversifikation zur Minimierung von Verlusten
Diversifikation ist eine fundamentale Anlagestrategie, die darauf abzielt, das Risiko von Investitionen zu streuen und dadurch mögliche Verluste zu minimieren. Anlegerinnen und Anleger verteilen ihr Kapital auf verschiedene Anlageklassen, wie Aktien, Anleihen, Immobilien oder Rohstoffe, um nicht von den Schwankungen eines einzelnen Marktes abhängig zu sein.
Dieses Vorgehen basiert auf der Überlegung, dass nicht alle Anlagen gleichzeitig und im selben Ausmaß von Marktveränderungen betroffen sind. Beispielsweise können, während Aktienmärkte fallen, Anleihen oder andere Vermögenswerte an Wert gewinnen oder stabil bleiben. Durch die Aufteilung der Anlagen können also Rückschläge in einem Bereich durch Gewinne in einem anderen ausgeglichen werden, was das Gesamtrisiko des Portfolios reduziert und zu stabileren Renditen über die Zeit führt.
Fazit: Längt überholte Börsenweisheit
Die Weisheit "Sell in May and go away" mag historisch ihre Berechtigung gehabt haben, jedoch deutet vieles darauf hin, dass sie in der heutigen schnelllebigen und global vernetzten Welt nicht mehr so relevant ist.
Die langfristige Buy-and-Hold-Strategie bleibt somit für die meisten Anlegerinnen und Anleger die bessere Wahl, um konsistente Erträge zu erzielen und die Vorteile des Marktwachstums voll auszuschöpfen. Anlegerinnen und Anleger sollten vielmehr auf eine ganzjährige Strategie setzen.
Wir beantworten weitere Fragen zur Bösenweisheit
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- "Investing is like soap – the more you touch it, the smaller it gets."
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